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Hoefer, Edmund: Rolof, der Rekrut. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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und dir selbst! Eure Thorheit hat dich in die Suppe gebracht. -- Da ward er plötzlich wieder starr und kalt wie zuerst; er trat zu mir, faßte meine Hände so fest, als wolle er sie zerdrücken, und sprach: Sei es drum, wir sind Schuld daran, es läßt sich nicht wegdisputiren. Aber, Ohm, was soll ich hier? was wollen sie mit mir? Es kann und kann nicht gut werden, denn ich kenne mich selbst. Dort auf der See bin ich so gut wie Einer und besser, hier auf dem Lande schlechter als der Schlechteste. Dort hätt' ich was nützen können, und hier kann ich nur schaden, mir selbst und Andern; dort war ich der Erste, und hier werd' ich der Letzte sein. Wer sein Leben lang Wind und Wasser geschluckt, der erstickt am Staube; wer auf den Planken gehen gelernt, der wird nie auf der harten Erde fortkommen. Und dann soll ich fort von der See, versteht Ihr das, Ohm? Versteht und fühlt Ihr denn auch, was das sagen will, wenn wir aus der Luft weg müssen in die Mauern, aus dem wilden, bunten Getreide und Gewoge der Flut in die lahme Alltäglichkeit des Landes, aus dem frischen und fröhlichen Geschäft des Seemanns, wo es immer zu wagen gilt, wo sich immer Gefahren finden, wo stets nur wenig zu gewinnen, aber Alles zu verlieren ist, von da weg, hieher in die Gleichförmigkeit und das Einerlei der Dressur und des Kamaschendienstes, kurz aus dem Leben in den Tod! Und daß ich fort muß aus der Freiheit in die Knechtschaft, nicht auf ein Jahr

und dir selbst! Eure Thorheit hat dich in die Suppe gebracht. — Da ward er plötzlich wieder starr und kalt wie zuerst; er trat zu mir, faßte meine Hände so fest, als wolle er sie zerdrücken, und sprach: Sei es drum, wir sind Schuld daran, es läßt sich nicht wegdisputiren. Aber, Ohm, was soll ich hier? was wollen sie mit mir? Es kann und kann nicht gut werden, denn ich kenne mich selbst. Dort auf der See bin ich so gut wie Einer und besser, hier auf dem Lande schlechter als der Schlechteste. Dort hätt' ich was nützen können, und hier kann ich nur schaden, mir selbst und Andern; dort war ich der Erste, und hier werd' ich der Letzte sein. Wer sein Leben lang Wind und Wasser geschluckt, der erstickt am Staube; wer auf den Planken gehen gelernt, der wird nie auf der harten Erde fortkommen. Und dann soll ich fort von der See, versteht Ihr das, Ohm? Versteht und fühlt Ihr denn auch, was das sagen will, wenn wir aus der Luft weg müssen in die Mauern, aus dem wilden, bunten Getreide und Gewoge der Flut in die lahme Alltäglichkeit des Landes, aus dem frischen und fröhlichen Geschäft des Seemanns, wo es immer zu wagen gilt, wo sich immer Gefahren finden, wo stets nur wenig zu gewinnen, aber Alles zu verlieren ist, von da weg, hieher in die Gleichförmigkeit und das Einerlei der Dressur und des Kamaschendienstes, kurz aus dem Leben in den Tod! Und daß ich fort muß aus der Freiheit in die Knechtschaft, nicht auf ein Jahr

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:37:13Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:37:13Z)

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Zitationshilfe: Hoefer, Edmund: Rolof, der Rekrut. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoefer_rekrut_1910/30>, abgerufen am 24.11.2024.