Ins verlassene Thal, ach! gleich der gealterten Mutter, Wenn nach Jahren das Kind, das verloren geach- tete, wieder Lebend ihr an den Busen kehrt, ein erwachsener Jüngling. Aber im Gram ist ihr die Seele gewelkt, und die Freude Kömmt der Hoffnungsmüden zu spät und mühsam vernimmt sie, Was der liebende Sohn in seinem Danke geredet; So erscheint den Kommenden dort der Boden der Heimath. Denn es fragen umsonst nach ihren Hainen die Frommen, Und die Sieger empfängt die freundliche Pforte nicht wieder, Wie den Wanderer sonst sie empfieng, wenn er froh von den Inseln Wiederkehrt', und die selige Burg der Mutter Athene Ueber sehnendem Haupt ihm fernherglänzend her- aufgieng. Aber wohl sind ihnen bekannt die verödeten Gassen Und die trauernden Gärten umher und auf der Agora, Wo des Portikus Säulen gestürzt, und die gött- lichen Bilder
Ins verlaſſene Thal, ach! gleich der gealterten Mutter, Wenn nach Jahren das Kind, das verloren geach- tete, wieder Lebend ihr an den Buſen kehrt, ein erwachſener Juͤngling. Aber im Gram iſt ihr die Seele gewelkt, und die Freude Koͤmmt der Hoffnungsmuͤden zu ſpaͤt und muͤhſam vernimmt ſie, Was der liebende Sohn in ſeinem Danke geredet; So erſcheint den Kommenden dort der Boden der Heimath. Denn es fragen umſonſt nach ihren Hainen die Frommen, Und die Sieger empfaͤngt die freundliche Pforte nicht wieder, Wie den Wanderer ſonſt ſie empfieng, wenn er froh von den Inſeln Wiederkehrt', und die ſelige Burg der Mutter Athene Ueber ſehnendem Haupt ihm fernherglaͤnzend her- aufgieng. Aber wohl ſind ihnen bekannt die veroͤdeten Gaſſen Und die trauernden Gaͤrten umher und auf der Agora, Wo des Portikus Saͤulen geſtuͤrzt, und die goͤtt- lichen Bilder
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Ins verlaſſene Thal, ach! gleich der gealterten
Mutter,
Wenn nach Jahren das Kind, das verloren geach-
tete, wieder
Lebend ihr an den Buſen kehrt, ein erwachſener
Juͤngling.
Aber im Gram iſt ihr die Seele gewelkt, und die
Freude
Koͤmmt der Hoffnungsmuͤden zu ſpaͤt und muͤhſam
vernimmt ſie,
Was der liebende Sohn in ſeinem Danke geredet;
So erſcheint den Kommenden dort der Boden der
Heimath.
Denn es fragen umſonſt nach ihren Hainen die
Frommen,
Und die Sieger empfaͤngt die freundliche Pforte
nicht wieder,
Wie den Wanderer ſonſt ſie empfieng, wenn er
froh von den Inſeln
Wiederkehrt', und die ſelige Burg der Mutter
Athene
Ueber ſehnendem Haupt ihm fernherglaͤnzend her-
aufgieng.
Aber wohl ſind ihnen bekannt die veroͤdeten Gaſſen
Und die trauernden Gaͤrten umher und auf der Agora,
Wo des Portikus Saͤulen geſtuͤrzt, und die goͤtt-
lichen Bilder
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Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_gedichte_1826/177>, abgerufen am 24.07.2024.
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