Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794.O meine Theuerste! die Wirkung der Lek- O meine Theuerſte! die Wirkung der Lek- <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <pb facs="#f0102" n="102"/> <p>O meine Theuerſte! die Wirkung der Lek-<lb/> tuͤre, des Romanengeiſtes auf die Einbildungs-<lb/> kraft iſt entſetzlich groß, und ihr Schaden uͤber<lb/> alle Beſchreidung. Hier moͤchte ich ganz meine<lb/> Empfindungen ausſchuͤtten koͤnnen! Auch das<lb/> Gift aus der Blume geſammlet, iſt Gift und<lb/> wirkt um deſto ſchrecklicher, je unbemerkbarer<lb/> es wirkt. Die Buͤcher die am meiſten gefallen<lb/> ſind oft die gefaͤhrlichſten, ſie nehmen den un-<lb/> kundigen Leſer durch eine ſchoͤne Schreibart ein,<lb/> bezaubern ihn mit dem feinern Gewande, wo-<lb/> rin die Gedanken gehuͤllt ſind, wiſſen fein den<lb/> Leidenſchaften zu ſchmeicheln, und vergiften ſo<lb/> auf die toͤdtlichſte Weiſe. Selbſt ein großer Dich-<lb/> ter den ich nicht nennen will, iſt nicht von die-<lb/> ſem Vorwurfe ſrei. Sollte die Kunſt nicht auch<lb/> mit den ſittlichen Geſetzen beſtehen koͤnnen?<lb/> Ja es gibt <hi rendition="#i">Buͤcher die offenbar die Abſicht</hi> ha-<lb/> ben das Laſter reizend zu machen, hie haͤßlichen<lb/> Seiten und ſchlimmen Folgen zu verbergen, und<lb/> ihm dadurch Eingang zu verſchaffen. O der<lb/> Schande — daß wir ſolche Buͤcher dulden.<lb/> Was fuͤr abſcheuliche hirnloſe Schriften gehen<lb/> nicht oft herum, die man fuͤr Satiren auf den<lb/> geſunden Menſchenverſtand halten moͤchte, we-<lb/> gen des Unverſtandes womit ſie geſchrieben und<lb/> geleſen werden. —</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [102/0102]
O meine Theuerſte! die Wirkung der Lek-
tuͤre, des Romanengeiſtes auf die Einbildungs-
kraft iſt entſetzlich groß, und ihr Schaden uͤber
alle Beſchreidung. Hier moͤchte ich ganz meine
Empfindungen ausſchuͤtten koͤnnen! Auch das
Gift aus der Blume geſammlet, iſt Gift und
wirkt um deſto ſchrecklicher, je unbemerkbarer
es wirkt. Die Buͤcher die am meiſten gefallen
ſind oft die gefaͤhrlichſten, ſie nehmen den un-
kundigen Leſer durch eine ſchoͤne Schreibart ein,
bezaubern ihn mit dem feinern Gewande, wo-
rin die Gedanken gehuͤllt ſind, wiſſen fein den
Leidenſchaften zu ſchmeicheln, und vergiften ſo
auf die toͤdtlichſte Weiſe. Selbſt ein großer Dich-
ter den ich nicht nennen will, iſt nicht von die-
ſem Vorwurfe ſrei. Sollte die Kunſt nicht auch
mit den ſittlichen Geſetzen beſtehen koͤnnen?
Ja es gibt Buͤcher die offenbar die Abſicht ha-
ben das Laſter reizend zu machen, hie haͤßlichen
Seiten und ſchlimmen Folgen zu verbergen, und
ihm dadurch Eingang zu verſchaffen. O der
Schande — daß wir ſolche Buͤcher dulden.
Was fuͤr abſcheuliche hirnloſe Schriften gehen
nicht oft herum, die man fuͤr Satiren auf den
geſunden Menſchenverſtand halten moͤchte, we-
gen des Unverſtandes womit ſie geſchrieben und
geleſen werden. —
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