Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.Zweyter Anhang. Kurze Nachrichten von Gärten, studiren, lieber nach Italien eilen, als Deutschland kennen lernen, diese Gegen-den besuchen wollten! Der Rhein ward den Nachmittag ruhiger; der Himmel erheiterte sich. Doch zwischen
Zweyter Anhang. Kurze Nachrichten von Gaͤrten, ſtudiren, lieber nach Italien eilen, als Deutſchland kennen lernen, dieſe Gegen-den beſuchen wollten! Der Rhein ward den Nachmittag ruhiger; der Himmel erheiterte ſich. Doch zwiſchen
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0346" n="338"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Zweyter Anhang. Kurze Nachrichten von Gaͤrten,</hi></fw><lb/> ſtudiren, lieber nach <hi rendition="#fr">Italien</hi> eilen, als <hi rendition="#fr">Deutſchland</hi> kennen lernen, dieſe Gegen-<lb/> den beſuchen wollten!</p><lb/> <p>Der <hi rendition="#fr">Rhein</hi> ward den Nachmittag ruhiger; der Himmel erheiterte ſich. Doch<lb/> uͤberzogen ihn zuweilen noch ſanfte Gewoͤlke, welche den Reiz der Fernen zwiſchen den<lb/> Bergen hoben, indem ſie die Hintergruͤnde maleriſcher verduͤſterten, gegen welche<lb/> die Lebhaftigkeit der naͤhern Gegenſtaͤnde contraſtirte. Immer wechſeln, je weiter<lb/> man faͤhrt, die romantiſchen Gegenden von einer Miſchung zur andern. Man ſieht<lb/> zerfallene Schloͤſſer von den Seiten der Felſen haͤngen, alte Thuͤrme und Gemaͤuer<lb/> mit Weinbergen untermiſcht, und mit Doͤrfern, die hier kleiner ſind, und mehr ein-<lb/> ſam erſcheinen. Die letzten Ueberreſte aus laͤngſt verfloſſenen Jahrhunderten hangen<lb/> uͤber froͤhliche Winzerwohnungen herab, die vor einigen Jahren erbaut wurden.<lb/> Die Verſchließungen der Berge und die ploͤtzlichen Eroͤffnungen der Durchgaͤnge des<lb/> Stroms wechſeln faſt mit jedem Augenblick. Mit einer aͤhnlichen Abwechſelung<lb/> graͤnzt das Gebiete von verſchiedenen Landeshoheiten, der <hi rendition="#fr">maynziſchen, pfaͤlzi-<lb/> ſchen, darmſtaͤdtiſchen, trieriſchen,</hi> an den fortlaufenden Strom. Die Doͤrfer,<lb/> die Staͤdte und Fiecken liegen wieder nahe am Waſſer, und gleich hinter ihnen ſtei-<lb/> gen Berge auf, wo noch ſtehende Feſtungen mit Ruinen von Schloͤſſern auf den<lb/> Spitzen wechſeln. Kuͤhner und verwegener kann ſich die Einbildungskraft keine Lagen<lb/> bilden. Auf den duͤrreſten Felſen ziehen ſich Reben aus der Tiefe bis zu den Spitzen<lb/> hinauf; man wundert ſich zu hoͤren, daß hier <hi rendition="#fr">Deutſchlands</hi> edelſter Wein waͤchſt,<lb/> und erſchrickt zugleich bey der Vorſtellung der gefahrvollen Weinleſe. Das beſtaͤn-<lb/> dige Gelaͤute der Kloͤſter und Kirchen, das feyerlich in den Kluͤften der Berge wie-<lb/> derhallte, machte, vermiſcht mit dem hohlen Getoͤſe des an den Felſen ſich brechenden<lb/> Stroms, eine unbeſchreibliche Wirkung. Bald gleitet der <hi rendition="#fr">Rhein</hi> in einer ſanften<lb/> ruhigen Flaͤche dahin, bald ſtuͤrmt er tobend und raſſelnd zwiſchen den vielen Klippen,<lb/> die ſich unter dem Waſſer verbergen, und die in den halb verſperrten Durchgaͤngen,<lb/> wodurch ſich ſeine Flut diaͤngt, die oͤftern Wirbel des Stoms vermehren. Indeſſen<lb/> erblickt man uͤber ſich an den ſteilſten Hoͤhen, wo kaum ein menſchlicher Fuß ſtehen<lb/> kann, liebliche Weintrauben, und gleich daneben kahle Felſen oder waldigte Wild-<lb/> niſſe. Hier iſt doch endlich das Ende des Stroms, dachte ich oder wollte ich oft<lb/> denken, als auf einmal die Felſen mit ihren Vorſpruͤngen zuruͤckwichen, und einen<lb/> neuen Fortlauf uͤberſchauen ließen. An einigen Stellen ſchießen wieder die Felsmaſ-<lb/> ſen, wie ein Pfeil, in den Fluß hinab. Selbſt der Himmel war an dieſem Tage<lb/> romantiſch, wie die Erde. Seltſame Geſtalten von Wolken zogen ſich zwiſchen den<lb/> Folshoͤhen umher, und ſtanden auf den Spitzen, wie Saͤulen, wandelten ſich und<lb/> verſchwanden. Ploͤtzliche Erhellungen wechſelten mit ſchnellen Verduͤſterungen;<lb/> <fw place="bottom" type="catch">zwiſchen</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [338/0346]
Zweyter Anhang. Kurze Nachrichten von Gaͤrten,
ſtudiren, lieber nach Italien eilen, als Deutſchland kennen lernen, dieſe Gegen-
den beſuchen wollten!
Der Rhein ward den Nachmittag ruhiger; der Himmel erheiterte ſich. Doch
uͤberzogen ihn zuweilen noch ſanfte Gewoͤlke, welche den Reiz der Fernen zwiſchen den
Bergen hoben, indem ſie die Hintergruͤnde maleriſcher verduͤſterten, gegen welche
die Lebhaftigkeit der naͤhern Gegenſtaͤnde contraſtirte. Immer wechſeln, je weiter
man faͤhrt, die romantiſchen Gegenden von einer Miſchung zur andern. Man ſieht
zerfallene Schloͤſſer von den Seiten der Felſen haͤngen, alte Thuͤrme und Gemaͤuer
mit Weinbergen untermiſcht, und mit Doͤrfern, die hier kleiner ſind, und mehr ein-
ſam erſcheinen. Die letzten Ueberreſte aus laͤngſt verfloſſenen Jahrhunderten hangen
uͤber froͤhliche Winzerwohnungen herab, die vor einigen Jahren erbaut wurden.
Die Verſchließungen der Berge und die ploͤtzlichen Eroͤffnungen der Durchgaͤnge des
Stroms wechſeln faſt mit jedem Augenblick. Mit einer aͤhnlichen Abwechſelung
graͤnzt das Gebiete von verſchiedenen Landeshoheiten, der maynziſchen, pfaͤlzi-
ſchen, darmſtaͤdtiſchen, trieriſchen, an den fortlaufenden Strom. Die Doͤrfer,
die Staͤdte und Fiecken liegen wieder nahe am Waſſer, und gleich hinter ihnen ſtei-
gen Berge auf, wo noch ſtehende Feſtungen mit Ruinen von Schloͤſſern auf den
Spitzen wechſeln. Kuͤhner und verwegener kann ſich die Einbildungskraft keine Lagen
bilden. Auf den duͤrreſten Felſen ziehen ſich Reben aus der Tiefe bis zu den Spitzen
hinauf; man wundert ſich zu hoͤren, daß hier Deutſchlands edelſter Wein waͤchſt,
und erſchrickt zugleich bey der Vorſtellung der gefahrvollen Weinleſe. Das beſtaͤn-
dige Gelaͤute der Kloͤſter und Kirchen, das feyerlich in den Kluͤften der Berge wie-
derhallte, machte, vermiſcht mit dem hohlen Getoͤſe des an den Felſen ſich brechenden
Stroms, eine unbeſchreibliche Wirkung. Bald gleitet der Rhein in einer ſanften
ruhigen Flaͤche dahin, bald ſtuͤrmt er tobend und raſſelnd zwiſchen den vielen Klippen,
die ſich unter dem Waſſer verbergen, und die in den halb verſperrten Durchgaͤngen,
wodurch ſich ſeine Flut diaͤngt, die oͤftern Wirbel des Stoms vermehren. Indeſſen
erblickt man uͤber ſich an den ſteilſten Hoͤhen, wo kaum ein menſchlicher Fuß ſtehen
kann, liebliche Weintrauben, und gleich daneben kahle Felſen oder waldigte Wild-
niſſe. Hier iſt doch endlich das Ende des Stroms, dachte ich oder wollte ich oft
denken, als auf einmal die Felſen mit ihren Vorſpruͤngen zuruͤckwichen, und einen
neuen Fortlauf uͤberſchauen ließen. An einigen Stellen ſchießen wieder die Felsmaſ-
ſen, wie ein Pfeil, in den Fluß hinab. Selbſt der Himmel war an dieſem Tage
romantiſch, wie die Erde. Seltſame Geſtalten von Wolken zogen ſich zwiſchen den
Folshoͤhen umher, und ſtanden auf den Spitzen, wie Saͤulen, wandelten ſich und
verſchwanden. Ploͤtzliche Erhellungen wechſelten mit ſchnellen Verduͤſterungen;
zwiſchen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |