ein Monument des Königs Sesostris neu aufgeführt wird. Das Monument könnte nun wohl zur Täuschung nichts anders seyn, als einige von der Zeit fast ganz auf- geriebene Ruinen. Allein hier ist alles neu, vollständig und geschmückt; die Zeit hat nichts verändert. In den Gewölben des Berges kommen Begräbnisse und Mu- mien zu stehen, und die Todten soll, wie man sagt, Charon dahin bringen. Um den Berg wird der See Möris gegraben. -- Wie war es möglich, auf eine solche Idee zu fallen? Welches Interesse, welche Eindrücke kann sie haben? Ist es nicht gespielt, mit Erfindung sowohl, als mit Geld? Und diese Anlage, die Nachah- mung aus dem entfernten Alterthum seyn soll, diese ägyptische Scene mit einer tür- kischen so nahe vereinigt? Lieber hätte man hier dem Muhamed ein Monument errichten mögen.
Die Wasserkünste zeigen nicht weniger eine seltsame Erfindung. Zwey große Hirsche, im Netze gefangen und von Hunden angegriffen, müssen Wasser werfen; und bey dem Bade sieht man eine der possierlichsten Scenen, indem in dem Bassin eine Eule angebracht ist, auf welche rings umher auf Gitterwerk herum sitzende Hähne, Tauben, Pfauen, Truthüner u. s. w. Wasserstrahlen herabspeyen. --
Das Vorzügliche in dem Garten zu Schwetzingen sind die Gebäude, die in der That in einem edlen Stil ausgeführt sind. Nur ist zu wünschen, daß ihrem bestimmten Charakter gemäß auch die Plätze ausgebildet seyn möchten. Minerva hat hier ihren Tempel, wie Apoll. Ueber dem Eingang des ersten, dessen Vor- derseite auf korinthischen Säulen ruhet, erscheint die Göttinn auf einem Wagen; die Kunst überreicht ihr den Plan des Gartens, den sie billigt und auszuführen be- fiehlt. Eine sonderbare Idee! Man weiß indessen, daß diese Göttinn nie eine Gartenkennerinn gewesen. In dem Innern des Tempels sieht man ihre marmorne Statue. Der Tempel des Apoll ist eine Rotunde, die auf zwölf jonischen Säu- len ruhet. Der Gott der Künste mit seiner Leyer, von Marmor gebildet, steht in der Mitte. Das Werk ist dem Künstler nicht geglückt; der Rücken macht eine so bußfertige Beugung, als wenn er dem Rumpf des heil. Xaver zugehörte. Nicht weniger ist die Verzierung des Tempels und seines Platzes verunglückt. Was sollen bey einem Tempel des Apoll die zwey Najaden, die aus einer Urne Wasser gießen, was überhaupt diese französische Cascade, was das Gitterwerk, was die Sphinxe, was endlich die Grotte unter diesem Gebäude?
Auch das Badhaus ist ein schönes Gebäude, und von einer prächtigen Ein- richtung. Zwey schickliche Statuen, Amor und ein Faum, stehen am Eingang. Das Bad ist von Marmor. An den Wänden erscheinen sechs Nymphen mit ihren Krügen, halb erhoben in Gyps gearbeitet. Auch stehen Vasen voll Wohlgerüche
ein Monument des Koͤnigs Seſoſtris neu aufgefuͤhrt wird. Das Monument koͤnnte nun wohl zur Taͤuſchung nichts anders ſeyn, als einige von der Zeit faſt ganz auf- geriebene Ruinen. Allein hier iſt alles neu, vollſtaͤndig und geſchmuͤckt; die Zeit hat nichts veraͤndert. In den Gewoͤlben des Berges kommen Begraͤbniſſe und Mu- mien zu ſtehen, und die Todten ſoll, wie man ſagt, Charon dahin bringen. Um den Berg wird der See Moͤris gegraben. — Wie war es moͤglich, auf eine ſolche Idee zu fallen? Welches Intereſſe, welche Eindruͤcke kann ſie haben? Iſt es nicht geſpielt, mit Erfindung ſowohl, als mit Geld? Und dieſe Anlage, die Nachah- mung aus dem entfernten Alterthum ſeyn ſoll, dieſe aͤgyptiſche Scene mit einer tuͤr- kiſchen ſo nahe vereinigt? Lieber haͤtte man hier dem Muhamed ein Monument errichten moͤgen.
Die Waſſerkuͤnſte zeigen nicht weniger eine ſeltſame Erfindung. Zwey große Hirſche, im Netze gefangen und von Hunden angegriffen, muͤſſen Waſſer werfen; und bey dem Bade ſieht man eine der poſſierlichſten Scenen, indem in dem Baſſin eine Eule angebracht iſt, auf welche rings umher auf Gitterwerk herum ſitzende Haͤhne, Tauben, Pfauen, Truthuͤner u. ſ. w. Waſſerſtrahlen herabſpeyen. —
Das Vorzuͤgliche in dem Garten zu Schwetzingen ſind die Gebaͤude, die in der That in einem edlen Stil ausgefuͤhrt ſind. Nur iſt zu wuͤnſchen, daß ihrem beſtimmten Charakter gemaͤß auch die Plaͤtze ausgebildet ſeyn moͤchten. Minerva hat hier ihren Tempel, wie Apoll. Ueber dem Eingang des erſten, deſſen Vor- derſeite auf korinthiſchen Saͤulen ruhet, erſcheint die Goͤttinn auf einem Wagen; die Kunſt uͤberreicht ihr den Plan des Gartens, den ſie billigt und auszufuͤhren be- fiehlt. Eine ſonderbare Idee! Man weiß indeſſen, daß dieſe Goͤttinn nie eine Gartenkennerinn geweſen. In dem Innern des Tempels ſieht man ihre marmorne Statue. Der Tempel des Apoll iſt eine Rotunde, die auf zwoͤlf joniſchen Saͤu- len ruhet. Der Gott der Kuͤnſte mit ſeiner Leyer, von Marmor gebildet, ſteht in der Mitte. Das Werk iſt dem Kuͤnſtler nicht gegluͤckt; der Ruͤcken macht eine ſo bußfertige Beugung, als wenn er dem Rumpf des heil. Xaver zugehoͤrte. Nicht weniger iſt die Verzierung des Tempels und ſeines Platzes verungluͤckt. Was ſollen bey einem Tempel des Apoll die zwey Najaden, die aus einer Urne Waſſer gießen, was uͤberhaupt dieſe franzoͤſiſche Caſcade, was das Gitterwerk, was die Sphinxe, was endlich die Grotte unter dieſem Gebaͤude?
Auch das Badhaus iſt ein ſchoͤnes Gebaͤude, und von einer praͤchtigen Ein- richtung. Zwey ſchickliche Statuen, Amor und ein Faum, ſtehen am Eingang. Das Bad iſt von Marmor. An den Waͤnden erſcheinen ſechs Nymphen mit ihren Kruͤgen, halb erhoben in Gyps gearbeitet. Auch ſtehen Vaſen voll Wohlgeruͤche
umher.
VBand. X x
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Luſtſchloͤſſern, Landhaͤuſern, Gartengebaͤuden ꝛc.
ein Monument des Koͤnigs Seſoſtris neu aufgefuͤhrt wird. Das Monument koͤnnte
nun wohl zur Taͤuſchung nichts anders ſeyn, als einige von der Zeit faſt ganz auf-
geriebene Ruinen. Allein hier iſt alles neu, vollſtaͤndig und geſchmuͤckt; die Zeit
hat nichts veraͤndert. In den Gewoͤlben des Berges kommen Begraͤbniſſe und Mu-
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den Berg wird der See Moͤris gegraben. — Wie war es moͤglich, auf eine ſolche
Idee zu fallen? Welches Intereſſe, welche Eindruͤcke kann ſie haben? Iſt es nicht
geſpielt, mit Erfindung ſowohl, als mit Geld? Und dieſe Anlage, die Nachah-
mung aus dem entfernten Alterthum ſeyn ſoll, dieſe aͤgyptiſche Scene mit einer tuͤr-
kiſchen ſo nahe vereinigt? Lieber haͤtte man hier dem Muhamed ein Monument
errichten moͤgen.
Die Waſſerkuͤnſte zeigen nicht weniger eine ſeltſame Erfindung. Zwey große
Hirſche, im Netze gefangen und von Hunden angegriffen, muͤſſen Waſſer werfen;
und bey dem Bade ſieht man eine der poſſierlichſten Scenen, indem in dem Baſſin
eine Eule angebracht iſt, auf welche rings umher auf Gitterwerk herum ſitzende
Haͤhne, Tauben, Pfauen, Truthuͤner u. ſ. w. Waſſerſtrahlen herabſpeyen. —
Das Vorzuͤgliche in dem Garten zu Schwetzingen ſind die Gebaͤude, die in
der That in einem edlen Stil ausgefuͤhrt ſind. Nur iſt zu wuͤnſchen, daß ihrem
beſtimmten Charakter gemaͤß auch die Plaͤtze ausgebildet ſeyn moͤchten. Minerva
hat hier ihren Tempel, wie Apoll. Ueber dem Eingang des erſten, deſſen Vor-
derſeite auf korinthiſchen Saͤulen ruhet, erſcheint die Goͤttinn auf einem Wagen;
die Kunſt uͤberreicht ihr den Plan des Gartens, den ſie billigt und auszufuͤhren be-
fiehlt. Eine ſonderbare Idee! Man weiß indeſſen, daß dieſe Goͤttinn nie eine
Gartenkennerinn geweſen. In dem Innern des Tempels ſieht man ihre marmorne
Statue. Der Tempel des Apoll iſt eine Rotunde, die auf zwoͤlf joniſchen Saͤu-
len ruhet. Der Gott der Kuͤnſte mit ſeiner Leyer, von Marmor gebildet, ſteht in
der Mitte. Das Werk iſt dem Kuͤnſtler nicht gegluͤckt; der Ruͤcken macht eine ſo
bußfertige Beugung, als wenn er dem Rumpf des heil. Xaver zugehoͤrte. Nicht
weniger iſt die Verzierung des Tempels und ſeines Platzes verungluͤckt. Was ſollen
bey einem Tempel des Apoll die zwey Najaden, die aus einer Urne Waſſer gießen,
was uͤberhaupt dieſe franzoͤſiſche Caſcade, was das Gitterwerk, was die Sphinxe,
was endlich die Grotte unter dieſem Gebaͤude?
Auch das Badhaus iſt ein ſchoͤnes Gebaͤude, und von einer praͤchtigen Ein-
richtung. Zwey ſchickliche Statuen, Amor und ein Faum, ſtehen am Eingang.
Das Bad iſt von Marmor. An den Waͤnden erſcheinen ſechs Nymphen mit ihren
Kruͤgen, halb erhoben in Gyps gearbeitet. Auch ſtehen Vaſen voll Wohlgeruͤche
umher.
V Band. X x
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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/353>, abgerufen am 18.02.2025.
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