Hoefer, Edmund: Rolof, der Rekrut. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.gut, was kommen mußte. Die Marie aber ließ mich los, sah mich starr und kalt an und sprach: Ohm, das ist nicht wahr, was Ihr uns sagt, Hoffnung hat er keine, und sterben muß er, denn er ist desertirt und hat den Offizier erschossen. Und daß Ihr's nur wißt, daran bin ich Schuld, ich allein; mein Brief hat ihn gelockt, mein Bote ihn verführt. O Rolof, meine Herzensblume, was mußt du so jung verwelken! Und damit fiel sie uns wie todt in die Arme. Meine Schwester hörte das Alles still mit an, sie beschäftigte sich mit dem armen Kinde und suchte es ins Leben zurückzurufen, was ihr auch bald gelang. Aber sprechen that sie nichts, als vielleicht einmal: Bruder! Bruder! oder auch: Konrad! und sah mich dann immer mit dem traurigen, trockenen, brennenden Blick an. Ja, das war ein Elend, wie es keinem Menschen beschieden sein sollte, denn ein menschlicher Kopf kann das nicht fassen und nicht ertragen, er muß dabei zu Grunde gehen. Die Weiber wollten ihn durchaus sehen und sprechen, und sie scheuten zu dem Zweck selbst den Gang zu seinen Vorgesetzten nicht. Daher mußte ich am Mittag, nachdem sie sich einigermaßen erholt und beruhigt zu haben schienen, mit ihnen zum Obersten. Wir wurden gleich vorgelassen und trafen auch den General im Zimmer. Nun ging das Elend wieder los; die Alte sprach fast nur mit ihren Augen, die Marie dagegen redete mit der leidenschaftlichsten Ge- gut, was kommen mußte. Die Marie aber ließ mich los, sah mich starr und kalt an und sprach: Ohm, das ist nicht wahr, was Ihr uns sagt, Hoffnung hat er keine, und sterben muß er, denn er ist desertirt und hat den Offizier erschossen. Und daß Ihr's nur wißt, daran bin ich Schuld, ich allein; mein Brief hat ihn gelockt, mein Bote ihn verführt. O Rolof, meine Herzensblume, was mußt du so jung verwelken! Und damit fiel sie uns wie todt in die Arme. Meine Schwester hörte das Alles still mit an, sie beschäftigte sich mit dem armen Kinde und suchte es ins Leben zurückzurufen, was ihr auch bald gelang. Aber sprechen that sie nichts, als vielleicht einmal: Bruder! Bruder! oder auch: Konrad! und sah mich dann immer mit dem traurigen, trockenen, brennenden Blick an. Ja, das war ein Elend, wie es keinem Menschen beschieden sein sollte, denn ein menschlicher Kopf kann das nicht fassen und nicht ertragen, er muß dabei zu Grunde gehen. Die Weiber wollten ihn durchaus sehen und sprechen, und sie scheuten zu dem Zweck selbst den Gang zu seinen Vorgesetzten nicht. Daher mußte ich am Mittag, nachdem sie sich einigermaßen erholt und beruhigt zu haben schienen, mit ihnen zum Obersten. Wir wurden gleich vorgelassen und trafen auch den General im Zimmer. Nun ging das Elend wieder los; die Alte sprach fast nur mit ihren Augen, die Marie dagegen redete mit der leidenschaftlichsten Ge- <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0057"/> gut, was kommen mußte. Die Marie aber ließ mich los, sah mich starr und kalt an und sprach: Ohm, das ist nicht wahr, was Ihr uns sagt, Hoffnung hat er keine, und sterben muß er, denn er ist desertirt und hat den Offizier erschossen. Und daß Ihr's nur wißt, daran bin ich Schuld, ich allein; mein Brief hat ihn gelockt, mein Bote ihn verführt. O Rolof, meine Herzensblume, was mußt du so jung verwelken! Und damit fiel sie uns wie todt in die Arme. Meine Schwester hörte das Alles still mit an, sie beschäftigte sich mit dem armen Kinde und suchte es ins Leben zurückzurufen, was ihr auch bald gelang. Aber sprechen that sie nichts, als vielleicht einmal: Bruder! Bruder! oder auch: Konrad! und sah mich dann immer mit dem traurigen, trockenen, brennenden Blick an.</p><lb/> <p>Ja, das war ein Elend, wie es keinem Menschen beschieden sein sollte, denn ein menschlicher Kopf kann das nicht fassen und nicht ertragen, er muß dabei zu Grunde gehen.</p><lb/> <p>Die Weiber wollten ihn durchaus sehen und sprechen, und sie scheuten zu dem Zweck selbst den Gang zu seinen Vorgesetzten nicht. Daher mußte ich am Mittag, nachdem sie sich einigermaßen erholt und beruhigt zu haben schienen, mit ihnen zum Obersten. Wir wurden gleich vorgelassen und trafen auch den General im Zimmer. Nun ging das Elend wieder los; die Alte sprach fast nur mit ihren Augen, die Marie dagegen redete mit der leidenschaftlichsten Ge-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0057]
gut, was kommen mußte. Die Marie aber ließ mich los, sah mich starr und kalt an und sprach: Ohm, das ist nicht wahr, was Ihr uns sagt, Hoffnung hat er keine, und sterben muß er, denn er ist desertirt und hat den Offizier erschossen. Und daß Ihr's nur wißt, daran bin ich Schuld, ich allein; mein Brief hat ihn gelockt, mein Bote ihn verführt. O Rolof, meine Herzensblume, was mußt du so jung verwelken! Und damit fiel sie uns wie todt in die Arme. Meine Schwester hörte das Alles still mit an, sie beschäftigte sich mit dem armen Kinde und suchte es ins Leben zurückzurufen, was ihr auch bald gelang. Aber sprechen that sie nichts, als vielleicht einmal: Bruder! Bruder! oder auch: Konrad! und sah mich dann immer mit dem traurigen, trockenen, brennenden Blick an.
Ja, das war ein Elend, wie es keinem Menschen beschieden sein sollte, denn ein menschlicher Kopf kann das nicht fassen und nicht ertragen, er muß dabei zu Grunde gehen.
Die Weiber wollten ihn durchaus sehen und sprechen, und sie scheuten zu dem Zweck selbst den Gang zu seinen Vorgesetzten nicht. Daher mußte ich am Mittag, nachdem sie sich einigermaßen erholt und beruhigt zu haben schienen, mit ihnen zum Obersten. Wir wurden gleich vorgelassen und trafen auch den General im Zimmer. Nun ging das Elend wieder los; die Alte sprach fast nur mit ihren Augen, die Marie dagegen redete mit der leidenschaftlichsten Ge-
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Zitationshilfe: | Hoefer, Edmund: Rolof, der Rekrut. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoefer_rekrut_1910/57>, abgerufen am 16.02.2025. |