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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.

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Siebenter Abschnitt. Gärten, deren Charakter


Siebenter Abschnitt.
Gärten, deren Charakter von besondern Bestim-
mungen abhängig ist.
I.
Volksgärten.
1.

Man wird, bey den Fortschritten der Polizey in den neuern Zeiten, nicht leicht
eine beträchtliche Stadt finden, die nicht in ihrem Umkreis, oder in ihrer
Nachbarschaft einen Platz des öffentlichen Spazierganges hätte; wenigstens dienen
die bepflanzten Zugänge zugleich zu diesem Gebrauch. Eine anfehnliche Stadt muß
in ihrem Umfang einen oder mehrere große offene Plätze haben, wo sich das Volk in
gewissen Zeitpunkten der Freude oder der Noth versammeln und sich ausbreiten kann,
wo eine freye und gesunde Luft athmet, und die Schönheit des Himmels und der Land-
schaft sich wieder zum Genuß eröffnet. Diese Plätze machen eine vorzügliche Zierde
der Städte, wenn sie mit Rasen, mit Springbrunnen, mit Bildsäulen geschmückt,
und von Baumpflanzungen und den schönern Gebäuden umkränzt sind. Sie locken
den Fremden durch die Heiterkeit ihres Anfehens an, und unterhalten den Spazier-
gänger in einer gewissen Lebhaftigkeit der Empfindung.

Allein außer diesen Plätzen kann eine weise Polizey bald in dem Bezirk der
Stadt, bald nahe vor ihren Thoren besondere Oerter für den Spaziergang des Volks
einrichten. Bewegung, Genuß der freyen Luft, Erholung von Geschäften, gesel-
lige Unterhaltung ist die Bestimmung solcher Oerter, und nach dieser Bestimmung
muß ihre Einrichtung und Bepflanzung abgemessen seyn. Diese Volksgärten sind,
nach vernünftigen Grundsätzen der Polizey, als ein wichtiges Bedürfniß des Stadt-
bewohners zu betrachten. Denn sie erquicken ihn nicht allein nach der Mühe des Ta-
ges mit anmuthigen Bildern und Empfindungen; sie ziehen ihn auch, indem sie ihn
auf die Schauplätze der Natur locken, unmerklich von den unedlen und kostbaren Ar-
ten der städtischen Zeitverkürzungen ab, und gewöhnen ihn allmälig an das wohlfeile
Vergnügen, an die sanftere Geselligkeit, an ein gesprächiges und umgängliches We-
sen. Die verschiedenen Stände gewinnen, indem sie sich hier mehr einander nähern,

auf
Siebenter Abſchnitt. Gaͤrten, deren Charakter


Siebenter Abſchnitt.
Gaͤrten, deren Charakter von beſondern Beſtim-
mungen abhaͤngig iſt.
I.
Volksgaͤrten.
1.

Man wird, bey den Fortſchritten der Polizey in den neuern Zeiten, nicht leicht
eine betraͤchtliche Stadt finden, die nicht in ihrem Umkreis, oder in ihrer
Nachbarſchaft einen Platz des oͤffentlichen Spazierganges haͤtte; wenigſtens dienen
die bepflanzten Zugaͤnge zugleich zu dieſem Gebrauch. Eine anfehnliche Stadt muß
in ihrem Umfang einen oder mehrere große offene Plaͤtze haben, wo ſich das Volk in
gewiſſen Zeitpunkten der Freude oder der Noth verſammeln und ſich ausbreiten kann,
wo eine freye und geſunde Luft athmet, und die Schoͤnheit des Himmels und der Land-
ſchaft ſich wieder zum Genuß eroͤffnet. Dieſe Plaͤtze machen eine vorzuͤgliche Zierde
der Staͤdte, wenn ſie mit Raſen, mit Springbrunnen, mit Bildſaͤulen geſchmuͤckt,
und von Baumpflanzungen und den ſchoͤnern Gebaͤuden umkraͤnzt ſind. Sie locken
den Fremden durch die Heiterkeit ihres Anfehens an, und unterhalten den Spazier-
gaͤnger in einer gewiſſen Lebhaftigkeit der Empfindung.

Allein außer dieſen Plaͤtzen kann eine weiſe Polizey bald in dem Bezirk der
Stadt, bald nahe vor ihren Thoren beſondere Oerter fuͤr den Spaziergang des Volks
einrichten. Bewegung, Genuß der freyen Luft, Erholung von Geſchaͤften, geſel-
lige Unterhaltung iſt die Beſtimmung ſolcher Oerter, und nach dieſer Beſtimmung
muß ihre Einrichtung und Bepflanzung abgemeſſen ſeyn. Dieſe Volksgaͤrten ſind,
nach vernuͤnftigen Grundſaͤtzen der Polizey, als ein wichtiges Beduͤrfniß des Stadt-
bewohners zu betrachten. Denn ſie erquicken ihn nicht allein nach der Muͤhe des Ta-
ges mit anmuthigen Bildern und Empfindungen; ſie ziehen ihn auch, indem ſie ihn
auf die Schauplaͤtze der Natur locken, unmerklich von den unedlen und koſtbaren Ar-
ten der ſtaͤdtiſchen Zeitverkuͤrzungen ab, und gewoͤhnen ihn allmaͤlig an das wohlfeile
Vergnuͤgen, an die ſanftere Geſelligkeit, an ein geſpraͤchiges und umgaͤngliches We-
ſen. Die verſchiedenen Staͤnde gewinnen, indem ſie ſich hier mehr einander naͤhern,

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[68/0076] Siebenter Abſchnitt. Gaͤrten, deren Charakter Siebenter Abſchnitt. Gaͤrten, deren Charakter von beſondern Beſtim- mungen abhaͤngig iſt. I. Volksgaͤrten. 1. Man wird, bey den Fortſchritten der Polizey in den neuern Zeiten, nicht leicht eine betraͤchtliche Stadt finden, die nicht in ihrem Umkreis, oder in ihrer Nachbarſchaft einen Platz des oͤffentlichen Spazierganges haͤtte; wenigſtens dienen die bepflanzten Zugaͤnge zugleich zu dieſem Gebrauch. Eine anfehnliche Stadt muß in ihrem Umfang einen oder mehrere große offene Plaͤtze haben, wo ſich das Volk in gewiſſen Zeitpunkten der Freude oder der Noth verſammeln und ſich ausbreiten kann, wo eine freye und geſunde Luft athmet, und die Schoͤnheit des Himmels und der Land- ſchaft ſich wieder zum Genuß eroͤffnet. Dieſe Plaͤtze machen eine vorzuͤgliche Zierde der Staͤdte, wenn ſie mit Raſen, mit Springbrunnen, mit Bildſaͤulen geſchmuͤckt, und von Baumpflanzungen und den ſchoͤnern Gebaͤuden umkraͤnzt ſind. Sie locken den Fremden durch die Heiterkeit ihres Anfehens an, und unterhalten den Spazier- gaͤnger in einer gewiſſen Lebhaftigkeit der Empfindung. Allein außer dieſen Plaͤtzen kann eine weiſe Polizey bald in dem Bezirk der Stadt, bald nahe vor ihren Thoren beſondere Oerter fuͤr den Spaziergang des Volks einrichten. Bewegung, Genuß der freyen Luft, Erholung von Geſchaͤften, geſel- lige Unterhaltung iſt die Beſtimmung ſolcher Oerter, und nach dieſer Beſtimmung muß ihre Einrichtung und Bepflanzung abgemeſſen ſeyn. Dieſe Volksgaͤrten ſind, nach vernuͤnftigen Grundſaͤtzen der Polizey, als ein wichtiges Beduͤrfniß des Stadt- bewohners zu betrachten. Denn ſie erquicken ihn nicht allein nach der Muͤhe des Ta- ges mit anmuthigen Bildern und Empfindungen; ſie ziehen ihn auch, indem ſie ihn auf die Schauplaͤtze der Natur locken, unmerklich von den unedlen und koſtbaren Ar- ten der ſtaͤdtiſchen Zeitverkuͤrzungen ab, und gewoͤhnen ihn allmaͤlig an das wohlfeile Vergnuͤgen, an die ſanftere Geſelligkeit, an ein geſpraͤchiges und umgaͤngliches We- ſen. Die verſchiedenen Staͤnde gewinnen, indem ſie ſich hier mehr einander naͤhern, auf

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/76>, abgerufen am 24.11.2024.