Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.Ins Auge mir, wie liebend sich das Kind Doch ich konnt' es jetzt nicht achten, Nur ernster ward und schwerer nur, und bänger Das Herz mir Armen immer, und ich sollte Wie eine Dienerinn von ferne lauschen, Ob sie vielleicht mich riefen, diese Männer! Ich wollte nun auch nimmer um mich sehn, Und barg in meiner Laube mich und weinte, Und hielt die Hände vor das Auge mir. Da hört' ich sanft des Vaters Stimme nah, Und lächelnd traten, da ich noch die Thränen Mir trocknete, die beyden in die Laube: "Hast du dich so geängstiget, mein Kind! "Und zürnst du, sprach der Vater, daß ich erst "Für mich den edlen Gast behalten wollt'? "Ihn hast du nun. Er mag die Zürnende "Mit mir versöhnen, wenn ich Unrecht that." So sprach er; und wir reichten alle drey Die Händ' einander, und der Vater sah Mit stiller Freud' uns an. -- Ins Auge mir, wie liebend ſich das Kind Doch ich konnt' es jetzt nicht achten, Nur ernſter ward und ſchwerer nur, und baͤnger Das Herz mir Armen immer, und ich ſollte Wie eine Dienerinn von ferne lauſchen, Ob ſie vielleicht mich riefen, dieſe Maͤnner! Ich wollte nun auch nimmer um mich ſehn, Und barg in meiner Laube mich und weinte, Und hielt die Haͤnde vor das Auge mir. Da hoͤrt' ich ſanft des Vaters Stimme nah, Und laͤchelnd traten, da ich noch die Thraͤnen Mir trocknete, die beyden in die Laube: „Haſt du dich ſo geaͤngſtiget, mein Kind! „Und zuͤrnſt du, ſprach der Vater, daß ich erſt „Fuͤr mich den edlen Gaſt behalten wollt'? „Ihn haſt du nun. Er mag die Zuͤrnende „Mit mir verſoͤhnen, wenn ich Unrecht that.“ So ſprach er; und wir reichten alle drey Die Haͤnd' einander, und der Vater ſah Mit ſtiller Freud' uns an. — <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="3"> <pb facs="#f0118" n="110"/> <l>Ins Auge mir, wie liebend ſich das Kind</l><lb/> <l>An die betruͤbte Mutter draͤngt, ſo waren</l><lb/> <l>Die Blumen und die Bluͤthen um mich rings,</l><lb/> <l>Und ſchoͤne Pforten woͤlbten uͤber mir</l><lb/> <l>Die Baͤume.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Doch ich konnt' es jetzt nicht achten,</l><lb/> <l>Nur ernſter ward und ſchwerer nur, und baͤnger</l><lb/> <l>Das Herz mir Armen immer, und ich ſollte</l><lb/> <l>Wie eine Dienerinn von ferne lauſchen,</l><lb/> <l>Ob ſie vielleicht mich riefen, dieſe Maͤnner!</l><lb/> <l>Ich wollte nun auch nimmer um mich ſehn,</l><lb/> <l>Und barg in meiner Laube mich und weinte,</l><lb/> <l>Und hielt die Haͤnde vor das Auge mir.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Da hoͤrt' ich ſanft des Vaters Stimme nah,</l><lb/> <l>Und laͤchelnd traten, da ich noch die Thraͤnen</l><lb/> <l>Mir trocknete, die beyden in die Laube:</l><lb/> <l>„Haſt du dich ſo geaͤngſtiget, mein Kind!</l><lb/> <l>„Und zuͤrnſt du, ſprach der Vater, daß ich erſt</l><lb/> <l>„Fuͤr mich den edlen Gaſt behalten wollt'?</l><lb/> <l>„Ihn haſt du nun. Er mag die Zuͤrnende</l><lb/> <l>„Mit mir verſoͤhnen, wenn ich Unrecht that.“</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>So ſprach er; und wir reichten alle drey</l><lb/> <l>Die Haͤnd' einander, und der Vater ſah</l><lb/> <l>Mit ſtiller Freud' uns an. —</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [110/0118]
Ins Auge mir, wie liebend ſich das Kind
An die betruͤbte Mutter draͤngt, ſo waren
Die Blumen und die Bluͤthen um mich rings,
Und ſchoͤne Pforten woͤlbten uͤber mir
Die Baͤume.
Doch ich konnt' es jetzt nicht achten,
Nur ernſter ward und ſchwerer nur, und baͤnger
Das Herz mir Armen immer, und ich ſollte
Wie eine Dienerinn von ferne lauſchen,
Ob ſie vielleicht mich riefen, dieſe Maͤnner!
Ich wollte nun auch nimmer um mich ſehn,
Und barg in meiner Laube mich und weinte,
Und hielt die Haͤnde vor das Auge mir.
Da hoͤrt' ich ſanft des Vaters Stimme nah,
Und laͤchelnd traten, da ich noch die Thraͤnen
Mir trocknete, die beyden in die Laube:
„Haſt du dich ſo geaͤngſtiget, mein Kind!
„Und zuͤrnſt du, ſprach der Vater, daß ich erſt
„Fuͤr mich den edlen Gaſt behalten wollt'?
„Ihn haſt du nun. Er mag die Zuͤrnende
„Mit mir verſoͤhnen, wenn ich Unrecht that.“
So ſprach er; und wir reichten alle drey
Die Haͤnd' einander, und der Vater ſah
Mit ſtiller Freud' uns an. —
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |