Eurer Todten umher, bei Marathon dort, wo die Knaben Siegend starben, ach! dort auf Chäroneas Gefilden, Wo mit Waffen hinaus die letzten Athener enteilten, Fliehend vor dem Tage der Schmach, dort, dort von den Bergen Klagt in's Schlachtthal täglich herab, dort singet von Oetas Gipfeln das Schicksalslied, ihr wandelnden Wasser, herunter! Aber du, unsterblich, wenn auch der Griechenge- sang schon Dich nicht feiert, wie sonst, aus deinen Wogen, o Meergott! Töne mir in die Seele noch oft, daß über den Wassern Furchtlos rage der Geist, dem Schwimmer gleich, in der Starken Frischem Glücke sich üb', und die Göttersprache das Wechseln Und das Werden versteh'; und wenn die reißende Zeit mir Zu gewaltig das Haupt ergreift, und die Noth und das Irrsaal Unter Sterblichen mir mein sterblich Leben er- schüttert, Laß der Stille mich dann in deiner Tiefe gedenken!
Eurer Todten umher, bei Marathon dort, wo die Knaben Siegend ſtarben, ach! dort auf Chaͤroneas Gefilden, Wo mit Waffen hinaus die letzten Athener enteilten, Fliehend vor dem Tage der Schmach, dort, dort von den Bergen Klagt in's Schlachtthal taͤglich herab, dort ſinget von Oetas Gipfeln das Schickſalslied, ihr wandelnden Waſſer, herunter! Aber du, unſterblich, wenn auch der Griechenge- ſang ſchon Dich nicht feiert, wie ſonſt, aus deinen Wogen, o Meergott! Toͤne mir in die Seele noch oft, daß uͤber den Waſſern Furchtlos rage der Geiſt, dem Schwimmer gleich, in der Starken Friſchem Gluͤcke ſich uͤb', und die Goͤtterſprache das Wechſeln Und das Werden verſteh'; und wenn die reißende Zeit mir Zu gewaltig das Haupt ergreift, und die Noth und das Irrſaal Unter Sterblichen mir mein ſterblich Leben er- ſchuͤttert, Laß der Stille mich dann in deiner Tiefe gedenken!
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Eurer Todten umher, bei Marathon dort, wo die
Knaben
Siegend ſtarben, ach! dort auf Chaͤroneas Gefilden,
Wo mit Waffen hinaus die letzten Athener enteilten,
Fliehend vor dem Tage der Schmach, dort, dort
von den Bergen
Klagt in's Schlachtthal taͤglich herab, dort ſinget
von Oetas
Gipfeln das Schickſalslied, ihr wandelnden Waſſer,
herunter!
Aber du, unſterblich, wenn auch der Griechenge-
ſang ſchon
Dich nicht feiert, wie ſonſt, aus deinen Wogen,
o Meergott!
Toͤne mir in die Seele noch oft, daß uͤber den
Waſſern
Furchtlos rage der Geiſt, dem Schwimmer gleich,
in der Starken
Friſchem Gluͤcke ſich uͤb', und die Goͤtterſprache
das Wechſeln
Und das Werden verſteh'; und wenn die reißende
Zeit mir
Zu gewaltig das Haupt ergreift, und die Noth
und das Irrſaal
Unter Sterblichen mir mein ſterblich Leben er-
ſchuͤttert,
Laß der Stille mich dann in deiner Tiefe gedenken!
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Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_gedichte_1826/187>, abgerufen am 16.02.2025.
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