Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.
Geduldig, wußte nicht, Wo es gebrach; indessen wuchs Die Trunkenheit dem Volke; schaudernd Vernahmen sie's, wenn ihm vom eignen Wort Der Busen bebt', und sprachen: So hören wir nicht die Götter! Und Namen, so ich dir nicht nenne, gaben Die Knechte dann dem stolzen Trauernden. Und endlich nimmt der Durstige das Gift, Der Arme, der mit seinem Sinn nicht Zu bleiben weiß und Aehnliches nicht findet, Er tröstet mit der rasenden Anbetung sich, verblindet, wird wie sie, Die seelenlosen Aberglaubigen; Die Kraft ist ihm entwichen, Er geht in einer Nacht, und weiß sich nicht Herauszuhelfen und wir helfen ihm. Mekades. Deß bist du so gewiß? Hermokrates. Ich kenn' ihn. Mekades. Ein übermüthiges Gerede fällt Mir bei, das er gemacht, da er zuletzt Auf der Agore war. Ich weiß es nicht, Was ihm das Volk zuvor gesagt; ich kam
Geduldig, wußte nicht, Wo es gebrach; indeſſen wuchs Die Trunkenheit dem Volke; ſchaudernd Vernahmen ſie's, wenn ihm vom eignen Wort Der Buſen bebt', und ſprachen: So hoͤren wir nicht die Goͤtter! Und Namen, ſo ich dir nicht nenne, gaben Die Knechte dann dem ſtolzen Trauernden. Und endlich nimmt der Durſtige das Gift, Der Arme, der mit ſeinem Sinn nicht Zu bleiben weiß und Aehnliches nicht findet, Er troͤſtet mit der raſenden Anbetung ſich, verblindet, wird wie ſie, Die ſeelenloſen Aberglaubigen; Die Kraft iſt ihm entwichen, Er geht in einer Nacht, und weiß ſich nicht Herauszuhelfen und wir helfen ihm. Mekades. Deß biſt du ſo gewiß? Hermokrates. Ich kenn' ihn. Mekades. Ein uͤbermuͤthiges Gerede faͤllt Mir bei, das er gemacht, da er zuletzt Auf der Agore war. Ich weiß es nicht, Was ihm das Volk zuvor geſagt; ich kam <TEI> <text> <body> <div n="1"> <sp who="#HER"> <p><pb facs="#f0210" n="202"/> Geduldig, wußte nicht,<lb/> Wo es gebrach; indeſſen wuchs<lb/> Die Trunkenheit dem Volke; ſchaudernd<lb/> Vernahmen ſie's, wenn ihm vom eignen Wort<lb/> Der Buſen bebt', und ſprachen:<lb/> So hoͤren wir nicht die Goͤtter!<lb/> Und Namen, ſo ich dir nicht nenne, gaben<lb/> Die Knechte dann dem ſtolzen Trauernden.<lb/> Und endlich nimmt der Durſtige das Gift,<lb/> Der Arme, der mit ſeinem Sinn nicht<lb/> Zu bleiben weiß und Aehnliches nicht findet,<lb/> Er troͤſtet mit der raſenden<lb/> Anbetung ſich, verblindet, wird wie ſie,<lb/> Die ſeelenloſen Aberglaubigen;<lb/> Die Kraft iſt ihm entwichen,<lb/> Er geht in einer Nacht, und weiß ſich nicht<lb/> Herauszuhelfen und wir helfen ihm.</p> </sp><lb/> <sp who="#MEK"> <speaker><hi rendition="#g">Mekades</hi>.</speaker><lb/> <p>Deß biſt du ſo gewiß?</p> </sp><lb/> <sp who="#HER"> <speaker><hi rendition="#g">Hermokrates</hi>.</speaker><lb/> <p>Ich kenn' ihn.</p> </sp><lb/> <sp who="#MEK"> <speaker><hi rendition="#g">Mekades</hi>.</speaker><lb/> <p>Ein uͤbermuͤthiges Gerede faͤllt<lb/> Mir bei, das er gemacht, da er zuletzt<lb/> Auf der Agore war. Ich weiß es nicht,<lb/> Was ihm das Volk zuvor geſagt; ich kam<lb/></p> </sp> </div> </body> </text> </TEI> [202/0210]
Geduldig, wußte nicht,
Wo es gebrach; indeſſen wuchs
Die Trunkenheit dem Volke; ſchaudernd
Vernahmen ſie's, wenn ihm vom eignen Wort
Der Buſen bebt', und ſprachen:
So hoͤren wir nicht die Goͤtter!
Und Namen, ſo ich dir nicht nenne, gaben
Die Knechte dann dem ſtolzen Trauernden.
Und endlich nimmt der Durſtige das Gift,
Der Arme, der mit ſeinem Sinn nicht
Zu bleiben weiß und Aehnliches nicht findet,
Er troͤſtet mit der raſenden
Anbetung ſich, verblindet, wird wie ſie,
Die ſeelenloſen Aberglaubigen;
Die Kraft iſt ihm entwichen,
Er geht in einer Nacht, und weiß ſich nicht
Herauszuhelfen und wir helfen ihm.
Mekades.
Deß biſt du ſo gewiß?
Hermokrates.
Ich kenn' ihn.
Mekades.
Ein uͤbermuͤthiges Gerede faͤllt
Mir bei, das er gemacht, da er zuletzt
Auf der Agore war. Ich weiß es nicht,
Was ihm das Volk zuvor geſagt; ich kam
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Zitationshilfe: | Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_gedichte_1826/210>, abgerufen am 24.07.2024. |