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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.

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Siebenter Abschnitt. Gärten, deren Charakter
bäude, zum öffentlichen Unterricht der Jugend bestimmt, sind fast überall noch un-
förmliche, finstere, schmutzige Steinmassen, die einem Kerker ähnlich sehen, und
wenn sie noch einen Platz um sich her haben, so ist er gemeiniglich so versperrt, wie
das Gebäude selbst, so dumpfigt, so öde und verlassen, daß er nicht die mindeste an-
genehme Empfindung veranlaßt. England hat noch von dieser Seite einen Vor-
zug. Bey verschiedenen Collegien der Universitäten zu Oxford und Cambridge
sind angenehme Gärten. Auch die Universität zu Dublin hat einen Park zur Er-
holung des Geistes der jungen Leute, nachdem sie sich beym Studiren ermüdet haben.
Er übertrifft nicht nur an Umfang, sondern auch an ländlicher Schönheit viele öffent-
liche Gärten. Die Collegiaten haben hier auch einen gut angelegten Garten, wo sie,
von dem großen Haufen abgesondert, in der Einsamkeit zwischen stillen Haynen die
Wahrheit suchen. Bey der neuen Militairakademie zu Stuttgard hat man den
Anfang eines besondern akademischen Gartens gemacht, obgleich der Platz etwas ein-
geschränkt ist. Der junge Akademiker hat hier nicht allein seinen Spaziergang, son-
dern auch Stellen, die er nach seiner Willkühr bepflanzen kann; nächstdem findet
man Wasserstücke, wo unter Aufsicht gebadet wird. Viele Universitäten in Deutsch-
land
haben öffentliche Spaziergänge; sie sind aber von besondern akademischen Gär-
ten noch sehr entfernt.

2.

Akademien (das Wort hier in der weitern Bedeutung genommen) oder Oerter,
wo die edlere Jugend des Staats für die Wissenschaften, für die Künste, und den
öffentlichen Dienst des Vaterlandes gebildet wird, verlangen nicht blos eine gesunde,
sondern auch eine angenehme und ruhige Lage. Bey den meisten Arten dieser Anstal-
ten sind mittelmäßige Landstädte den Residenzörtern und volkreichen Handelsstädten
vorzuziehen; und bey jenen ist auch eine ländliche, anmuthige und stille Gegend leich-
ter, als bey diesen, aufzufinden. Die Gebäude sollten, bey der Einrichtung, die
ihre Bestimmung fordert, zugleich das Gepräge einer reinen Architektur und einer
edlen Simplicität tragen; ihr Ansehen sollte heiter und anmuthig seyn. Die Lage
zwischen angenehmen Höhen und Wäldern ist sehr vortheilhaft; jene locken zum ge-
sunden Steigen und zum Genuß belebender Aussichten, diese erfrischen mit Schatten
und Ruhe. Die Bepflanzung des Gartens selbst muß heiter und fröhlich seyn.
Wohlgeordnete Gruppen und Hayne von schönen Baumarten und duftenden Sträu-
chern, mit vielen Blumenpflanzen untermischt, bieten hier ihren Reiz an. Diese
Hayne können bald dem Apoll, bald den Musen, bald der Hebe, bald der Göt-
tinn der Freude gewidmet, charakteristisch angeordnet und mit den Statuen oder Bü-
sten dieser Gottheiten geschmückt werden. Eine ausgesuchte Gartenbibliothek, eine

Samm-

Siebenter Abſchnitt. Gaͤrten, deren Charakter
baͤude, zum oͤffentlichen Unterricht der Jugend beſtimmt, ſind faſt uͤberall noch un-
foͤrmliche, finſtere, ſchmutzige Steinmaſſen, die einem Kerker aͤhnlich ſehen, und
wenn ſie noch einen Platz um ſich her haben, ſo iſt er gemeiniglich ſo verſperrt, wie
das Gebaͤude ſelbſt, ſo dumpfigt, ſo oͤde und verlaſſen, daß er nicht die mindeſte an-
genehme Empfindung veranlaßt. England hat noch von dieſer Seite einen Vor-
zug. Bey verſchiedenen Collegien der Univerſitaͤten zu Oxford und Cambridge
ſind angenehme Gaͤrten. Auch die Univerſitaͤt zu Dublin hat einen Park zur Er-
holung des Geiſtes der jungen Leute, nachdem ſie ſich beym Studiren ermuͤdet haben.
Er uͤbertrifft nicht nur an Umfang, ſondern auch an laͤndlicher Schoͤnheit viele oͤffent-
liche Gaͤrten. Die Collegiaten haben hier auch einen gut angelegten Garten, wo ſie,
von dem großen Haufen abgeſondert, in der Einſamkeit zwiſchen ſtillen Haynen die
Wahrheit ſuchen. Bey der neuen Militairakademie zu Stuttgard hat man den
Anfang eines beſondern akademiſchen Gartens gemacht, obgleich der Platz etwas ein-
geſchraͤnkt iſt. Der junge Akademiker hat hier nicht allein ſeinen Spaziergang, ſon-
dern auch Stellen, die er nach ſeiner Willkuͤhr bepflanzen kann; naͤchſtdem findet
man Waſſerſtuͤcke, wo unter Aufſicht gebadet wird. Viele Univerſitaͤten in Deutſch-
land
haben oͤffentliche Spaziergaͤnge; ſie ſind aber von beſondern akademiſchen Gaͤr-
ten noch ſehr entfernt.

2.

Akademien (das Wort hier in der weitern Bedeutung genommen) oder Oerter,
wo die edlere Jugend des Staats fuͤr die Wiſſenſchaften, fuͤr die Kuͤnſte, und den
oͤffentlichen Dienſt des Vaterlandes gebildet wird, verlangen nicht blos eine geſunde,
ſondern auch eine angenehme und ruhige Lage. Bey den meiſten Arten dieſer Anſtal-
ten ſind mittelmaͤßige Landſtaͤdte den Reſidenzoͤrtern und volkreichen Handelsſtaͤdten
vorzuziehen; und bey jenen iſt auch eine laͤndliche, anmuthige und ſtille Gegend leich-
ter, als bey dieſen, aufzufinden. Die Gebaͤude ſollten, bey der Einrichtung, die
ihre Beſtimmung fordert, zugleich das Gepraͤge einer reinen Architektur und einer
edlen Simplicitaͤt tragen; ihr Anſehen ſollte heiter und anmuthig ſeyn. Die Lage
zwiſchen angenehmen Hoͤhen und Waͤldern iſt ſehr vortheilhaft; jene locken zum ge-
ſunden Steigen und zum Genuß belebender Ausſichten, dieſe erfriſchen mit Schatten
und Ruhe. Die Bepflanzung des Gartens ſelbſt muß heiter und froͤhlich ſeyn.
Wohlgeordnete Gruppen und Hayne von ſchoͤnen Baumarten und duftenden Straͤu-
chern, mit vielen Blumenpflanzen untermiſcht, bieten hier ihren Reiz an. Dieſe
Hayne koͤnnen bald dem Apoll, bald den Muſen, bald der Hebe, bald der Goͤt-
tinn der Freude gewidmet, charakteriſtiſch angeordnet und mit den Statuen oder Buͤ-
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Samm-
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[76/0084] Siebenter Abſchnitt. Gaͤrten, deren Charakter baͤude, zum oͤffentlichen Unterricht der Jugend beſtimmt, ſind faſt uͤberall noch un- foͤrmliche, finſtere, ſchmutzige Steinmaſſen, die einem Kerker aͤhnlich ſehen, und wenn ſie noch einen Platz um ſich her haben, ſo iſt er gemeiniglich ſo verſperrt, wie das Gebaͤude ſelbſt, ſo dumpfigt, ſo oͤde und verlaſſen, daß er nicht die mindeſte an- genehme Empfindung veranlaßt. England hat noch von dieſer Seite einen Vor- zug. Bey verſchiedenen Collegien der Univerſitaͤten zu Oxford und Cambridge ſind angenehme Gaͤrten. Auch die Univerſitaͤt zu Dublin hat einen Park zur Er- holung des Geiſtes der jungen Leute, nachdem ſie ſich beym Studiren ermuͤdet haben. Er uͤbertrifft nicht nur an Umfang, ſondern auch an laͤndlicher Schoͤnheit viele oͤffent- liche Gaͤrten. Die Collegiaten haben hier auch einen gut angelegten Garten, wo ſie, von dem großen Haufen abgeſondert, in der Einſamkeit zwiſchen ſtillen Haynen die Wahrheit ſuchen. Bey der neuen Militairakademie zu Stuttgard hat man den Anfang eines beſondern akademiſchen Gartens gemacht, obgleich der Platz etwas ein- geſchraͤnkt iſt. Der junge Akademiker hat hier nicht allein ſeinen Spaziergang, ſon- dern auch Stellen, die er nach ſeiner Willkuͤhr bepflanzen kann; naͤchſtdem findet man Waſſerſtuͤcke, wo unter Aufſicht gebadet wird. Viele Univerſitaͤten in Deutſch- land haben oͤffentliche Spaziergaͤnge; ſie ſind aber von beſondern akademiſchen Gaͤr- ten noch ſehr entfernt. 2. Akademien (das Wort hier in der weitern Bedeutung genommen) oder Oerter, wo die edlere Jugend des Staats fuͤr die Wiſſenſchaften, fuͤr die Kuͤnſte, und den oͤffentlichen Dienſt des Vaterlandes gebildet wird, verlangen nicht blos eine geſunde, ſondern auch eine angenehme und ruhige Lage. Bey den meiſten Arten dieſer Anſtal- ten ſind mittelmaͤßige Landſtaͤdte den Reſidenzoͤrtern und volkreichen Handelsſtaͤdten vorzuziehen; und bey jenen iſt auch eine laͤndliche, anmuthige und ſtille Gegend leich- ter, als bey dieſen, aufzufinden. Die Gebaͤude ſollten, bey der Einrichtung, die ihre Beſtimmung fordert, zugleich das Gepraͤge einer reinen Architektur und einer edlen Simplicitaͤt tragen; ihr Anſehen ſollte heiter und anmuthig ſeyn. Die Lage zwiſchen angenehmen Hoͤhen und Waͤldern iſt ſehr vortheilhaft; jene locken zum ge- ſunden Steigen und zum Genuß belebender Ausſichten, dieſe erfriſchen mit Schatten und Ruhe. Die Bepflanzung des Gartens ſelbſt muß heiter und froͤhlich ſeyn. Wohlgeordnete Gruppen und Hayne von ſchoͤnen Baumarten und duftenden Straͤu- chern, mit vielen Blumenpflanzen untermiſcht, bieten hier ihren Reiz an. Dieſe Hayne koͤnnen bald dem Apoll, bald den Muſen, bald der Hebe, bald der Goͤt- tinn der Freude gewidmet, charakteriſtiſch angeordnet und mit den Statuen oder Buͤ- ſten dieſer Gottheiten geſchmuͤckt werden. Eine ausgeſuchte Gartenbibliothek, eine Samm-

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/84>, abgerufen am 23.11.2024.