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Hoefer, Edmund: Rolof, der Rekrut. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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ließ mich jedoch vor. Was giebt's? fragte er, hast du ein Gespenst gesehen, Ralow? Du siehst aus wie die Wand. Ich komme vom Arrestanten, Ew. Gnaden, versetzte ich. -- So so, weiß schon, meinte er. Nun, was treibt der Tollkopf? Der scheint ja vom hellen Satan besessen. Giebt er sich? -- Es ist mein Schwesterkind, Ew. Gnaden. -- Was? rief er und warf den Hut ans den Tisch, dein Neffe! Armer Kerl! Komm her und erzähle mir das; die Gesellschaft kann warten. -- Da ging mir das Herz auf, und ich schüttete ihm aus, was drin war. Er hörte mir schweigend zu, blieb zuweilen vor mir stehen, schüttelte den Kopf und ging wieder auf und ab. Bös! bös! murmelte er endlich, da ich schwieg. Wie kann der Kerl aber auch in seinem Verstände so von Gott und Menschen verlassen sein? Da giebt's nicht viel zu thun. An Freikommen ist nicht zu denken. Sprich mit dem Major und bitt' ihn, daß du auch mit dem Obersten reden darfst. Bei dem will ich heut Abend ein Wort für dich einlegen. Aus den Ketten soll er heraus, das versprech' ich dir, denn ich kann mir denken, daß solche Dinger einem reputirlichen Kerl wehe thun. Geh und thu wie ich gesagt, und ich will's auch thun. -- Wollte Gott, er wäre weniger gutmüthig und wacker gewesen, nicht von oben bis unten die lebendige Ehre. Bei einem andern Capitän -- und es gab deren damals mehr als einen -- hätte ein gut Stück Geld die Sache nach unsern Wünschen zurecht gelegt. Hier war es damit nichts. Ich dankte und machte mich

ließ mich jedoch vor. Was giebt's? fragte er, hast du ein Gespenst gesehen, Ralow? Du siehst aus wie die Wand. Ich komme vom Arrestanten, Ew. Gnaden, versetzte ich. — So so, weiß schon, meinte er. Nun, was treibt der Tollkopf? Der scheint ja vom hellen Satan besessen. Giebt er sich? — Es ist mein Schwesterkind, Ew. Gnaden. — Was? rief er und warf den Hut ans den Tisch, dein Neffe! Armer Kerl! Komm her und erzähle mir das; die Gesellschaft kann warten. — Da ging mir das Herz auf, und ich schüttete ihm aus, was drin war. Er hörte mir schweigend zu, blieb zuweilen vor mir stehen, schüttelte den Kopf und ging wieder auf und ab. Bös! bös! murmelte er endlich, da ich schwieg. Wie kann der Kerl aber auch in seinem Verstände so von Gott und Menschen verlassen sein? Da giebt's nicht viel zu thun. An Freikommen ist nicht zu denken. Sprich mit dem Major und bitt' ihn, daß du auch mit dem Obersten reden darfst. Bei dem will ich heut Abend ein Wort für dich einlegen. Aus den Ketten soll er heraus, das versprech' ich dir, denn ich kann mir denken, daß solche Dinger einem reputirlichen Kerl wehe thun. Geh und thu wie ich gesagt, und ich will's auch thun. — Wollte Gott, er wäre weniger gutmüthig und wacker gewesen, nicht von oben bis unten die lebendige Ehre. Bei einem andern Capitän — und es gab deren damals mehr als einen — hätte ein gut Stück Geld die Sache nach unsern Wünschen zurecht gelegt. Hier war es damit nichts. Ich dankte und machte mich

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[0036] ließ mich jedoch vor. Was giebt's? fragte er, hast du ein Gespenst gesehen, Ralow? Du siehst aus wie die Wand. Ich komme vom Arrestanten, Ew. Gnaden, versetzte ich. — So so, weiß schon, meinte er. Nun, was treibt der Tollkopf? Der scheint ja vom hellen Satan besessen. Giebt er sich? — Es ist mein Schwesterkind, Ew. Gnaden. — Was? rief er und warf den Hut ans den Tisch, dein Neffe! Armer Kerl! Komm her und erzähle mir das; die Gesellschaft kann warten. — Da ging mir das Herz auf, und ich schüttete ihm aus, was drin war. Er hörte mir schweigend zu, blieb zuweilen vor mir stehen, schüttelte den Kopf und ging wieder auf und ab. Bös! bös! murmelte er endlich, da ich schwieg. Wie kann der Kerl aber auch in seinem Verstände so von Gott und Menschen verlassen sein? Da giebt's nicht viel zu thun. An Freikommen ist nicht zu denken. Sprich mit dem Major und bitt' ihn, daß du auch mit dem Obersten reden darfst. Bei dem will ich heut Abend ein Wort für dich einlegen. Aus den Ketten soll er heraus, das versprech' ich dir, denn ich kann mir denken, daß solche Dinger einem reputirlichen Kerl wehe thun. Geh und thu wie ich gesagt, und ich will's auch thun. — Wollte Gott, er wäre weniger gutmüthig und wacker gewesen, nicht von oben bis unten die lebendige Ehre. Bei einem andern Capitän — und es gab deren damals mehr als einen — hätte ein gut Stück Geld die Sache nach unsern Wünschen zurecht gelegt. Hier war es damit nichts. Ich dankte und machte mich

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:37:13Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Hoefer, Edmund: Rolof, der Rekrut. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoefer_rekrut_1910/36>, abgerufen am 24.11.2024.