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Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794.

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den zu bestimmen, ihnen einen Werth zu geben,
und dem Gatten oder Vater den Kummer und
Sorgen, die aus seinen Geschäften fließen, von
der Stirne zu wischen, damit er stets heiter zu
ihnen kehrt, und nicht müde wird für das Wohl
feiner Lieben, für das Glück anderer und des
Vaterlandes zu arbeiten, damit er in dem
Schooße der Seinigen alles unangenehme ver-
gißt, alle üble Launen auf seiner Studierstube
oder im Collegium zurück läßt. -- Wie schön
wären aber auch auf der andern Seite, wenn die
Männer dahin trachteten ihre Laune niemals ihre
Weiber und Kinder empfinden zu lassen. Wie
unglücklich machen sie nicht oft ein armes gutes
sanftes Weib, das den Kummer und die Laune
des Mannes doppelt fühlt, und ihre Thränen
ihm zu verbergen sucht um ihn zu schonen und
ihn sein Unrecht nicht fühlen zu lassen. Es
würde mich zu weit führen, wenn ich hier mein
Gefühl erschöpfen wollte, Sie werden sich das
Uebrige hinzudenken. Nur wünsche ich, daß Sie
nicht übersehen, daß unter hundert Fällen we-
nigstens funfzig mal das häusliche Leiden von
den Launen abhängt, und daß hiervon wiederum
die gröste Zahl auf die Laune des Weibes be-
rechnet wird. --

den zu beſtimmen, ihnen einen Werth zu geben,
und dem Gatten oder Vater den Kummer und
Sorgen, die aus ſeinen Geſchaͤften fließen, von
der Stirne zu wiſchen, damit er ſtets heiter zu
ihnen kehrt, und nicht muͤde wird fuͤr das Wohl
feiner Lieben, fuͤr das Gluͤck anderer und des
Vaterlandes zu arbeiten, damit er in dem
Schooße der Seinigen alles unangenehme ver-
gißt, alle uͤble Launen auf ſeiner Studierſtube
oder im Collegium zuruͤck laͤßt. — Wie ſchoͤn
waͤren aber auch auf der andern Seite, wenn die
Maͤnner dahin trachteten ihre Laune niemals ihre
Weiber und Kinder empfinden zu laſſen. Wie
ungluͤcklich machen ſie nicht oft ein armes gutes
ſanftes Weib, das den Kummer und die Laune
des Mannes doppelt fuͤhlt, und ihre Thraͤnen
ihm zu verbergen ſucht um ihn zu ſchonen und
ihn ſein Unrecht nicht fuͤhlen zu laſſen. Es
wuͤrde mich zu weit fuͤhren, wenn ich hier mein
Gefuͤhl erſchoͤpfen wollte, Sie werden ſich das
Uebrige hinzudenken. Nur wuͤnſche ich, daß Sie
nicht uͤberſehen, daß unter hundert Faͤllen we-
nigſtens funfzig mal das haͤusliche Leiden von
den Launen abhaͤngt, und daß hiervon wiederum
die groͤſte Zahl auf die Laune des Weibes be-
rechnet wird. —

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[125/0125] den zu beſtimmen, ihnen einen Werth zu geben, und dem Gatten oder Vater den Kummer und Sorgen, die aus ſeinen Geſchaͤften fließen, von der Stirne zu wiſchen, damit er ſtets heiter zu ihnen kehrt, und nicht muͤde wird fuͤr das Wohl feiner Lieben, fuͤr das Gluͤck anderer und des Vaterlandes zu arbeiten, damit er in dem Schooße der Seinigen alles unangenehme ver- gißt, alle uͤble Launen auf ſeiner Studierſtube oder im Collegium zuruͤck laͤßt. — Wie ſchoͤn waͤren aber auch auf der andern Seite, wenn die Maͤnner dahin trachteten ihre Laune niemals ihre Weiber und Kinder empfinden zu laſſen. Wie ungluͤcklich machen ſie nicht oft ein armes gutes ſanftes Weib, das den Kummer und die Laune des Mannes doppelt fuͤhlt, und ihre Thraͤnen ihm zu verbergen ſucht um ihn zu ſchonen und ihn ſein Unrecht nicht fuͤhlen zu laſſen. Es wuͤrde mich zu weit fuͤhren, wenn ich hier mein Gefuͤhl erſchoͤpfen wollte, Sie werden ſich das Uebrige hinzudenken. Nur wuͤnſche ich, daß Sie nicht uͤberſehen, daß unter hundert Faͤllen we- nigſtens funfzig mal das haͤusliche Leiden von den Launen abhaͤngt, und daß hiervon wiederum die groͤſte Zahl auf die Laune des Weibes be- rechnet wird. —

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Zitationshilfe: Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoche_lesesucht_1794/125>, abgerufen am 24.11.2024.