Hoefer, Edmund: Rolof, der Rekrut. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Ralow, unterbrach der Angeredete den aufgeregten Alten, Alter, erzählt jetzt nicht. Ich bin, Gott weiß es, nicht aus Neugier zu Euch gekommen. -- Nein, rief der Alte, die Geschichte will ich Euch erzählen! Ihr meintet vorhin, es thue nicht gut, wenn man einsam bleibe und bösen Gedanken nachlaufe. Gott straf' mich, das ist wahr! Ich bin einsam, und es ist ein trübseliger Zustand, den ich erst jetzt begreifen lerne. Nun hab' ich das alte Zeug da wieder im Kopf und kann es nicht los werden; es kriegt mich unter, es ist nicht für Einen allein, und darum sag' ich's Euch. Und eigentlich sollte ich bei Nacht erzählen, denn es ist teuflisch und nicht für den Tag. obgleich, da es sich begeben, die Sonne schien, klar wie jetzt, und der Himmel war, wie er da durch die Blätter schimmert. Das ist seltsam; wenn so was passirt, sollte sich der Himmel auch grau beziehen und Donner und Blitz ausgießen. Aber der kümmert sich nicht um der Erdenwürmer Leid und Glück. Nun, Kameraden, ich erzähl's euch jetzt bei Tag und Sonnenlicht, denn ich fürchte mich. Lacht nicht, ihr Herren, setzte er mit einem bösen Lächeln hinzu. Damals ward ich toll darob, und meine Seele lag in Finsterniß, und bei der wüsten Erinnerung ist mir jetzt oftmals so zu Muth, als könnte der Teufel noch einmal über mich regieren. Darum heraus damit! Darauf zündete er eine Pfeife an, recht langsam und methodisch, als wolle er sich fassen, trank dann tief und bedächtig, strich mit der Spitze der Pfeife den Ralow, unterbrach der Angeredete den aufgeregten Alten, Alter, erzählt jetzt nicht. Ich bin, Gott weiß es, nicht aus Neugier zu Euch gekommen. — Nein, rief der Alte, die Geschichte will ich Euch erzählen! Ihr meintet vorhin, es thue nicht gut, wenn man einsam bleibe und bösen Gedanken nachlaufe. Gott straf' mich, das ist wahr! Ich bin einsam, und es ist ein trübseliger Zustand, den ich erst jetzt begreifen lerne. Nun hab' ich das alte Zeug da wieder im Kopf und kann es nicht los werden; es kriegt mich unter, es ist nicht für Einen allein, und darum sag' ich's Euch. Und eigentlich sollte ich bei Nacht erzählen, denn es ist teuflisch und nicht für den Tag. obgleich, da es sich begeben, die Sonne schien, klar wie jetzt, und der Himmel war, wie er da durch die Blätter schimmert. Das ist seltsam; wenn so was passirt, sollte sich der Himmel auch grau beziehen und Donner und Blitz ausgießen. Aber der kümmert sich nicht um der Erdenwürmer Leid und Glück. Nun, Kameraden, ich erzähl's euch jetzt bei Tag und Sonnenlicht, denn ich fürchte mich. Lacht nicht, ihr Herren, setzte er mit einem bösen Lächeln hinzu. Damals ward ich toll darob, und meine Seele lag in Finsterniß, und bei der wüsten Erinnerung ist mir jetzt oftmals so zu Muth, als könnte der Teufel noch einmal über mich regieren. Darum heraus damit! Darauf zündete er eine Pfeife an, recht langsam und methodisch, als wolle er sich fassen, trank dann tief und bedächtig, strich mit der Spitze der Pfeife den <TEI> <text> <body> <div> <pb facs="#f0010"/> <p>Ralow, unterbrach der Angeredete den aufgeregten Alten, Alter, erzählt jetzt nicht. Ich bin, Gott weiß es, nicht aus Neugier zu Euch gekommen. — Nein, rief der Alte, die Geschichte will ich Euch erzählen! Ihr meintet vorhin, es thue nicht gut, wenn man einsam bleibe und bösen Gedanken nachlaufe. Gott straf' mich, das ist wahr! Ich bin einsam, und es ist ein trübseliger Zustand, den ich erst jetzt begreifen lerne. Nun hab' ich das alte Zeug da wieder im Kopf und kann es nicht los werden; es kriegt mich unter, es ist nicht für Einen allein, und darum sag' ich's Euch. Und eigentlich sollte ich bei Nacht erzählen, denn es ist teuflisch und nicht für den Tag. obgleich, da es sich begeben, die Sonne schien, klar wie jetzt, und der Himmel war, wie er da durch die Blätter schimmert. Das ist seltsam; wenn so was passirt, sollte sich der Himmel auch grau beziehen und Donner und Blitz ausgießen. Aber der kümmert sich nicht um der Erdenwürmer Leid und Glück. Nun, Kameraden, ich erzähl's euch jetzt bei Tag und Sonnenlicht, denn ich fürchte mich. Lacht nicht, ihr Herren, setzte er mit einem bösen Lächeln hinzu. Damals ward ich toll darob, und meine Seele lag in Finsterniß, und bei der wüsten Erinnerung ist mir jetzt oftmals so zu Muth, als könnte der Teufel noch einmal über mich regieren. Darum heraus damit!</p><lb/> <p>Darauf zündete er eine Pfeife an, recht langsam und methodisch, als wolle er sich fassen, trank dann tief und bedächtig, strich mit der Spitze der Pfeife den<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0010]
Ralow, unterbrach der Angeredete den aufgeregten Alten, Alter, erzählt jetzt nicht. Ich bin, Gott weiß es, nicht aus Neugier zu Euch gekommen. — Nein, rief der Alte, die Geschichte will ich Euch erzählen! Ihr meintet vorhin, es thue nicht gut, wenn man einsam bleibe und bösen Gedanken nachlaufe. Gott straf' mich, das ist wahr! Ich bin einsam, und es ist ein trübseliger Zustand, den ich erst jetzt begreifen lerne. Nun hab' ich das alte Zeug da wieder im Kopf und kann es nicht los werden; es kriegt mich unter, es ist nicht für Einen allein, und darum sag' ich's Euch. Und eigentlich sollte ich bei Nacht erzählen, denn es ist teuflisch und nicht für den Tag. obgleich, da es sich begeben, die Sonne schien, klar wie jetzt, und der Himmel war, wie er da durch die Blätter schimmert. Das ist seltsam; wenn so was passirt, sollte sich der Himmel auch grau beziehen und Donner und Blitz ausgießen. Aber der kümmert sich nicht um der Erdenwürmer Leid und Glück. Nun, Kameraden, ich erzähl's euch jetzt bei Tag und Sonnenlicht, denn ich fürchte mich. Lacht nicht, ihr Herren, setzte er mit einem bösen Lächeln hinzu. Damals ward ich toll darob, und meine Seele lag in Finsterniß, und bei der wüsten Erinnerung ist mir jetzt oftmals so zu Muth, als könnte der Teufel noch einmal über mich regieren. Darum heraus damit!
Darauf zündete er eine Pfeife an, recht langsam und methodisch, als wolle er sich fassen, trank dann tief und bedächtig, strich mit der Spitze der Pfeife den
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Zitationshilfe: | Hoefer, Edmund: Rolof, der Rekrut. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoefer_rekrut_1910/10>, abgerufen am 16.07.2024. |