Hoefer, Edmund: Rolof, der Rekrut. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.oder auf zwei, auf drei -- sondern auf fünfzehn, zwanzig, auf ein ganzes Menschenleben, fort von der See, von den Eltern, von dem Mädchen, von allem Glück, allen Aussichten und Hoffnungen, ohne Wiederkehr, auf immer und ewig! Denn das Ende von alle Dem erleb' ich nimmermehr. Und weil ich dagegen mich gewehrt, darum in Eisen! Ja, und ich selbst Schuld daran, ich, ich! Da waren denn die Schleusen wieder gelöst, und es brach hervor wie ein Sturzbach, Jammer und Klagen, Flüche und Schmähungen, Drohen, Haß, Wuth und Erbitterung gegen sich selbst, Alles durcheinander, ohne Maß, ohne Ziel, unbeschreiblich und undenkbar. Und dann schüttelte er die Ketten mit einer mehr als menschlichen Gewalt, daß ich dachte, sie müßten wie Staub von ihm abfallen. Und dann stand er wieder da, trotz Fetzen, Blut und Schmutz noch immer der Rolof. Ich erbebe noch jetzt vor der Erinnerung, und damals saß ich wie zerbrochen, sinnlos, unfähig mich zu rühren oder zu fassen, mit dem einzigen Gedanken: das ist's, was ich fürchtete, was mich wüthend gemacht und zu Thränen gerührt hat. Ja, es war ein wilder Jammer, und der, und daß ich das Alles ja vorausgesehen, stieß mir schier das Herz ab. Allmählich hatte Rolof sich denn doch ruhiger geredet, so daß auch ich wieder zu mir selbst und zu Gedanken kommen konnte. Von diesem Discurse mußte ich ihn abbringen, das sah ich wohl, und ich fragte oder auf zwei, auf drei — sondern auf fünfzehn, zwanzig, auf ein ganzes Menschenleben, fort von der See, von den Eltern, von dem Mädchen, von allem Glück, allen Aussichten und Hoffnungen, ohne Wiederkehr, auf immer und ewig! Denn das Ende von alle Dem erleb' ich nimmermehr. Und weil ich dagegen mich gewehrt, darum in Eisen! Ja, und ich selbst Schuld daran, ich, ich! Da waren denn die Schleusen wieder gelöst, und es brach hervor wie ein Sturzbach, Jammer und Klagen, Flüche und Schmähungen, Drohen, Haß, Wuth und Erbitterung gegen sich selbst, Alles durcheinander, ohne Maß, ohne Ziel, unbeschreiblich und undenkbar. Und dann schüttelte er die Ketten mit einer mehr als menschlichen Gewalt, daß ich dachte, sie müßten wie Staub von ihm abfallen. Und dann stand er wieder da, trotz Fetzen, Blut und Schmutz noch immer der Rolof. Ich erbebe noch jetzt vor der Erinnerung, und damals saß ich wie zerbrochen, sinnlos, unfähig mich zu rühren oder zu fassen, mit dem einzigen Gedanken: das ist's, was ich fürchtete, was mich wüthend gemacht und zu Thränen gerührt hat. Ja, es war ein wilder Jammer, und der, und daß ich das Alles ja vorausgesehen, stieß mir schier das Herz ab. Allmählich hatte Rolof sich denn doch ruhiger geredet, so daß auch ich wieder zu mir selbst und zu Gedanken kommen konnte. Von diesem Discurse mußte ich ihn abbringen, das sah ich wohl, und ich fragte <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0031"/> oder auf zwei, auf drei — sondern auf fünfzehn, zwanzig, auf ein ganzes Menschenleben, fort von der See, von den Eltern, von dem Mädchen, von allem Glück, allen Aussichten und Hoffnungen, ohne Wiederkehr, auf immer und ewig! Denn das Ende von alle Dem erleb' ich nimmermehr. Und weil ich dagegen mich gewehrt, darum in Eisen! Ja, und ich selbst Schuld daran, ich, ich!</p><lb/> <p>Da waren denn die Schleusen wieder gelöst, und es brach hervor wie ein Sturzbach, Jammer und Klagen, Flüche und Schmähungen, Drohen, Haß, Wuth und Erbitterung gegen sich selbst, Alles durcheinander, ohne Maß, ohne Ziel, unbeschreiblich und undenkbar. Und dann schüttelte er die Ketten mit einer mehr als menschlichen Gewalt, daß ich dachte, sie müßten wie Staub von ihm abfallen. Und dann stand er wieder da, trotz Fetzen, Blut und Schmutz noch immer der Rolof. Ich erbebe noch jetzt vor der Erinnerung, und damals saß ich wie zerbrochen, sinnlos, unfähig mich zu rühren oder zu fassen, mit dem einzigen Gedanken: das ist's, was ich fürchtete, was mich wüthend gemacht und zu Thränen gerührt hat. Ja, es war ein wilder Jammer, und der, und daß ich das Alles ja vorausgesehen, stieß mir schier das Herz ab.</p><lb/> <p>Allmählich hatte Rolof sich denn doch ruhiger geredet, so daß auch ich wieder zu mir selbst und zu Gedanken kommen konnte. Von diesem Discurse mußte ich ihn abbringen, das sah ich wohl, und ich fragte<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0031]
oder auf zwei, auf drei — sondern auf fünfzehn, zwanzig, auf ein ganzes Menschenleben, fort von der See, von den Eltern, von dem Mädchen, von allem Glück, allen Aussichten und Hoffnungen, ohne Wiederkehr, auf immer und ewig! Denn das Ende von alle Dem erleb' ich nimmermehr. Und weil ich dagegen mich gewehrt, darum in Eisen! Ja, und ich selbst Schuld daran, ich, ich!
Da waren denn die Schleusen wieder gelöst, und es brach hervor wie ein Sturzbach, Jammer und Klagen, Flüche und Schmähungen, Drohen, Haß, Wuth und Erbitterung gegen sich selbst, Alles durcheinander, ohne Maß, ohne Ziel, unbeschreiblich und undenkbar. Und dann schüttelte er die Ketten mit einer mehr als menschlichen Gewalt, daß ich dachte, sie müßten wie Staub von ihm abfallen. Und dann stand er wieder da, trotz Fetzen, Blut und Schmutz noch immer der Rolof. Ich erbebe noch jetzt vor der Erinnerung, und damals saß ich wie zerbrochen, sinnlos, unfähig mich zu rühren oder zu fassen, mit dem einzigen Gedanken: das ist's, was ich fürchtete, was mich wüthend gemacht und zu Thränen gerührt hat. Ja, es war ein wilder Jammer, und der, und daß ich das Alles ja vorausgesehen, stieß mir schier das Herz ab.
Allmählich hatte Rolof sich denn doch ruhiger geredet, so daß auch ich wieder zu mir selbst und zu Gedanken kommen konnte. Von diesem Discurse mußte ich ihn abbringen, das sah ich wohl, und ich fragte
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Zitationshilfe: | Hoefer, Edmund: Rolof, der Rekrut. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoefer_rekrut_1910/31>, abgerufen am 16.02.2025. |