Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.Zweyter Anhang. Kurze Nachrichten von Gärten, Fortwachsen unter diesem milden Himmelsstrich von Deutschland zu sehen. DerHerzog wetteifert mit der Frau Reichsgräfinn in der botanischen Vertraulichkeit mit ausländischen Pflanzen. Dieser Prinz, der so mancherley Wissenschaften mit einer seltenen Wärme und Eifer zu ihrer Beförderung umfaßt, machte selbst eine Reise nach Holland und England, um die schönsten fremden Gewächse zu sehen und anzukaufen. Ich fand in Hohenheim wenig künstliche Gruppirung in den Anpflanzungen, und
Zweyter Anhang. Kurze Nachrichten von Gaͤrten, Fortwachſen unter dieſem milden Himmelsſtrich von Deutſchland zu ſehen. DerHerzog wetteifert mit der Frau Reichsgraͤfinn in der botaniſchen Vertraulichkeit mit auslaͤndiſchen Pflanzen. Dieſer Prinz, der ſo mancherley Wiſſenſchaften mit einer ſeltenen Waͤrme und Eifer zu ihrer Befoͤrderung umfaßt, machte ſelbſt eine Reiſe nach Holland und England, um die ſchoͤnſten fremden Gewaͤchſe zu ſehen und anzukaufen. Ich fand in Hohenheim wenig kuͤnſtliche Gruppirung in den Anpflanzungen, und
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Zweyter Anhang. Kurze Nachrichten von Gaͤrten,
Fortwachſen unter dieſem milden Himmelsſtrich von Deutſchland zu ſehen. Der
Herzog wetteifert mit der Frau Reichsgraͤfinn in der botaniſchen Vertraulichkeit mit
auslaͤndiſchen Pflanzen. Dieſer Prinz, der ſo mancherley Wiſſenſchaften mit einer
ſeltenen Waͤrme und Eifer zu ihrer Befoͤrderung umfaßt, machte ſelbſt eine Reiſe
nach Holland und England, um die ſchoͤnſten fremden Gewaͤchſe zu ſehen und
anzukaufen.
Ich fand in Hohenheim wenig kuͤnſtliche Gruppirung in den Anpflanzungen,
aber reizende Spaziergaͤnge und ſchoͤne Hayne von italiaͤniſchen Pappeln, mit duf-
tenden Blumengewaͤchſen und Bluͤthenſtraͤuchern durchpflanzt, belebt mit den Ge-
faͤngen der Voͤgel und dem Geraͤuſch der Baͤche. Man glaubt zuweilen in den
Hayn der Goͤttinn der Liebe in Cyprien hingezaubert zu ſeyn. Viele ſeine Frucht-
baͤume ſind in die Pflanzungen eingeſtreut. Eine faſt unerſchoͤpfliche Quelle von
Unterhaltungen ergießt ſich durch das Ganze. Man erblickt bald ein edles Monu-
ment, wie das, welches Hallern gewidmet iſt; bald ein Gebaͤude, worinn Mo-
delle von allen Werkzeugen des Feldbaues ſich befinden; bald Plaͤtze mit allen Arten
von Baͤumen, Straͤuchern und Pflanzen, die im Wuͤrtembergiſchen wild wach-
ſen; bald Reviere mit neuen Gemuͤsarten beſetzt; bald kleine Weinberge und Feigen-
pflanzungen. Dazu koͤmmt die Mannichfaltigkeit von Ideen und Erinnerungen, die
aus der Menge der abwechſelnden Gebaͤude entſpringen, und deren Genuß durch die
ſchattigte Verſchloſſenheit rings umher und durch die ruhige Entfernung von dem
Getuͤmmel der Welt ſich verſtaͤrkt. Seit etwa zehn Jahren iſt die Anlage angefan-
gen; und wie viel iſt nicht in dieſem Zeitraum vollbracht! Die Neigung eines Fuͤr-
ſten, zu pflanzen und zu bauen, iſt ſchon an ſich ſchaͤtzbar, weil ſie ihn angenehm
und ſeine Unterthanen nuͤtzlich beſchaͤftigt; allein hier iſt ſie mehr, naͤmlich Leidenſchaft
von Geſchmack geleitet, und von Kenntniſſen unterſtuͤtzt. Von der Seite der Archi-
tectur, wovon der Herzog ſchon vorher ſo manche treffliche Denkmaͤler aufgeſtellt, iſt
Hohenheim beſonders eine reiche Schule fuͤr den Kuͤnſtler. Nichts kann anmu-
thiger ſeyn, als die mannichfaltigen, feinen und geſchmackvollen Verzierungen in
den edlern Theilen der Gebaͤude. Man ſieht eine unerſchoͤpfliche Fruchtbarkeit von
Bildern, und die belebteſte bluͤhendſte Phantaſie, die ſie ſchuf. Nichts Fremdes,
noch Alltaͤgliches; alles ſo treffend, ſo gewaͤhlt, ſo rein, ſo einfaͤltig und doch ſo voll
ſuͤßer Wolluſt, daß die Haͤnde der Grazien und Liebesgoͤtter hier im Wetteifer, ein-
ander zu uͤbertreffen, geformt, gemalt und ausgeſchmuͤckt zu haben ſcheinen. Man
ſehe nur das Bad, um ganz die Wahrheit dieſer Bemerkung zu empfinden. —
Laͤndliche Ruhe, Genuͤgſamkeit, Zufriedenheit laͤcheln in ſo manchen ſanften Scenen
hervor. Und dieſe verſuͤßen hier am meiſten den Aufenthalt einer Dame voll Geiſt
und
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