Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.

Bild:
<< vorherige Seite
Er kam, und mir frohlokte
Das Herz, wie er herab die Straße ging,
Und mir das Volk den fremden Herrlichen
Bestaunt'! und lobend über ihn geheim
Die Nachbarn sich besprachen, und er jetzt
Den Knaben, der an ihm vorüberging,
Nach meinem Hause fragt'! ich sahe nicht
Hinaus, ich konnt', an meinem Tische sitzend,
Ihn ohne Scheue sehn -- wie red' ich viel?
Und da er nun herauf die Treppe kam,
Und ich die Tritte hört' und seine Thüre
Mein Vater öffnete, sie draußen sich
Stillschweigend grüßten, daß ich nicht
Ein Wort vernehmen konnt', ich Unvernünft'ge,
Wie ward mir bange wieder? Und sie blieben
Nicht kurze Zeit allein im andern Zimmer,
Daß ich es länger nicht erdulden konnt',
Und dacht': ich könnte wohl den Vater fragen
Um dieß und jenes, was ich wissen mußte.
Dann hätt' ichs wohl gesehn in ihren Augen,
Wie mir es werden sollte. Doch ich kam
Bis an die Schwelle nur, gieng lieber doch
In meinen Garten, wo die Pflanzen sonst,
In andrer Zeit, die Stunde mir gekürzt.
Und fröhlich glänzten, von des Morgens Thau
Gesättiget, im frischen Lichte sie
Er kam, und mir frohlokte
Das Herz, wie er herab die Straße ging,
Und mir das Volk den fremden Herrlichen
Beſtaunt'! und lobend uͤber ihn geheim
Die Nachbarn ſich beſprachen, und er jetzt
Den Knaben, der an ihm voruͤberging,
Nach meinem Hauſe fragt'! ich ſahe nicht
Hinaus, ich konnt', an meinem Tiſche ſitzend,
Ihn ohne Scheue ſehn — wie red' ich viel?
Und da er nun herauf die Treppe kam,
Und ich die Tritte hoͤrt' und ſeine Thuͤre
Mein Vater oͤffnete, ſie draußen ſich
Stillſchweigend gruͤßten, daß ich nicht
Ein Wort vernehmen konnt', ich Unvernuͤnft'ge,
Wie ward mir bange wieder? Und ſie blieben
Nicht kurze Zeit allein im andern Zimmer,
Daß ich es laͤnger nicht erdulden konnt',
Und dacht': ich koͤnnte wohl den Vater fragen
Um dieß und jenes, was ich wiſſen mußte.
Dann haͤtt' ichs wohl geſehn in ihren Augen,
Wie mir es werden ſollte. Doch ich kam
Bis an die Schwelle nur, gieng lieber doch
In meinen Garten, wo die Pflanzen ſonſt,
In andrer Zeit, die Stunde mir gekuͤrzt.
Und froͤhlich glaͤnzten, von des Morgens Thau
Geſaͤttiget, im friſchen Lichte ſie
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0117" n="109"/>
            <lg n="2">
              <l>Er kam, und mir frohlokte</l><lb/>
              <l>Das Herz, wie er herab die Straße ging,</l><lb/>
              <l>Und mir das Volk den fremden Herrlichen</l><lb/>
              <l>Be&#x017F;taunt'! und lobend u&#x0364;ber ihn geheim</l><lb/>
              <l>Die Nachbarn &#x017F;ich be&#x017F;prachen, und er jetzt</l><lb/>
              <l>Den Knaben, der an ihm voru&#x0364;berging,</l><lb/>
              <l>Nach meinem Hau&#x017F;e fragt'! ich &#x017F;ahe nicht</l><lb/>
              <l>Hinaus, ich konnt', an meinem Ti&#x017F;che &#x017F;itzend,</l><lb/>
              <l>Ihn ohne Scheue &#x017F;ehn &#x2014; wie red' ich viel?</l><lb/>
              <l>Und da er nun herauf die Treppe kam,</l><lb/>
              <l>Und ich die Tritte ho&#x0364;rt' und &#x017F;eine Thu&#x0364;re</l><lb/>
              <l>Mein Vater o&#x0364;ffnete, &#x017F;ie draußen &#x017F;ich</l><lb/>
              <l>Still&#x017F;chweigend gru&#x0364;ßten, daß ich nicht</l><lb/>
              <l>Ein Wort vernehmen konnt', ich Unvernu&#x0364;nft'ge,</l><lb/>
              <l>Wie ward mir bange wieder? Und &#x017F;ie blieben</l><lb/>
              <l>Nicht kurze Zeit allein im andern Zimmer,</l><lb/>
              <l>Daß ich es la&#x0364;nger nicht erdulden konnt',</l><lb/>
              <l>Und dacht': ich ko&#x0364;nnte wohl den Vater fragen</l><lb/>
              <l>Um dieß und jenes, was ich wi&#x017F;&#x017F;en mußte.</l><lb/>
              <l>Dann ha&#x0364;tt' ichs wohl ge&#x017F;ehn in ihren Augen,</l><lb/>
              <l>Wie mir es werden &#x017F;ollte. Doch ich kam</l><lb/>
              <l>Bis an die Schwelle nur, gieng lieber doch</l><lb/>
              <l>In meinen Garten, wo die Pflanzen &#x017F;on&#x017F;t,</l><lb/>
              <l>In andrer Zeit, die Stunde mir geku&#x0364;rzt.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Und fro&#x0364;hlich gla&#x0364;nzten, von des Morgens Thau</l><lb/>
              <l>Ge&#x017F;a&#x0364;ttiget, im fri&#x017F;chen Lichte &#x017F;ie</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[109/0117] Er kam, und mir frohlokte Das Herz, wie er herab die Straße ging, Und mir das Volk den fremden Herrlichen Beſtaunt'! und lobend uͤber ihn geheim Die Nachbarn ſich beſprachen, und er jetzt Den Knaben, der an ihm voruͤberging, Nach meinem Hauſe fragt'! ich ſahe nicht Hinaus, ich konnt', an meinem Tiſche ſitzend, Ihn ohne Scheue ſehn — wie red' ich viel? Und da er nun herauf die Treppe kam, Und ich die Tritte hoͤrt' und ſeine Thuͤre Mein Vater oͤffnete, ſie draußen ſich Stillſchweigend gruͤßten, daß ich nicht Ein Wort vernehmen konnt', ich Unvernuͤnft'ge, Wie ward mir bange wieder? Und ſie blieben Nicht kurze Zeit allein im andern Zimmer, Daß ich es laͤnger nicht erdulden konnt', Und dacht': ich koͤnnte wohl den Vater fragen Um dieß und jenes, was ich wiſſen mußte. Dann haͤtt' ichs wohl geſehn in ihren Augen, Wie mir es werden ſollte. Doch ich kam Bis an die Schwelle nur, gieng lieber doch In meinen Garten, wo die Pflanzen ſonſt, In andrer Zeit, die Stunde mir gekuͤrzt. Und froͤhlich glaͤnzten, von des Morgens Thau Geſaͤttiget, im friſchen Lichte ſie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_gedichte_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_gedichte_1826/117
Zitationshilfe: Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_gedichte_1826/117>, abgerufen am 23.07.2024.