Hoefer, Edmund: Rolof, der Rekrut. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.wenn er wie spielend das schwere Segel aufhißte, oder wenn er am Steuerbaum stand, kalt und besonnen, abermunter und leichtherzig, indeß die Brise ihn umheulte und die Wellen ihn mit Schaum übersprühten. Ihr hättet ihn sehen sollen, wie er bei Spiel und Tanz, bei Scherz und Tollheit der Erste war, wie er in jeder Gefahr voranging, immer mit gleichem Muth und gleicher Lustigkeit. Ihr müßtet ihn einmal gehört haben, wenn er einen tollen Streich erzählte, von seinen Fahrten berichtete, ein Gespinnst abwickelte; denn auch seine Sprache, sein Erzählen war ganz besonders und anders, als ich bei andern Leuten unserer Gegend und unseres Standes jemals gefunden. Es war darin etwas so Wundersames und Fremdes, es war so einfach, und packte euch doch wieder bis ans Herz; es kam so prächtig einher, und machte doch euer Auge feucht. Woher er's hatte, ob aus sich selbst, oder aus der Tiefe der See, oder aus der Höhe des Himmels, wohin er stundenlang schauen konnte, wenn sein Lugger über das Meer glitt -- das mag Gott wissen. Benennen und bezeichnen kann ich's euch nicht, aber es hat mich oft an die alten Reimereien und Lieder gemahnt, die man in meiner Jugendzeit noch vom jungen Volk Abends am Strande zuweilen singen hörte. Ein Seemann war er mit Leib und Seele; das war mir schon willkommen, denn die Gaben der Menschheit sind verschieden. Allein er war auch natürlicherweise ein Schmuggler, und das wollte mir nimmermehr wenn er wie spielend das schwere Segel aufhißte, oder wenn er am Steuerbaum stand, kalt und besonnen, abermunter und leichtherzig, indeß die Brise ihn umheulte und die Wellen ihn mit Schaum übersprühten. Ihr hättet ihn sehen sollen, wie er bei Spiel und Tanz, bei Scherz und Tollheit der Erste war, wie er in jeder Gefahr voranging, immer mit gleichem Muth und gleicher Lustigkeit. Ihr müßtet ihn einmal gehört haben, wenn er einen tollen Streich erzählte, von seinen Fahrten berichtete, ein Gespinnst abwickelte; denn auch seine Sprache, sein Erzählen war ganz besonders und anders, als ich bei andern Leuten unserer Gegend und unseres Standes jemals gefunden. Es war darin etwas so Wundersames und Fremdes, es war so einfach, und packte euch doch wieder bis ans Herz; es kam so prächtig einher, und machte doch euer Auge feucht. Woher er's hatte, ob aus sich selbst, oder aus der Tiefe der See, oder aus der Höhe des Himmels, wohin er stundenlang schauen konnte, wenn sein Lugger über das Meer glitt — das mag Gott wissen. Benennen und bezeichnen kann ich's euch nicht, aber es hat mich oft an die alten Reimereien und Lieder gemahnt, die man in meiner Jugendzeit noch vom jungen Volk Abends am Strande zuweilen singen hörte. Ein Seemann war er mit Leib und Seele; das war mir schon willkommen, denn die Gaben der Menschheit sind verschieden. Allein er war auch natürlicherweise ein Schmuggler, und das wollte mir nimmermehr <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0019"/> wenn er wie spielend das schwere Segel aufhißte, oder wenn er am Steuerbaum stand, kalt und besonnen, abermunter und leichtherzig, indeß die Brise ihn umheulte und die Wellen ihn mit Schaum übersprühten. Ihr hättet ihn sehen sollen, wie er bei Spiel und Tanz, bei Scherz und Tollheit der Erste war, wie er in jeder Gefahr voranging, immer mit gleichem Muth und gleicher Lustigkeit.</p><lb/> <p>Ihr müßtet ihn einmal gehört haben, wenn er einen tollen Streich erzählte, von seinen Fahrten berichtete, ein Gespinnst abwickelte; denn auch seine Sprache, sein Erzählen war ganz besonders und anders, als ich bei andern Leuten unserer Gegend und unseres Standes jemals gefunden. Es war darin etwas so Wundersames und Fremdes, es war so einfach, und packte euch doch wieder bis ans Herz; es kam so prächtig einher, und machte doch euer Auge feucht. Woher er's hatte, ob aus sich selbst, oder aus der Tiefe der See, oder aus der Höhe des Himmels, wohin er stundenlang schauen konnte, wenn sein Lugger über das Meer glitt — das mag Gott wissen. Benennen und bezeichnen kann ich's euch nicht, aber es hat mich oft an die alten Reimereien und Lieder gemahnt, die man in meiner Jugendzeit noch vom jungen Volk Abends am Strande zuweilen singen hörte.</p><lb/> <p>Ein Seemann war er mit Leib und Seele; das war mir schon willkommen, denn die Gaben der Menschheit sind verschieden. Allein er war auch natürlicherweise ein Schmuggler, und das wollte mir nimmermehr<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0019]
wenn er wie spielend das schwere Segel aufhißte, oder wenn er am Steuerbaum stand, kalt und besonnen, abermunter und leichtherzig, indeß die Brise ihn umheulte und die Wellen ihn mit Schaum übersprühten. Ihr hättet ihn sehen sollen, wie er bei Spiel und Tanz, bei Scherz und Tollheit der Erste war, wie er in jeder Gefahr voranging, immer mit gleichem Muth und gleicher Lustigkeit.
Ihr müßtet ihn einmal gehört haben, wenn er einen tollen Streich erzählte, von seinen Fahrten berichtete, ein Gespinnst abwickelte; denn auch seine Sprache, sein Erzählen war ganz besonders und anders, als ich bei andern Leuten unserer Gegend und unseres Standes jemals gefunden. Es war darin etwas so Wundersames und Fremdes, es war so einfach, und packte euch doch wieder bis ans Herz; es kam so prächtig einher, und machte doch euer Auge feucht. Woher er's hatte, ob aus sich selbst, oder aus der Tiefe der See, oder aus der Höhe des Himmels, wohin er stundenlang schauen konnte, wenn sein Lugger über das Meer glitt — das mag Gott wissen. Benennen und bezeichnen kann ich's euch nicht, aber es hat mich oft an die alten Reimereien und Lieder gemahnt, die man in meiner Jugendzeit noch vom jungen Volk Abends am Strande zuweilen singen hörte.
Ein Seemann war er mit Leib und Seele; das war mir schon willkommen, denn die Gaben der Menschheit sind verschieden. Allein er war auch natürlicherweise ein Schmuggler, und das wollte mir nimmermehr
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Zitationshilfe: | Hoefer, Edmund: Rolof, der Rekrut. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoefer_rekrut_1910/19>, abgerufen am 16.07.2024. |