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Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794.

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schwerere Sachen, die dadurch besser gelingen und
ein Vergnügen geben, das der dadurch erlang-
ten Vollkommenheit und dem aufgewandten
Maaß von Kräften entspricht. Wo keine
Uebung ist, kann keine Fertigkeit entstehen,
und wo diese nicht ist, da gehet das Vergnü-
gen ganz oder halb verlohren; Mißmuth und
Ekel trit ein, man scheuet die Beschäftigung aus
Ueberdruß oder Faulheit, und sinkt immer tie-
fer in Unthätigkeit des Körpers und des Gei-
stes. Nichts was Anstrengung erfordert will
man gern thun, dies heißt, man hat keinen
Geschmack daran. Entwöhnung von ernsthaften
Beschäftigungen, die dadurch verminderte
Thätigkeit und Kraft, erzeugen eine Unfähig-
keit die uns in unsern und anderer Augen ver-
ächtlich macht, und Unzufriedenheit zu jenem
Mangel des Geschmacks an ernster Anstrengung
hinzu thut. Mich dünkt dies sey die natürlich-
ste Quelle desselben. Der Mangel dieses ern-
sten Geschmack ist daher immer subjektivisch,
und also auch der Mißmuth der damit verbun-
den ist. Allgemein ist die Begierde den letzteren
zu vertreiben, aber verschieden sind wieder die
Mittel. Man will den Strom verstopfen und
vergißt die Quelle woraus er fließt.

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ſchwerere Sachen, die dadurch beſſer gelingen und
ein Vergnuͤgen geben, das der dadurch erlang-
ten Vollkommenheit und dem aufgewandten
Maaß von Kraͤften entſpricht. Wo keine
Uebung iſt, kann keine Fertigkeit entſtehen,
und wo dieſe nicht iſt, da gehet das Vergnuͤ-
gen ganz oder halb verlohren; Mißmuth und
Ekel trit ein, man ſcheuet die Beſchaͤftigung aus
Ueberdruß oder Faulheit, und ſinkt immer tie-
fer in Unthaͤtigkeit des Koͤrpers und des Gei-
ſtes. Nichts was Anſtrengung erfordert will
man gern thun, dies heißt, man hat keinen
Geſchmack daran. Entwoͤhnung von ernſthaften
Beſchaͤftigungen, die dadurch verminderte
Thaͤtigkeit und Kraft, erzeugen eine Unfaͤhig-
keit die uns in unſern und anderer Augen ver-
aͤchtlich macht, und Unzufriedenheit zu jenem
Mangel des Geſchmacks an ernſter Anſtrengung
hinzu thut. Mich duͤnkt dies ſey die natuͤrlich-
ſte Quelle deſſelben. Der Mangel dieſes ern-
ſten Geſchmack iſt daher immer ſubjektiviſch,
und alſo auch der Mißmuth der damit verbun-
den iſt. Allgemein iſt die Begierde den letzteren
zu vertreiben, aber verſchieden ſind wieder die
Mittel. Man will den Strom verſtopfen und
vergißt die Quelle woraus er fließt.

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[83/0083] ſchwerere Sachen, die dadurch beſſer gelingen und ein Vergnuͤgen geben, das der dadurch erlang- ten Vollkommenheit und dem aufgewandten Maaß von Kraͤften entſpricht. Wo keine Uebung iſt, kann keine Fertigkeit entſtehen, und wo dieſe nicht iſt, da gehet das Vergnuͤ- gen ganz oder halb verlohren; Mißmuth und Ekel trit ein, man ſcheuet die Beſchaͤftigung aus Ueberdruß oder Faulheit, und ſinkt immer tie- fer in Unthaͤtigkeit des Koͤrpers und des Gei- ſtes. Nichts was Anſtrengung erfordert will man gern thun, dies heißt, man hat keinen Geſchmack daran. Entwoͤhnung von ernſthaften Beſchaͤftigungen, die dadurch verminderte Thaͤtigkeit und Kraft, erzeugen eine Unfaͤhig- keit die uns in unſern und anderer Augen ver- aͤchtlich macht, und Unzufriedenheit zu jenem Mangel des Geſchmacks an ernſter Anſtrengung hinzu thut. Mich duͤnkt dies ſey die natuͤrlich- ſte Quelle deſſelben. Der Mangel dieſes ern- ſten Geſchmack iſt daher immer ſubjektiviſch, und alſo auch der Mißmuth der damit verbun- den iſt. Allgemein iſt die Begierde den letzteren zu vertreiben, aber verſchieden ſind wieder die Mittel. Man will den Strom verſtopfen und vergißt die Quelle woraus er fließt. F 2

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Zitationshilfe: Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoche_lesesucht_1794/83>, abgerufen am 25.11.2024.