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Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794.

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Eine lange Nachschrift.

Jch hatte diesen Brief geschlossen in der
Meinung ihn so sogleich abzuschicken; weil die
Post aber erst Morgen abgehet; so habe ich
Zeit genug eine Nachschrift daran zu hängen.
Sie verzeihen es mir ja wol, daß ich es hier
eben so mache wie die Frauenzimmer, die, wie
man sagt, keinen Brief schreiben können ohne
ein Postskriptchen. Mir fiel ein daß ich
noch einen wichtigen Zweig der Modelektü-
re, besonders der Frauenzimmerlektüre vergessen
hatte; ich muß ihn also wol der Vollständigkeit
wegen noch kürzlich berühren.

Für unsere Frauenzimmer bringt man jetzt
alles was wohllautet in Kalender und Almanachs-
formen -- neuere sind von der Messe noch nicht
verschrieben. Als unschuldiger Zeitvertreib sind
sie ganz gut, obgleich der Nutzen noch nicht
dadurch gestiftet wird, den man sich versprechen
sollte. Die Kalender sind das beste Vehikel ge-
wisse Wahrheiten allgemein bekannt zu machen,
und können sehr wohlthätig, besonders für den
Landmann, werden, nur müßten sie immer ganz
zweckmäßig eingerichtet seyn. Einige gute ha-
ben wir wirklich, und ihr Nutzen ist hie und
da sichtbar. Solche Schriftsteller, die sich hier-
durch ein Verdienst erwerben, verdienen allen
Dank und Aufmunterung. Die Sache selbst

Eine lange Nachſchrift.

Jch hatte dieſen Brief geſchloſſen in der
Meinung ihn ſo ſogleich abzuſchicken; weil die
Poſt aber erſt Morgen abgehet; ſo habe ich
Zeit genug eine Nachſchrift daran zu haͤngen.
Sie verzeihen es mir ja wol, daß ich es hier
eben ſo mache wie die Frauenzimmer, die, wie
man ſagt, keinen Brief ſchreiben koͤnnen ohne
ein Poſtſkriptchen. Mir fiel ein daß ich
noch einen wichtigen Zweig der Modelektuͤ-
re, beſonders der Frauenzimmerlektuͤre vergeſſen
hatte; ich muß ihn alſo wol der Vollſtaͤndigkeit
wegen noch kuͤrzlich beruͤhren.

Fuͤr unſere Frauenzimmer bringt man jetzt
alles was wohllautet in Kalender und Almanachs-
formen — neuere ſind von der Meſſe noch nicht
verſchrieben. Als unſchuldiger Zeitvertreib ſind
ſie ganz gut, obgleich der Nutzen noch nicht
dadurch geſtiftet wird, den man ſich verſprechen
ſollte. Die Kalender ſind das beſte Vehikel ge-
wiſſe Wahrheiten allgemein bekannt zu machen,
und koͤnnen ſehr wohlthaͤtig, beſonders fuͤr den
Landmann, werden, nur muͤßten ſie immer ganz
zweckmaͤßig eingerichtet ſeyn. Einige gute ha-
ben wir wirklich, und ihr Nutzen iſt hie und
da ſichtbar. Solche Schriftſteller, die ſich hier-
durch ein Verdienſt erwerben, verdienen allen
Dank und Aufmunterung. Die Sache ſelbſt

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[62/0062] Eine lange Nachſchrift. Jch hatte dieſen Brief geſchloſſen in der Meinung ihn ſo ſogleich abzuſchicken; weil die Poſt aber erſt Morgen abgehet; ſo habe ich Zeit genug eine Nachſchrift daran zu haͤngen. Sie verzeihen es mir ja wol, daß ich es hier eben ſo mache wie die Frauenzimmer, die, wie man ſagt, keinen Brief ſchreiben koͤnnen ohne ein Poſtſkriptchen. Mir fiel ein daß ich noch einen wichtigen Zweig der Modelektuͤ- re, beſonders der Frauenzimmerlektuͤre vergeſſen hatte; ich muß ihn alſo wol der Vollſtaͤndigkeit wegen noch kuͤrzlich beruͤhren. Fuͤr unſere Frauenzimmer bringt man jetzt alles was wohllautet in Kalender und Almanachs- formen — neuere ſind von der Meſſe noch nicht verſchrieben. Als unſchuldiger Zeitvertreib ſind ſie ganz gut, obgleich der Nutzen noch nicht dadurch geſtiftet wird, den man ſich verſprechen ſollte. Die Kalender ſind das beſte Vehikel ge- wiſſe Wahrheiten allgemein bekannt zu machen, und koͤnnen ſehr wohlthaͤtig, beſonders fuͤr den Landmann, werden, nur muͤßten ſie immer ganz zweckmaͤßig eingerichtet ſeyn. Einige gute ha- ben wir wirklich, und ihr Nutzen iſt hie und da ſichtbar. Solche Schriftſteller, die ſich hier- durch ein Verdienſt erwerben, verdienen allen Dank und Aufmunterung. Die Sache ſelbſt

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Zitationshilfe: Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoche_lesesucht_1794/62>, abgerufen am 27.11.2024.