Hobrecht, James: Entwickelung der Verkehrs-Verhältnisse in Berlin. Berlin, 1893"Berlin liegt dagegen in den Sandwüsten Arabiens; man "Man freut sich, wenn man endlich die Thurmspitzen "Hat man im Thore die unleidliche Revision der Accise- "Wien hat keinen Palast oder ein öffentliches Gebäude "Dennoch hat Wien einen Vorzug auch in dieser Hin- "Das Pflaster ist in Wien aus Quadersteinen aufgeführt, „Berlin liegt dagegen in den Sandwüsten Arabiens; man „Man freut sich, wenn man endlich die Thurmspitzen „Hat man im Thore die unleidliche Revision der Accise- „Wien hat keinen Palast oder ein öffentliches Gebäude „Dennoch hat Wien einen Vorzug auch in dieser Hin- „Das Pflaster ist in Wien aus Quadersteinen aufgeführt, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0010" n="4"/> <p>„Berlin liegt dagegen in den Sandwüsten Arabiens; man<lb/> mag nun hineinkommen, von welcher Seite man will, aus<lb/> Ost oder West, aus Süd oder Nord, so wird man von den<lb/> keuchenden Postpferden in einem Sandmeer fortgeschleppt;<lb/> im Sommer brennt die Sonne auf diesem Sande doppelt stark<lb/> und einige von Raupen abgefressene Kiefernstämme geben<lb/> den einzigen dürftigen Schatten, der zu finden ist. Von<lb/> Bergen findet das Auge weit und breit keine Spur, und wo<lb/> man etwa Wasser findet, da ist es ein Sumpf, um den eine<lb/> Schaar von Kiebitzen ihren angenehmen Gesang erhebt. Was<lb/> man auf den Feldern erblickt, sind einzelne Kornhalme, deren<lb/> Samen hier die Vögel verloren zu haben scheinen.</p><lb/> <p>„Man freut sich, wenn man endlich die Thurmspitzen<lb/> von Berlin erblickt; jetzt kommt aber nahe an der Barrière<lb/> dem Reisenden ein pestilenzialischer Geruch entgegen, denn<lb/> die Berliner laden allen ihren Unrath nahe vor den Tho-<lb/> ren ab.</p><lb/> <p>„Hat man im Thore die unleidliche Revision der Accise-<lb/> beamten überstanden und dem wachthabenden Officier seine<lb/> hundert Fragen beantwortet, damit er die öffentliche Neu-<lb/> gierde befriedige, so sieht man sich in die Mitte ärmlicher<lb/> Hütten, Wiesen und Felder versetzt (es wäre denn, man<lb/> passirte in die Thore der Friedrichsstadt ein); oft sieht man<lb/> aber nichts, denn der kleinste Zephir erregt einen so uner-<lb/> träglichen Staub, daſs man die Augen fest zudrücken muſs.</p><lb/> <p>„Wien hat keinen Palast oder ein öffentliches Gebäude<lb/> aufzuweisen, welches man mit dem Schlosse oder mit dem<lb/> Opern- und Zeughause, mit dem Heinrichschen Palais u. a.<lb/> in Berlin zusammenstellen könnte. Mit einem Wort: Wien<lb/> ist in Rücksicht der Bauart, der Regularität und Breite der<lb/> Straſsen mit Berlin garnicht zu vergleichen und wird dadurch<lb/> weit übertroffen.</p><lb/> <p>„Dennoch hat Wien einen Vorzug auch in dieser Hin-<lb/> sicht, den man in Berlin völlig vermiſst.</p><lb/> <p>„Das Pflaster ist in Wien aus Quadersteinen aufgeführt,<lb/> und man findet hier keine stinkende und unreine Rinnsteine<lb/> wie in Berlin, da diese dort sämtlich verdeckt sind.“</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [4/0010]
„Berlin liegt dagegen in den Sandwüsten Arabiens; man
mag nun hineinkommen, von welcher Seite man will, aus
Ost oder West, aus Süd oder Nord, so wird man von den
keuchenden Postpferden in einem Sandmeer fortgeschleppt;
im Sommer brennt die Sonne auf diesem Sande doppelt stark
und einige von Raupen abgefressene Kiefernstämme geben
den einzigen dürftigen Schatten, der zu finden ist. Von
Bergen findet das Auge weit und breit keine Spur, und wo
man etwa Wasser findet, da ist es ein Sumpf, um den eine
Schaar von Kiebitzen ihren angenehmen Gesang erhebt. Was
man auf den Feldern erblickt, sind einzelne Kornhalme, deren
Samen hier die Vögel verloren zu haben scheinen.
„Man freut sich, wenn man endlich die Thurmspitzen
von Berlin erblickt; jetzt kommt aber nahe an der Barrière
dem Reisenden ein pestilenzialischer Geruch entgegen, denn
die Berliner laden allen ihren Unrath nahe vor den Tho-
ren ab.
„Hat man im Thore die unleidliche Revision der Accise-
beamten überstanden und dem wachthabenden Officier seine
hundert Fragen beantwortet, damit er die öffentliche Neu-
gierde befriedige, so sieht man sich in die Mitte ärmlicher
Hütten, Wiesen und Felder versetzt (es wäre denn, man
passirte in die Thore der Friedrichsstadt ein); oft sieht man
aber nichts, denn der kleinste Zephir erregt einen so uner-
träglichen Staub, daſs man die Augen fest zudrücken muſs.
„Wien hat keinen Palast oder ein öffentliches Gebäude
aufzuweisen, welches man mit dem Schlosse oder mit dem
Opern- und Zeughause, mit dem Heinrichschen Palais u. a.
in Berlin zusammenstellen könnte. Mit einem Wort: Wien
ist in Rücksicht der Bauart, der Regularität und Breite der
Straſsen mit Berlin garnicht zu vergleichen und wird dadurch
weit übertroffen.
„Dennoch hat Wien einen Vorzug auch in dieser Hin-
sicht, den man in Berlin völlig vermiſst.
„Das Pflaster ist in Wien aus Quadersteinen aufgeführt,
und man findet hier keine stinkende und unreine Rinnsteine
wie in Berlin, da diese dort sämtlich verdeckt sind.“
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