Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794.

Bild:
<< vorherige Seite

keit ist ja dem Menschen eigen, und Cicero legt
sie so gar den Philosophen bei, die auf den
Titel der Bücher, die sie von Geringschätzung
des Ruhms schreiben, ihren Namen setzen. Man
könnte sie also auch allenfals einem galanten Le-
ser und Leserin verzeihen. Lächerlich bleibt es
aber immer, wenn man blos liest um damit
zu prahlen, denn das, womit man in diesem
Falle prahlt, ist ja kein Eigenthum, sondern
geborgter Glanz. Wenn mein Nachbar meinen
Rock borgt um Staat damit zu machen: so
wird er ausgelacht von denen die es wissen mit
wessen Eigenthum er stolzirt. Wer nun gar
in der Modelektüre die Honigzellen sucht, der
wird schlecht für seinen Vortheil sorgen. Der
Wind saust überall, und Niemand| weiß wo-
her er kömmt und wohin er fährt.

Wer daran einen Gefallen findet sich mit
Dingen groß zu machen die keinen Werth haben,
und wer sie sich gern vorschwatzen läßt, sie gern
anhört, verdient Mitleid und Bedauren. Läßt
man im leztern Falle das -- gern weg; so
schenke ich seiner Geduld meine Vewunderung.
Man muß den Schwachen im Glauben ertragen.

Für Jünglinge, die Wissenschaften lernen
wollen, ist diese Lesesucht, oder die Eitelkeit mit
der Modelektüre zu glänzen, kein geringer

keit iſt ja dem Menſchen eigen, und Cicero legt
ſie ſo gar den Philoſophen bei, die auf den
Titel der Buͤcher, die ſie von Geringſchaͤtzung
des Ruhms ſchreiben, ihren Namen ſetzen. Man
koͤnnte ſie alſo auch allenfals einem galanten Le-
ſer und Leſerin verzeihen. Laͤcherlich bleibt es
aber immer, wenn man blos lieſt um damit
zu prahlen, denn das, womit man in dieſem
Falle prahlt, iſt ja kein Eigenthum, ſondern
geborgter Glanz. Wenn mein Nachbar meinen
Rock borgt um Staat damit zu machen: ſo
wird er ausgelacht von denen die es wiſſen mit
weſſen Eigenthum er ſtolzirt. Wer nun gar
in der Modelektuͤre die Honigzellen ſucht, der
wird ſchlecht fuͤr ſeinen Vortheil ſorgen. Der
Wind ſauſt uͤberall, und Niemand| weiß wo-
her er koͤmmt und wohin er faͤhrt.

Wer daran einen Gefallen findet ſich mit
Dingen groß zu machen die keinen Werth haben,
und wer ſie ſich gern vorſchwatzen laͤßt, ſie gern
anhoͤrt, verdient Mitleid und Bedauren. Laͤßt
man im leztern Falle das — gern weg; ſo
ſchenke ich ſeiner Geduld meine Vewunderung.
Man muß den Schwachen im Glauben ertragen.

Fuͤr Juͤnglinge, die Wiſſenſchaften lernen
wollen, iſt dieſe Leſeſucht, oder die Eitelkeit mit
der Modelektuͤre zu glaͤnzen, kein geringer

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <p><pb facs="#f0073" n="73"/>
keit i&#x017F;t ja dem Men&#x017F;chen eigen, und Cicero legt<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;o gar den Philo&#x017F;ophen bei, die auf den<lb/>
Titel der Bu&#x0364;cher, die &#x017F;ie von Gering&#x017F;cha&#x0364;tzung<lb/>
des Ruhms &#x017F;chreiben, ihren Namen &#x017F;etzen. Man<lb/>
ko&#x0364;nnte &#x017F;ie al&#x017F;o auch allenfals einem galanten Le-<lb/>
&#x017F;er und Le&#x017F;erin verzeihen. La&#x0364;cherlich bleibt es<lb/>
aber immer, wenn man blos lie&#x017F;t um damit<lb/>
zu prahlen, denn das, womit man in die&#x017F;em<lb/>
Falle prahlt, i&#x017F;t ja kein Eigenthum, &#x017F;ondern<lb/>
geborgter Glanz. Wenn mein Nachbar meinen<lb/>
Rock borgt um Staat damit zu machen: &#x017F;o<lb/>
wird er ausgelacht von denen die es wi&#x017F;&#x017F;en mit<lb/>
we&#x017F;&#x017F;en Eigenthum er &#x017F;tolzirt. Wer nun gar<lb/>
in der Modelektu&#x0364;re die Honigzellen &#x017F;ucht, der<lb/>
wird &#x017F;chlecht fu&#x0364;r &#x017F;einen Vortheil &#x017F;orgen. Der<lb/>
Wind &#x017F;au&#x017F;t u&#x0364;berall, und Niemand| weiß wo-<lb/>
her er ko&#x0364;mmt und wohin er fa&#x0364;hrt.</p><lb/>
        <p>Wer daran einen Gefallen findet &#x017F;ich mit<lb/>
Dingen groß zu machen die keinen Werth haben,<lb/>
und wer &#x017F;ie &#x017F;ich <hi rendition="#fr">gern</hi> vor&#x017F;chwatzen la&#x0364;ßt, &#x017F;ie <hi rendition="#fr">gern</hi><lb/>
anho&#x0364;rt, verdient Mitleid und Bedauren. La&#x0364;ßt<lb/>
man im leztern Falle das &#x2014; <hi rendition="#fr">gern</hi> weg; &#x017F;o<lb/>
&#x017F;chenke ich &#x017F;einer Geduld meine Vewunderung.<lb/>
Man muß den Schwachen im Glauben ertragen.</p><lb/>
        <p>Fu&#x0364;r Ju&#x0364;nglinge, die Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften lernen<lb/>
wollen, i&#x017F;t die&#x017F;e Le&#x017F;e&#x017F;ucht, oder die Eitelkeit mit<lb/>
der Modelektu&#x0364;re zu gla&#x0364;nzen, kein geringer<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[73/0073] keit iſt ja dem Menſchen eigen, und Cicero legt ſie ſo gar den Philoſophen bei, die auf den Titel der Buͤcher, die ſie von Geringſchaͤtzung des Ruhms ſchreiben, ihren Namen ſetzen. Man koͤnnte ſie alſo auch allenfals einem galanten Le- ſer und Leſerin verzeihen. Laͤcherlich bleibt es aber immer, wenn man blos lieſt um damit zu prahlen, denn das, womit man in dieſem Falle prahlt, iſt ja kein Eigenthum, ſondern geborgter Glanz. Wenn mein Nachbar meinen Rock borgt um Staat damit zu machen: ſo wird er ausgelacht von denen die es wiſſen mit weſſen Eigenthum er ſtolzirt. Wer nun gar in der Modelektuͤre die Honigzellen ſucht, der wird ſchlecht fuͤr ſeinen Vortheil ſorgen. Der Wind ſauſt uͤberall, und Niemand| weiß wo- her er koͤmmt und wohin er faͤhrt. Wer daran einen Gefallen findet ſich mit Dingen groß zu machen die keinen Werth haben, und wer ſie ſich gern vorſchwatzen laͤßt, ſie gern anhoͤrt, verdient Mitleid und Bedauren. Laͤßt man im leztern Falle das — gern weg; ſo ſchenke ich ſeiner Geduld meine Vewunderung. Man muß den Schwachen im Glauben ertragen. Fuͤr Juͤnglinge, die Wiſſenſchaften lernen wollen, iſt dieſe Leſeſucht, oder die Eitelkeit mit der Modelektuͤre zu glaͤnzen, kein geringer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoche_lesesucht_1794
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoche_lesesucht_1794/73
Zitationshilfe: Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoche_lesesucht_1794/73>, abgerufen am 26.11.2024.