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Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794.

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Jch kann mich noch nicht von dem Einfluß
der Modelektüre, oder vielmehr der jetzigen Le-
sesucht, auf das Glück der Menschen trennen.
Jch bitte Sie in Jhrer Geduld nicht zu ermüden.
Lassen Sie uns noch einmahl auf die Charaktere
der Personen in den Romanen, und beson-
ders der Rittergeschichten zurückkommen.

Eigenschaften, Veränderungen der Men-
schen sind natürliche und wesentliche Zeichen
ihrer Empfindung und ihrer Denkungsart,
und können also auch eben solche in der See-
le des andern hervorbringen. Es müssen also
auch die Eigenschaften und Veränderungen der
in den Romanen und Rittermähren geschilder-
ten Personen, als natürliche und wesentliche
Zeichen ihrer Empfindung und Denkungsart
in dem Leser ähnliche Empfindungen u. s. w. her-
vorbringen können. Dieser Satz ist sehr wich-
tig und fruchtbar, und sollte allein schon bestim-
men, daß man bei der Wahl eigener Lektüre
vorsichtig sey. --

Je liebenswürdiger die Eigenschaften der
geschilderten Personen sind, desto stärker muß
ihr Eindruck seyn, und desto angenehmer die
Empfindung, die dadurch in dem Leser entste-

J

Jch kann mich noch nicht von dem Einfluß
der Modelektuͤre, oder vielmehr der jetzigen Le-
ſeſucht, auf das Gluͤck der Menſchen trennen.
Jch bitte Sie in Jhrer Geduld nicht zu ermuͤden.
Laſſen Sie uns noch einmahl auf die Charaktere
der Perſonen in den Romanen, und beſon-
ders der Rittergeſchichten zuruͤckkommen.

Eigenſchaften, Veraͤnderungen der Men-
ſchen ſind natuͤrliche und weſentliche Zeichen
ihrer Empfindung und ihrer Denkungsart,
und koͤnnen alſo auch eben ſolche in der See-
le des andern hervorbringen. Es muͤſſen alſo
auch die Eigenſchaften und Veraͤnderungen der
in den Romanen und Rittermaͤhren geſchilder-
ten Perſonen, als natuͤrliche und weſentliche
Zeichen ihrer Empfindung und Denkungsart
in dem Leſer aͤhnliche Empfindungen u. ſ. w. her-
vorbringen koͤnnen. Dieſer Satz iſt ſehr wich-
tig und fruchtbar, und ſollte allein ſchon beſtim-
men, daß man bei der Wahl eigener Lektuͤre
vorſichtig ſey. —

Je liebenswuͤrdiger die Eigenſchaften der
geſchilderten Perſonen ſind, deſto ſtaͤrker muß
ihr Eindruck ſeyn, und deſto angenehmer die
Empfindung, die dadurch in dem Leſer entſte-

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[129/0129] Am 8ten Maͤrz. Jch kann mich noch nicht von dem Einfluß der Modelektuͤre, oder vielmehr der jetzigen Le- ſeſucht, auf das Gluͤck der Menſchen trennen. Jch bitte Sie in Jhrer Geduld nicht zu ermuͤden. Laſſen Sie uns noch einmahl auf die Charaktere der Perſonen in den Romanen, und beſon- ders der Rittergeſchichten zuruͤckkommen. Eigenſchaften, Veraͤnderungen der Men- ſchen ſind natuͤrliche und weſentliche Zeichen ihrer Empfindung und ihrer Denkungsart, und koͤnnen alſo auch eben ſolche in der See- le des andern hervorbringen. Es muͤſſen alſo auch die Eigenſchaften und Veraͤnderungen der in den Romanen und Rittermaͤhren geſchilder- ten Perſonen, als natuͤrliche und weſentliche Zeichen ihrer Empfindung und Denkungsart in dem Leſer aͤhnliche Empfindungen u. ſ. w. her- vorbringen koͤnnen. Dieſer Satz iſt ſehr wich- tig und fruchtbar, und ſollte allein ſchon beſtim- men, daß man bei der Wahl eigener Lektuͤre vorſichtig ſey. — Je liebenswuͤrdiger die Eigenſchaften der geſchilderten Perſonen ſind, deſto ſtaͤrker muß ihr Eindruck ſeyn, und deſto angenehmer die Empfindung, die dadurch in dem Leſer entſte- J

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Zitationshilfe: Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoche_lesesucht_1794/129>, abgerufen am 24.11.2024.