Die Parks des Adels verschönern die Landschaft, und die Gärten der Bürger die Nachbarschaft der Städte. Sehr viele ansehnliche und berühmte Städte gewin- nen von den umliegenden Gärten und Sommerhäusern eine Lebhaftigkeit, einen Glanz, ein so reiches Gemälde von Wohlstand und Ergötzung, daß alle empfindsame Reisen- de davon bis zu einem hohen Grade entzückt und gerührt werden, wenn gleich dies Gefühl bey den Einwohnern selbst durch den Einfluß der Gewohnheit schwächer wird. So ist das reizende Arnothal, in dessen Mitte die Stadt Florenz liegt, auf allen Seiten von einem Amphitheater fruchtbarer Hügel umkränzt, die mit Landhäusern und Gärten bedeckt sind; nirgends in Italien, das doch von Villen so sehr verschö- nert ist, *) erblickt man an einem Orte eine so reiche Sammlung von anmuthigen Landsitzen, die Privatpersonen gehören, als in der Nachbarschaft von dieser Stadt. So ist Marseille mit einer solchen Menge von Gärten und Sommerhäusern gleich- sam umhüllt, daß man ihre Anzahl auf ohngefähr fünftausend angiebt. **) Wenn man bis auf eine Meile gegen die Stadt kömmt, so fährt man beständig von der Höhe herunter, unter dem Genuß der prächtigsten Aussicht; denn Marseille ist auf zwey Drittheile ihres Umkreises an der östlichen und nordöstlichen Seite mit hohen Bergen und einer Menge kleiner Hügel umgeben, und diese Hügel sind so mit Landhäusern bebaut, daß die Gegend von einem Umkreis von etlichen Meilen in der Ferne einer unermeßlichen Vorstadt von Wohnungen und Gärten gleich sieht. ***) So sind außer verschiedenen andern Städten der Schweiz, +)Zürch, Bern, Lausanne und Genf rings umher auf ihren Höhen mit Landsitzen und Sommerhäusern um- kränzt. Auch in Deutschland giebt es wenige große und mittlere Städte, deren benachbarter Bezirk nicht mit Gärten und Landhäusern belebt wäre. Auch geringere Plätze gewinnen von umliegenden kleinen Gartenhäusern ein Ansehen von Größe und Wohlstand. Ich bin verschiedenemale durch die hannöverische Stadt Münden auf der Straße zwischen Göttingen und Cassel gereiset, und immer von der bezau- bernden Schönheit ihrer Lage so sehr entzückt worden, daß ich mich kaum ihrem An- schauen wieder entreißen konnte. Das große reizende Thal nahe vor der Stadt, der Zusammenfluß der Fulde und der Werre, die hier zusammenstoßen, um die We- ser zu bilden, die schönen mit Waldungen bekleideten Berge auf beyden Seiten, zwi- schen ihnen die weite grüne Ebene, durch welche der erste Fluß auf der jenseitigen hessischen Gränze sich herabwindet, an den Abhängen umher die vielen kleinen Som-
merhäu-
*) S. 1sten B. S. 31.
**) Papons Reise durch die Provence. Aus dem Franz. 1783. S. 149.
***) Sulzers Reise durch die mittägli- chen Länder von Europa etc. S. 113.
+) S. 1sten Band S. 34-35.
Sechster Abſchnitt. Gaͤrten
Die Parks des Adels verſchoͤnern die Landſchaft, und die Gaͤrten der Buͤrger die Nachbarſchaft der Staͤdte. Sehr viele anſehnliche und beruͤhmte Staͤdte gewin- nen von den umliegenden Gaͤrten und Sommerhaͤuſern eine Lebhaftigkeit, einen Glanz, ein ſo reiches Gemaͤlde von Wohlſtand und Ergoͤtzung, daß alle empfindſame Reiſen- de davon bis zu einem hohen Grade entzuͤckt und geruͤhrt werden, wenn gleich dies Gefuͤhl bey den Einwohnern ſelbſt durch den Einfluß der Gewohnheit ſchwaͤcher wird. So iſt das reizende Arnothal, in deſſen Mitte die Stadt Florenz liegt, auf allen Seiten von einem Amphitheater fruchtbarer Huͤgel umkraͤnzt, die mit Landhaͤuſern und Gaͤrten bedeckt ſind; nirgends in Italien, das doch von Villen ſo ſehr verſchoͤ- nert iſt, *) erblickt man an einem Orte eine ſo reiche Sammlung von anmuthigen Landſitzen, die Privatperſonen gehoͤren, als in der Nachbarſchaft von dieſer Stadt. So iſt Marſeille mit einer ſolchen Menge von Gaͤrten und Sommerhaͤuſern gleich- ſam umhuͤllt, daß man ihre Anzahl auf ohngefaͤhr fuͤnftauſend angiebt. **) Wenn man bis auf eine Meile gegen die Stadt koͤmmt, ſo faͤhrt man beſtaͤndig von der Hoͤhe herunter, unter dem Genuß der praͤchtigſten Ausſicht; denn Marſeille iſt auf zwey Drittheile ihres Umkreiſes an der oͤſtlichen und nordoͤſtlichen Seite mit hohen Bergen und einer Menge kleiner Huͤgel umgeben, und dieſe Huͤgel ſind ſo mit Landhaͤuſern bebaut, daß die Gegend von einem Umkreis von etlichen Meilen in der Ferne einer unermeßlichen Vorſtadt von Wohnungen und Gaͤrten gleich ſieht. ***) So ſind außer verſchiedenen andern Staͤdten der Schweiz, †)Zuͤrch, Bern, Lauſanne und Genf rings umher auf ihren Hoͤhen mit Landſitzen und Sommerhaͤuſern um- kraͤnzt. Auch in Deutſchland giebt es wenige große und mittlere Staͤdte, deren benachbarter Bezirk nicht mit Gaͤrten und Landhaͤuſern belebt waͤre. Auch geringere Plaͤtze gewinnen von umliegenden kleinen Gartenhaͤuſern ein Anſehen von Groͤße und Wohlſtand. Ich bin verſchiedenemale durch die hannoͤveriſche Stadt Muͤnden auf der Straße zwiſchen Goͤttingen und Caſſel gereiſet, und immer von der bezau- bernden Schoͤnheit ihrer Lage ſo ſehr entzuͤckt worden, daß ich mich kaum ihrem An- ſchauen wieder entreißen konnte. Das große reizende Thal nahe vor der Stadt, der Zuſammenfluß der Fulde und der Werre, die hier zuſammenſtoßen, um die We- ſer zu bilden, die ſchoͤnen mit Waldungen bekleideten Berge auf beyden Seiten, zwi- ſchen ihnen die weite gruͤne Ebene, durch welche der erſte Fluß auf der jenſeitigen heſſiſchen Graͤnze ſich herabwindet, an den Abhaͤngen umher die vielen kleinen Som-
merhaͤu-
*) S. 1ſten B. S. 31.
**) Papons Reiſe durch die Provence. Aus dem Franz. 1783. S. 149.
***) Sulzers Reiſe durch die mittaͤgli- chen Laͤnder von Europa ꝛc. S. 113.
†) S. 1ſten Band S. 34-35.
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Sechster Abſchnitt. Gaͤrten
Die Parks des Adels verſchoͤnern die Landſchaft, und die Gaͤrten der Buͤrger
die Nachbarſchaft der Staͤdte. Sehr viele anſehnliche und beruͤhmte Staͤdte gewin-
nen von den umliegenden Gaͤrten und Sommerhaͤuſern eine Lebhaftigkeit, einen Glanz,
ein ſo reiches Gemaͤlde von Wohlſtand und Ergoͤtzung, daß alle empfindſame Reiſen-
de davon bis zu einem hohen Grade entzuͤckt und geruͤhrt werden, wenn gleich dies
Gefuͤhl bey den Einwohnern ſelbſt durch den Einfluß der Gewohnheit ſchwaͤcher wird.
So iſt das reizende Arnothal, in deſſen Mitte die Stadt Florenz liegt, auf allen
Seiten von einem Amphitheater fruchtbarer Huͤgel umkraͤnzt, die mit Landhaͤuſern
und Gaͤrten bedeckt ſind; nirgends in Italien, das doch von Villen ſo ſehr verſchoͤ-
nert iſt, *) erblickt man an einem Orte eine ſo reiche Sammlung von anmuthigen
Landſitzen, die Privatperſonen gehoͤren, als in der Nachbarſchaft von dieſer Stadt.
So iſt Marſeille mit einer ſolchen Menge von Gaͤrten und Sommerhaͤuſern gleich-
ſam umhuͤllt, daß man ihre Anzahl auf ohngefaͤhr fuͤnftauſend angiebt. **) Wenn
man bis auf eine Meile gegen die Stadt koͤmmt, ſo faͤhrt man beſtaͤndig von der Hoͤhe
herunter, unter dem Genuß der praͤchtigſten Ausſicht; denn Marſeille iſt auf zwey
Drittheile ihres Umkreiſes an der oͤſtlichen und nordoͤſtlichen Seite mit hohen Bergen
und einer Menge kleiner Huͤgel umgeben, und dieſe Huͤgel ſind ſo mit Landhaͤuſern
bebaut, daß die Gegend von einem Umkreis von etlichen Meilen in der Ferne einer
unermeßlichen Vorſtadt von Wohnungen und Gaͤrten gleich ſieht. ***) So ſind
außer verſchiedenen andern Staͤdten der Schweiz, †) Zuͤrch, Bern, Lauſanne
und Genf rings umher auf ihren Hoͤhen mit Landſitzen und Sommerhaͤuſern um-
kraͤnzt. Auch in Deutſchland giebt es wenige große und mittlere Staͤdte, deren
benachbarter Bezirk nicht mit Gaͤrten und Landhaͤuſern belebt waͤre. Auch geringere
Plaͤtze gewinnen von umliegenden kleinen Gartenhaͤuſern ein Anſehen von Groͤße und
Wohlſtand. Ich bin verſchiedenemale durch die hannoͤveriſche Stadt Muͤnden
auf der Straße zwiſchen Goͤttingen und Caſſel gereiſet, und immer von der bezau-
bernden Schoͤnheit ihrer Lage ſo ſehr entzuͤckt worden, daß ich mich kaum ihrem An-
ſchauen wieder entreißen konnte. Das große reizende Thal nahe vor der Stadt, der
Zuſammenfluß der Fulde und der Werre, die hier zuſammenſtoßen, um die We-
ſer zu bilden, die ſchoͤnen mit Waldungen bekleideten Berge auf beyden Seiten, zwi-
ſchen ihnen die weite gruͤne Ebene, durch welche der erſte Fluß auf der jenſeitigen
heſſiſchen Graͤnze ſich herabwindet, an den Abhaͤngen umher die vielen kleinen Som-
merhaͤu-
*) S. 1ſten B. S. 31.
**) Papons Reiſe durch die Provence.
Aus dem Franz. 1783. S. 149.
***) Sulzers Reiſe durch die mittaͤgli-
chen Laͤnder von Europa ꝛc. S. 113.
†) S. 1ſten Band S. 34-35.
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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/56>, abgerufen am 19.07.2024.
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