Man darf nun doch nicht sagen, daß es an einer Anleitung zur Beurtheilung und Anlage der Gärten und zu den mannichfaltigen Ar- ten der Verschönerung des Landes fehle. So lange die wahren Grund- sätze der Kunst noch unentwickelt waren, ließ es sich eher entschuldigen, wenn man immer nach englischen Zeichnungen und Planen lief, immer kopirte, was man in diesem oder jenem Garten fand, der in Ruf stand. Der Weg ist wenigstens gebahnt, worauf man nun durch Nachdenken und Studium der Natur weiter fortschreiten kann.
Der schönste Garten ist der, welcher in seiner Art ganz das ist, was er seyn kann, nach dem Genius des Orts und der Gegend; der vollkommenste Garten ist der, welcher die wenigsten Fehler hat. Wenn inzwischen noch jetzt in den neuen Anlagen so manche Verirrungen des Geschmacks erscheinen, so darf man die Schuld nicht immer den Gärt- nern oder den Anlegern beymessen. Ich habe es selbst gesehen, wie es an so manchen Höfen geht. Ist der Liebling des Fürsten oder der Gartendirector ein Ingenieur, so muß der Garten Wälle und Ver- schanzungen aufnehmen. Ist er ein französischer Marquis, so schlägt er Labyrinthe, Theater und Tombeaux des Poetes dramatiques vor. Kennt er nur Versailles, Marly u. s. w., so müssen die Bäume und Gebüsche sich in die kunstreichste Architectur umbilden lassen. Hat er nur die neuen Anlagen um Paris gesehen, so wird der Bezirk mit chi- nefischen Thürmchen, Moscheen, Kiosken u. s. w. bunt genug ver- ziert werden. Leitet eine geistlose Hofdame die Anordnung, so wird sie die schönsten Plätze mit kleinen Spielwerken verderben. Bey allen diesen Thorheiten und Künsteleyen ist immer das Gewöhnliche auch das Schlimmste, nämlich, daß aufgeklärte Gartenkenner, die weit darüber hinaussehen, nicht gefragt oder doch nicht gehört werden. Der hirn- lose Hofschranze weiß sie bald zu überschreyen. Dieß ist auch die Ur-
sache,
Vorbericht.
Man darf nun doch nicht ſagen, daß es an einer Anleitung zur Beurtheilung und Anlage der Gaͤrten und zu den mannichfaltigen Ar- ten der Verſchoͤnerung des Landes fehle. So lange die wahren Grund- ſaͤtze der Kunſt noch unentwickelt waren, ließ es ſich eher entſchuldigen, wenn man immer nach engliſchen Zeichnungen und Planen lief, immer kopirte, was man in dieſem oder jenem Garten fand, der in Ruf ſtand. Der Weg iſt wenigſtens gebahnt, worauf man nun durch Nachdenken und Studium der Natur weiter fortſchreiten kann.
Der ſchoͤnſte Garten iſt der, welcher in ſeiner Art ganz das iſt, was er ſeyn kann, nach dem Genius des Orts und der Gegend; der vollkommenſte Garten iſt der, welcher die wenigſten Fehler hat. Wenn inzwiſchen noch jetzt in den neuen Anlagen ſo manche Verirrungen des Geſchmacks erſcheinen, ſo darf man die Schuld nicht immer den Gaͤrt- nern oder den Anlegern beymeſſen. Ich habe es ſelbſt geſehen, wie es an ſo manchen Hoͤfen geht. Iſt der Liebling des Fuͤrſten oder der Gartendirector ein Ingenieur, ſo muß der Garten Waͤlle und Ver- ſchanzungen aufnehmen. Iſt er ein franzoͤſiſcher Marquis, ſo ſchlaͤgt er Labyrinthe, Theater und Tombeaux des Poëtes dramatiques vor. Kennt er nur Verſailles, Marly u. ſ. w., ſo muͤſſen die Baͤume und Gebuͤſche ſich in die kunſtreichſte Architectur umbilden laſſen. Hat er nur die neuen Anlagen um Paris geſehen, ſo wird der Bezirk mit chi- nefiſchen Thuͤrmchen, Moſcheen, Kiosken u. ſ. w. bunt genug ver- ziert werden. Leitet eine geiſtloſe Hofdame die Anordnung, ſo wird ſie die ſchoͤnſten Plaͤtze mit kleinen Spielwerken verderben. Bey allen dieſen Thorheiten und Kuͤnſteleyen iſt immer das Gewoͤhnliche auch das Schlimmſte, naͤmlich, daß aufgeklaͤrte Gartenkenner, die weit daruͤber hinausſehen, nicht gefragt oder doch nicht gehoͤrt werden. Der hirn- loſe Hofſchranze weiß ſie bald zu uͤberſchreyen. Dieß iſt auch die Ur-
ſache,
<TEI><text><front><divn="1"><pbfacs="#f0006"n="VI"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#g">Vorbericht</hi>.</hi></fw><lb/><p>Man darf nun doch nicht ſagen, daß es an einer Anleitung zur<lb/>
Beurtheilung und Anlage der Gaͤrten und zu den mannichfaltigen Ar-<lb/>
ten der Verſchoͤnerung des Landes fehle. So lange die wahren Grund-<lb/>ſaͤtze der Kunſt noch unentwickelt waren, ließ es ſich eher entſchuldigen,<lb/>
wenn man immer nach <hirendition="#fr">engliſchen</hi> Zeichnungen und Planen lief, immer<lb/>
kopirte, was man in dieſem oder jenem Garten fand, der in Ruf ſtand.<lb/>
Der Weg iſt wenigſtens gebahnt, worauf man nun durch Nachdenken<lb/>
und Studium der Natur weiter fortſchreiten kann.</p><lb/><p>Der ſchoͤnſte Garten iſt der, welcher in ſeiner Art ganz das iſt,<lb/>
was er ſeyn kann, nach dem Genius des Orts und der Gegend; der<lb/>
vollkommenſte Garten iſt der, welcher die wenigſten Fehler hat. Wenn<lb/>
inzwiſchen noch jetzt in den neuen Anlagen ſo manche Verirrungen des<lb/>
Geſchmacks erſcheinen, ſo darf man die Schuld nicht immer den Gaͤrt-<lb/>
nern oder den Anlegern beymeſſen. Ich habe es ſelbſt geſehen, wie<lb/>
es an ſo manchen Hoͤfen geht. Iſt der Liebling des Fuͤrſten oder der<lb/>
Gartendirector ein Ingenieur, ſo muß der Garten Waͤlle und Ver-<lb/>ſchanzungen aufnehmen. Iſt er ein <hirendition="#fr">franzoͤſiſcher</hi> Marquis, ſo ſchlaͤgt<lb/>
er Labyrinthe, Theater und <hirendition="#aq">Tombeaux des Poëtes dramatiques</hi> vor.<lb/>
Kennt er nur <hirendition="#fr">Verſailles, Marly</hi> u. ſ. w., ſo muͤſſen die Baͤume und<lb/>
Gebuͤſche ſich in die kunſtreichſte Architectur umbilden laſſen. Hat er<lb/>
nur die neuen Anlagen um <hirendition="#fr">Paris</hi> geſehen, ſo wird der Bezirk mit <hirendition="#fr">chi-<lb/>
nefiſchen</hi> Thuͤrmchen, Moſcheen, Kiosken u. ſ. w. bunt genug ver-<lb/>
ziert werden. Leitet eine geiſtloſe Hofdame die Anordnung, ſo wird<lb/>ſie die ſchoͤnſten Plaͤtze mit kleinen Spielwerken verderben. Bey allen<lb/>
dieſen Thorheiten und Kuͤnſteleyen iſt immer das Gewoͤhnliche auch das<lb/>
Schlimmſte, naͤmlich, daß aufgeklaͤrte Gartenkenner, die weit daruͤber<lb/>
hinausſehen, nicht gefragt oder doch nicht gehoͤrt werden. Der hirn-<lb/>
loſe Hofſchranze weiß ſie bald zu uͤberſchreyen. Dieß iſt auch die Ur-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſache,</fw><lb/></p></div></front></text></TEI>
[VI/0006]
Vorbericht.
Man darf nun doch nicht ſagen, daß es an einer Anleitung zur
Beurtheilung und Anlage der Gaͤrten und zu den mannichfaltigen Ar-
ten der Verſchoͤnerung des Landes fehle. So lange die wahren Grund-
ſaͤtze der Kunſt noch unentwickelt waren, ließ es ſich eher entſchuldigen,
wenn man immer nach engliſchen Zeichnungen und Planen lief, immer
kopirte, was man in dieſem oder jenem Garten fand, der in Ruf ſtand.
Der Weg iſt wenigſtens gebahnt, worauf man nun durch Nachdenken
und Studium der Natur weiter fortſchreiten kann.
Der ſchoͤnſte Garten iſt der, welcher in ſeiner Art ganz das iſt,
was er ſeyn kann, nach dem Genius des Orts und der Gegend; der
vollkommenſte Garten iſt der, welcher die wenigſten Fehler hat. Wenn
inzwiſchen noch jetzt in den neuen Anlagen ſo manche Verirrungen des
Geſchmacks erſcheinen, ſo darf man die Schuld nicht immer den Gaͤrt-
nern oder den Anlegern beymeſſen. Ich habe es ſelbſt geſehen, wie
es an ſo manchen Hoͤfen geht. Iſt der Liebling des Fuͤrſten oder der
Gartendirector ein Ingenieur, ſo muß der Garten Waͤlle und Ver-
ſchanzungen aufnehmen. Iſt er ein franzoͤſiſcher Marquis, ſo ſchlaͤgt
er Labyrinthe, Theater und Tombeaux des Poëtes dramatiques vor.
Kennt er nur Verſailles, Marly u. ſ. w., ſo muͤſſen die Baͤume und
Gebuͤſche ſich in die kunſtreichſte Architectur umbilden laſſen. Hat er
nur die neuen Anlagen um Paris geſehen, ſo wird der Bezirk mit chi-
nefiſchen Thuͤrmchen, Moſcheen, Kiosken u. ſ. w. bunt genug ver-
ziert werden. Leitet eine geiſtloſe Hofdame die Anordnung, ſo wird
ſie die ſchoͤnſten Plaͤtze mit kleinen Spielwerken verderben. Bey allen
dieſen Thorheiten und Kuͤnſteleyen iſt immer das Gewoͤhnliche auch das
Schlimmſte, naͤmlich, daß aufgeklaͤrte Gartenkenner, die weit daruͤber
hinausſehen, nicht gefragt oder doch nicht gehoͤrt werden. Der hirn-
loſe Hofſchranze weiß ſie bald zu uͤberſchreyen. Dieß iſt auch die Ur-
ſache,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. VI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/6>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.