Ausführung unter mehrere Jahre vertheilt, um die Freude dieser Beschäftigungen länger zu genießen.
Die Anlagen zu Hohenheim sind eben so neu, als glänzend. Man weiß, daß man sich in Italien oft mitten in den Ruinen des Alterthums anbauet, oder neue Gebäude mit den Resten römischer Gebäude verbindet. Dieser Idee ist man hier gefolgt. Man sieht hier die schönsten Reste von alten Gebäuden nachgeahmt, und diese sind unmittelbar mit Sälen und Kabinetten, im neuern Geschmack ange- legt und fein und prächtig ausgeziert, verbunden. Fast in allen Gebäuden herrscht ein starker Contrast der Uebergänge; man erstaunt, aus täuschenden Ruinen, aus zerbröckelten Felsstücken und hangendem Gemäuer sich auf einmal in glänzende Pracht- zimmer versetzt zu sehen. Nirgends sind wohl Ruinen schöner gezeichnet und ausge- führt, als hier; man glaubt in der That auf italiänischem Boden zu stehen; alles ist wahr und überraschend. So sind z. B. zu den großen Ruinen am Ende der An- lagen über 30,000 Fuder Tusstein, der sich seiner Farbe und seines gebröckelten Ansehens wegen trefflich zu diesem Bau schickt, von Canstadt einige Stunden weit hieher geführt. Die Ruinen sind das Herrlichste, was man sich in dieser Art von Nachahmung denken kann. Sie stellen mit ihrem großen, prächtigen und maleri- schen Wasserfall eine Nachbildung von der berühmten Scene zu Tivoli vor. Das Wasser, das die Sonne mit ihren Strahlen verschönert, stürzt sich aus der Mitte der ehrwürdigen Ruinen in einen tiefen senkrechten Fall herab, schäumt und brauset in dem untern Theil weiter fort, und verliert sich endlich in eine Grotte. Auf der Spitze dieser Ruinen steht eine Kirche im alten gothischen Stil, mit seltenen Fen- stern voll Malereyen auf Glase, die aus den besten Zeiten dieser jetzt verlornen Kunst sich erhalten und mit Mühe zusammengebracht sind. Alle Sculpturverzierungen, äußere und innere, und selbst der mit großen Leichensteinen voll ausgehauener, alter, gerüsteter Figuren bedeckte Fußboden, alles ist wirklich aus der Zeit, Meisterstück und Denkmal der damaligen Kunst. Hinter der Kirche sieht man seitwärts das Pfarrhaus, nicht weniger täuschend angelegt. -- Unter der Kirche laufen Kata- comben im Felsen, ganz im ächten Stil gebauet, und die Auszierungen mit Steinen und Inschristen sind wahre Alterthümer, aus Italien herbeygeholt; auf der einen Seite christliche, auf der andern heidnische Begräbnisse. Man glaubt, indem die Fackel vorgetragen wird, und das Auge auf beyden Seiten herumirret, überall sieht, was Zeit und Kostum fordern, bald eine halb zerstörte, in Stein gehauene Inschrift, bald einen Aschenkrug, worauf seitwärts von oben ein schwaches Licht in die Dämme- rung hereinschimmert, in die alten Katacomben Italiens hingezaubert zu seyn. --
Hinter
Zweyter Anhang. Kurze Nachrichten von Gaͤrten,
Ausfuͤhrung unter mehrere Jahre vertheilt, um die Freude dieſer Beſchaͤftigungen laͤnger zu genießen.
Die Anlagen zu Hohenheim ſind eben ſo neu, als glaͤnzend. Man weiß, daß man ſich in Italien oft mitten in den Ruinen des Alterthums anbauet, oder neue Gebaͤude mit den Reſten roͤmiſcher Gebaͤude verbindet. Dieſer Idee iſt man hier gefolgt. Man ſieht hier die ſchoͤnſten Reſte von alten Gebaͤuden nachgeahmt, und dieſe ſind unmittelbar mit Saͤlen und Kabinetten, im neuern Geſchmack ange- legt und fein und praͤchtig ausgeziert, verbunden. Faſt in allen Gebaͤuden herrſcht ein ſtarker Contraſt der Uebergaͤnge; man erſtaunt, aus taͤuſchenden Ruinen, aus zerbroͤckelten Felsſtuͤcken und hangendem Gemaͤuer ſich auf einmal in glaͤnzende Pracht- zimmer verſetzt zu ſehen. Nirgends ſind wohl Ruinen ſchoͤner gezeichnet und ausge- fuͤhrt, als hier; man glaubt in der That auf italiaͤniſchem Boden zu ſtehen; alles iſt wahr und uͤberraſchend. So ſind z. B. zu den großen Ruinen am Ende der An- lagen uͤber 30,000 Fuder Tuſſtein, der ſich ſeiner Farbe und ſeines gebroͤckelten Anſehens wegen trefflich zu dieſem Bau ſchickt, von Canſtadt einige Stunden weit hieher gefuͤhrt. Die Ruinen ſind das Herrlichſte, was man ſich in dieſer Art von Nachahmung denken kann. Sie ſtellen mit ihrem großen, praͤchtigen und maleri- ſchen Waſſerfall eine Nachbildung von der beruͤhmten Scene zu Tivoli vor. Das Waſſer, das die Sonne mit ihren Strahlen verſchoͤnert, ſtuͤrzt ſich aus der Mitte der ehrwuͤrdigen Ruinen in einen tiefen ſenkrechten Fall herab, ſchaͤumt und brauſet in dem untern Theil weiter fort, und verliert ſich endlich in eine Grotte. Auf der Spitze dieſer Ruinen ſteht eine Kirche im alten gothiſchen Stil, mit ſeltenen Fen- ſtern voll Malereyen auf Glaſe, die aus den beſten Zeiten dieſer jetzt verlornen Kunſt ſich erhalten und mit Muͤhe zuſammengebracht ſind. Alle Sculpturverzierungen, aͤußere und innere, und ſelbſt der mit großen Leichenſteinen voll ausgehauener, alter, geruͤſteter Figuren bedeckte Fußboden, alles iſt wirklich aus der Zeit, Meiſterſtuͤck und Denkmal der damaligen Kunſt. Hinter der Kirche ſieht man ſeitwaͤrts das Pfarrhaus, nicht weniger taͤuſchend angelegt. — Unter der Kirche laufen Kata- comben im Felſen, ganz im aͤchten Stil gebauet, und die Auszierungen mit Steinen und Inſchriſten ſind wahre Alterthuͤmer, aus Italien herbeygeholt; auf der einen Seite chriſtliche, auf der andern heidniſche Begraͤbniſſe. Man glaubt, indem die Fackel vorgetragen wird, und das Auge auf beyden Seiten herumirret, uͤberall ſieht, was Zeit und Koſtum fordern, bald eine halb zerſtoͤrte, in Stein gehauene Inſchrift, bald einen Aſchenkrug, worauf ſeitwaͤrts von oben ein ſchwaches Licht in die Daͤmme- rung hereinſchimmert, in die alten Katacomben Italiens hingezaubert zu ſeyn. —
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Zweyter Anhang. Kurze Nachrichten von Gaͤrten,
Ausfuͤhrung unter mehrere Jahre vertheilt, um die Freude dieſer Beſchaͤftigungen
laͤnger zu genießen.
Die Anlagen zu Hohenheim ſind eben ſo neu, als glaͤnzend. Man weiß,
daß man ſich in Italien oft mitten in den Ruinen des Alterthums anbauet, oder
neue Gebaͤude mit den Reſten roͤmiſcher Gebaͤude verbindet. Dieſer Idee iſt man
hier gefolgt. Man ſieht hier die ſchoͤnſten Reſte von alten Gebaͤuden nachgeahmt,
und dieſe ſind unmittelbar mit Saͤlen und Kabinetten, im neuern Geſchmack ange-
legt und fein und praͤchtig ausgeziert, verbunden. Faſt in allen Gebaͤuden herrſcht
ein ſtarker Contraſt der Uebergaͤnge; man erſtaunt, aus taͤuſchenden Ruinen, aus
zerbroͤckelten Felsſtuͤcken und hangendem Gemaͤuer ſich auf einmal in glaͤnzende Pracht-
zimmer verſetzt zu ſehen. Nirgends ſind wohl Ruinen ſchoͤner gezeichnet und ausge-
fuͤhrt, als hier; man glaubt in der That auf italiaͤniſchem Boden zu ſtehen; alles
iſt wahr und uͤberraſchend. So ſind z. B. zu den großen Ruinen am Ende der An-
lagen uͤber 30,000 Fuder Tuſſtein, der ſich ſeiner Farbe und ſeines gebroͤckelten
Anſehens wegen trefflich zu dieſem Bau ſchickt, von Canſtadt einige Stunden weit
hieher gefuͤhrt. Die Ruinen ſind das Herrlichſte, was man ſich in dieſer Art von
Nachahmung denken kann. Sie ſtellen mit ihrem großen, praͤchtigen und maleri-
ſchen Waſſerfall eine Nachbildung von der beruͤhmten Scene zu Tivoli vor. Das
Waſſer, das die Sonne mit ihren Strahlen verſchoͤnert, ſtuͤrzt ſich aus der Mitte der
ehrwuͤrdigen Ruinen in einen tiefen ſenkrechten Fall herab, ſchaͤumt und brauſet in
dem untern Theil weiter fort, und verliert ſich endlich in eine Grotte. Auf der
Spitze dieſer Ruinen ſteht eine Kirche im alten gothiſchen Stil, mit ſeltenen Fen-
ſtern voll Malereyen auf Glaſe, die aus den beſten Zeiten dieſer jetzt verlornen Kunſt
ſich erhalten und mit Muͤhe zuſammengebracht ſind. Alle Sculpturverzierungen,
aͤußere und innere, und ſelbſt der mit großen Leichenſteinen voll ausgehauener, alter,
geruͤſteter Figuren bedeckte Fußboden, alles iſt wirklich aus der Zeit, Meiſterſtuͤck
und Denkmal der damaligen Kunſt. Hinter der Kirche ſieht man ſeitwaͤrts das
Pfarrhaus, nicht weniger taͤuſchend angelegt. — Unter der Kirche laufen Kata-
comben im Felſen, ganz im aͤchten Stil gebauet, und die Auszierungen mit Steinen
und Inſchriſten ſind wahre Alterthuͤmer, aus Italien herbeygeholt; auf der einen
Seite chriſtliche, auf der andern heidniſche Begraͤbniſſe. Man glaubt, indem die
Fackel vorgetragen wird, und das Auge auf beyden Seiten herumirret, uͤberall ſieht,
was Zeit und Koſtum fordern, bald eine halb zerſtoͤrte, in Stein gehauene Inſchrift,
bald einen Aſchenkrug, worauf ſeitwaͤrts von oben ein ſchwaches Licht in die Daͤmme-
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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/358>, abgerufen am 19.07.2024.
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