Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826."Wo ist am Tag ihr Zeichen? wo spricht das Herz "Sich aus? o wann im Leben, wann ist es frei, "Was unser Wort nicht nennt, wann wird, was "Trauert, gebannt in die Nacht, sein Wunsch ihm? -- "Jetzt, wann die Opfer fallen, ihr Freunde! jetzt! "Schon tritt hinzu der festliche Zug, schon blinkt "Der Stahl, die Wolke dampft, sie fallen, und es "Hallt in der Luft, und die Erde rühmt es!" Wenn ich so singend fiele, dann rächtest Du Mich, mein Achill! und sprächest: "er lebte doch "Treu bis zuletzt!" das ernste Wort, das Spräche mein Feind und der Todtenrichter! Doch weilen wir in Ruhe, Du Lieber, noch; Uns birgt der Wald, es hält das Gebirge dort Das mütterliche, noch die beiden Brüder in sicherem Arm gefangen. Uns ist die Weisheit Wiegengesang; sie webt Um's Aug' ihr heilig Dunkel; doch öfters kömmt Aus ferne tönendem Gewölk die Mahnende Flamme des Zeitengottes. „Wo iſt am Tag ihr Zeichen? wo ſpricht das Herz „Sich aus? o wann im Leben, wann iſt es frei, „Was unſer Wort nicht nennt, wann wird, was „Trauert, gebannt in die Nacht, ſein Wunſch ihm? — „Jetzt, wann die Opfer fallen, ihr Freunde! jetzt! „Schon tritt hinzu der feſtliche Zug, ſchon blinkt „Der Stahl, die Wolke dampft, ſie fallen, und es „Hallt in der Luft, und die Erde ruͤhmt es!“ Wenn ich ſo ſingend fiele, dann raͤchteſt Du Mich, mein Achill! und ſpraͤcheſt: „er lebte doch „Treu bis zuletzt!“ das ernſte Wort, das Spraͤche mein Feind und der Todtenrichter! Doch weilen wir in Ruhe, Du Lieber, noch; Uns birgt der Wald, es haͤlt das Gebirge dort Das muͤtterliche, noch die beiden Bruͤder in ſicherem Arm gefangen. Uns iſt die Weisheit Wiegengeſang; ſie webt Um's Aug' ihr heilig Dunkel; doch oͤfters koͤmmt Aus ferne toͤnendem Gewoͤlk die Mahnende Flamme des Zeitengottes. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0043" n="35"/> <lg n="5"> <l>„Wo iſt am Tag ihr Zeichen? wo ſpricht das Herz</l><lb/> <l>„Sich aus? o wann im Leben, wann iſt es frei,</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">„Was unſer Wort nicht nennt, wann wird, was</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#et">„Trauert, gebannt in die Nacht, ſein Wunſch</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#et">ihm? —</hi> </l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>„Jetzt, wann die Opfer fallen, ihr Freunde! jetzt!</l><lb/> <l>„Schon tritt hinzu der feſtliche Zug, ſchon blinkt</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">„Der Stahl, die Wolke dampft, ſie fallen, und es</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#et">„Hallt in der Luft, und die Erde ruͤhmt es!“</hi> </l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Wenn ich ſo ſingend fiele, dann raͤchteſt Du</l><lb/> <l>Mich, mein Achill! und ſpraͤcheſt: „er lebte doch</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">„Treu bis zuletzt!“ das ernſte Wort, das</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Spraͤche mein Feind und der Todtenrichter!</hi> </l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Doch weilen wir in Ruhe, Du Lieber, noch;</l><lb/> <l>Uns birgt der Wald, es haͤlt das Gebirge dort</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Das muͤtterliche, noch die beiden</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Bruͤder in ſicherem Arm gefangen.</hi> </l> </lg><lb/> <lg n="9"> <l>Uns iſt die Weisheit Wiegengeſang; ſie webt</l><lb/> <l>Um's Aug' ihr heilig Dunkel; doch oͤfters koͤmmt</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Aus ferne toͤnendem Gewoͤlk die</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Mahnende Flamme des Zeitengottes.</hi> </l> </lg><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [35/0043]
„Wo iſt am Tag ihr Zeichen? wo ſpricht das Herz
„Sich aus? o wann im Leben, wann iſt es frei,
„Was unſer Wort nicht nennt, wann wird, was
„Trauert, gebannt in die Nacht, ſein Wunſch
ihm? —
„Jetzt, wann die Opfer fallen, ihr Freunde! jetzt!
„Schon tritt hinzu der feſtliche Zug, ſchon blinkt
„Der Stahl, die Wolke dampft, ſie fallen, und es
„Hallt in der Luft, und die Erde ruͤhmt es!“
Wenn ich ſo ſingend fiele, dann raͤchteſt Du
Mich, mein Achill! und ſpraͤcheſt: „er lebte doch
„Treu bis zuletzt!“ das ernſte Wort, das
Spraͤche mein Feind und der Todtenrichter!
Doch weilen wir in Ruhe, Du Lieber, noch;
Uns birgt der Wald, es haͤlt das Gebirge dort
Das muͤtterliche, noch die beiden
Bruͤder in ſicherem Arm gefangen.
Uns iſt die Weisheit Wiegengeſang; ſie webt
Um's Aug' ihr heilig Dunkel; doch oͤfters koͤmmt
Aus ferne toͤnendem Gewoͤlk die
Mahnende Flamme des Zeitengottes.
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Zitationshilfe: | Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_gedichte_1826/43>, abgerufen am 23.07.2024. |