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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.

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Zweyter Anhang. Kurze Nachrichten von Gärten,
langer Kanal, der den Garten von einer Obstpflanzung trennt. Wie kann ein sol-
ches armseliges, schmutziges, in seinem Behältniß faulendes Wasser gefallen, wo
man den prächtigen Rhein, der sich hier in eine große Fläche ausdehnt, sehen kann?
Dieß kränkt das Auge eben so sehr, als das Ohr durch die Künsteley eines kleinen
Wasserfalls in einem Garten am Gestade der Ostsee beleidigt wird, die mit majestä-
tischen Wellen rauscht. Das Schloß zu Biberich ist von rothem Sandstein er-
bauet, und hat ein edles Ansehen, ob es gleich schon von der Zerstörung der Zeit
leidet.

Der Rhein erweitert sich viele Stunden lang in eine so ansehnliche Breite,
daß man ihn für einen großen Landsee halten sollte. Sein hellgrünes Wasser macht
gegen die Heiterkeit der Luft einen lieblichen Contrast; in einigen offenen Gegenden
schlägt er beym Winde beträchtliche Wellen. Wir hatten anfänglich nicht das gün-
stigste Wetter; es fiel zuweilen Regen, und ein starker Wind, der sich vorher erhob,
war dem kleinen Fahrzeuge entgegen. Indessen ward die Luft zuweilen wieder stille;
und durch den Nebel, der sich besonders bey den Bergen hinter dem Rheingau
herumzog und sie mehr verdüsterte, fielen an manchen Stellen sanfte Beleuchtungen
auf die Landschaft, die sie ungemein verschönerten, zumal wenn sie einen Strich von
Dörfern und Flecken trafen. Man hat auf einige Stunden ein flaches Ufer; das
zur Rechten ist das schönste, denn hier zieht sich das von Trauben und Baumfrüchten
bedeckte Rheingan hin, und ist jenseits von Bergen begränzt, die es gegen die
Nordwinde schirmen. Das Auge wird bald von einer heitern Insel im Fluß begrüßt,
bald wieder von dem langen Anblick des Rheingaus unterhalten, wo nichts als
Weinberge und Obstgärten erscheinen. Das Ufer glänzt von Dörfern und Flecken,
die ihren Wiederschein im Strom verlängern. Ihre Lage, ihre Bauart, ihre Dä-
cher von gräulichem Schiefer, dessen Farbenton besser in die Landschaft stimmt, als
das harte Roth der Ziegeln, ihre Heiterkeit, die ihnen die vielen Fenster und der
weiße Anstrich der Vorderseite geben, alles lacht mit unaussprechlicher Anmuth dem
Auge entgegen. Klöster, Kapellen, Höfe, kleine weiße Sommerhäuser, die aus
dem Grünen der Weinberge hervorlächeln, erscheinen mit diesen Dörfern, Flecken
und Städtchen in beständiger Abwechselung. In diesen reizenden Landschaften er-
schien zugleich der Johannesberg mit seinem Kloster auf der Höhe, wo der köst-
lichste Wein gedeiht. Es war eben ein wichtiges Fest der römischen Kirche, Ma-
riä Himmelfahrt, das an diesem Tage alle Ufer belebte. Ein mannichfaltiges ge-
mischtes Geläute aus so vielen Kirchen, Klöstern und Kapellen tönte den ganzen Tag
durch alle Gegenden; alle Oerter waren in Bewegung und in ihrem festlichen Schmucke;
und bald hie, bald da zogen feyerliche Schaaren, von Fahnen und Kreuzen angeführt,

den

Zweyter Anhang. Kurze Nachrichten von Gaͤrten,
langer Kanal, der den Garten von einer Obſtpflanzung trennt. Wie kann ein ſol-
ches armſeliges, ſchmutziges, in ſeinem Behaͤltniß faulendes Waſſer gefallen, wo
man den praͤchtigen Rhein, der ſich hier in eine große Flaͤche ausdehnt, ſehen kann?
Dieß kraͤnkt das Auge eben ſo ſehr, als das Ohr durch die Kuͤnſteley eines kleinen
Waſſerfalls in einem Garten am Geſtade der Oſtſee beleidigt wird, die mit majeſtaͤ-
tiſchen Wellen rauſcht. Das Schloß zu Biberich iſt von rothem Sandſtein er-
bauet, und hat ein edles Anſehen, ob es gleich ſchon von der Zerſtoͤrung der Zeit
leidet.

Der Rhein erweitert ſich viele Stunden lang in eine ſo anſehnliche Breite,
daß man ihn fuͤr einen großen Landſee halten ſollte. Sein hellgruͤnes Waſſer macht
gegen die Heiterkeit der Luft einen lieblichen Contraſt; in einigen offenen Gegenden
ſchlaͤgt er beym Winde betraͤchtliche Wellen. Wir hatten anfaͤnglich nicht das guͤn-
ſtigſte Wetter; es fiel zuweilen Regen, und ein ſtarker Wind, der ſich vorher erhob,
war dem kleinen Fahrzeuge entgegen. Indeſſen ward die Luft zuweilen wieder ſtille;
und durch den Nebel, der ſich beſonders bey den Bergen hinter dem Rheingau
herumzog und ſie mehr verduͤſterte, fielen an manchen Stellen ſanfte Beleuchtungen
auf die Landſchaft, die ſie ungemein verſchoͤnerten, zumal wenn ſie einen Strich von
Doͤrfern und Flecken trafen. Man hat auf einige Stunden ein flaches Ufer; das
zur Rechten iſt das ſchoͤnſte, denn hier zieht ſich das von Trauben und Baumfruͤchten
bedeckte Rheingan hin, und iſt jenſeits von Bergen begraͤnzt, die es gegen die
Nordwinde ſchirmen. Das Auge wird bald von einer heitern Inſel im Fluß begruͤßt,
bald wieder von dem langen Anblick des Rheingaus unterhalten, wo nichts als
Weinberge und Obſtgaͤrten erſcheinen. Das Ufer glaͤnzt von Doͤrfern und Flecken,
die ihren Wiederſchein im Strom verlaͤngern. Ihre Lage, ihre Bauart, ihre Daͤ-
cher von graͤulichem Schiefer, deſſen Farbenton beſſer in die Landſchaft ſtimmt, als
das harte Roth der Ziegeln, ihre Heiterkeit, die ihnen die vielen Fenſter und der
weiße Anſtrich der Vorderſeite geben, alles lacht mit unausſprechlicher Anmuth dem
Auge entgegen. Kloͤſter, Kapellen, Hoͤfe, kleine weiße Sommerhaͤuſer, die aus
dem Gruͤnen der Weinberge hervorlaͤcheln, erſcheinen mit dieſen Doͤrfern, Flecken
und Staͤdtchen in beſtaͤndiger Abwechſelung. In dieſen reizenden Landſchaften er-
ſchien zugleich der Johannesberg mit ſeinem Kloſter auf der Hoͤhe, wo der koͤſt-
lichſte Wein gedeiht. Es war eben ein wichtiges Feſt der roͤmiſchen Kirche, Ma-
riaͤ Himmelfahrt, das an dieſem Tage alle Ufer belebte. Ein mannichfaltiges ge-
miſchtes Gelaͤute aus ſo vielen Kirchen, Kloͤſtern und Kapellen toͤnte den ganzen Tag
durch alle Gegenden; alle Oerter waren in Bewegung und in ihrem feſtlichen Schmucke;
und bald hie, bald da zogen feyerliche Schaaren, von Fahnen und Kreuzen angefuͤhrt,

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[336/0344] Zweyter Anhang. Kurze Nachrichten von Gaͤrten, langer Kanal, der den Garten von einer Obſtpflanzung trennt. Wie kann ein ſol- ches armſeliges, ſchmutziges, in ſeinem Behaͤltniß faulendes Waſſer gefallen, wo man den praͤchtigen Rhein, der ſich hier in eine große Flaͤche ausdehnt, ſehen kann? Dieß kraͤnkt das Auge eben ſo ſehr, als das Ohr durch die Kuͤnſteley eines kleinen Waſſerfalls in einem Garten am Geſtade der Oſtſee beleidigt wird, die mit majeſtaͤ- tiſchen Wellen rauſcht. Das Schloß zu Biberich iſt von rothem Sandſtein er- bauet, und hat ein edles Anſehen, ob es gleich ſchon von der Zerſtoͤrung der Zeit leidet. Der Rhein erweitert ſich viele Stunden lang in eine ſo anſehnliche Breite, daß man ihn fuͤr einen großen Landſee halten ſollte. Sein hellgruͤnes Waſſer macht gegen die Heiterkeit der Luft einen lieblichen Contraſt; in einigen offenen Gegenden ſchlaͤgt er beym Winde betraͤchtliche Wellen. Wir hatten anfaͤnglich nicht das guͤn- ſtigſte Wetter; es fiel zuweilen Regen, und ein ſtarker Wind, der ſich vorher erhob, war dem kleinen Fahrzeuge entgegen. Indeſſen ward die Luft zuweilen wieder ſtille; und durch den Nebel, der ſich beſonders bey den Bergen hinter dem Rheingau herumzog und ſie mehr verduͤſterte, fielen an manchen Stellen ſanfte Beleuchtungen auf die Landſchaft, die ſie ungemein verſchoͤnerten, zumal wenn ſie einen Strich von Doͤrfern und Flecken trafen. Man hat auf einige Stunden ein flaches Ufer; das zur Rechten iſt das ſchoͤnſte, denn hier zieht ſich das von Trauben und Baumfruͤchten bedeckte Rheingan hin, und iſt jenſeits von Bergen begraͤnzt, die es gegen die Nordwinde ſchirmen. Das Auge wird bald von einer heitern Inſel im Fluß begruͤßt, bald wieder von dem langen Anblick des Rheingaus unterhalten, wo nichts als Weinberge und Obſtgaͤrten erſcheinen. Das Ufer glaͤnzt von Doͤrfern und Flecken, die ihren Wiederſchein im Strom verlaͤngern. Ihre Lage, ihre Bauart, ihre Daͤ- cher von graͤulichem Schiefer, deſſen Farbenton beſſer in die Landſchaft ſtimmt, als das harte Roth der Ziegeln, ihre Heiterkeit, die ihnen die vielen Fenſter und der weiße Anſtrich der Vorderſeite geben, alles lacht mit unausſprechlicher Anmuth dem Auge entgegen. Kloͤſter, Kapellen, Hoͤfe, kleine weiße Sommerhaͤuſer, die aus dem Gruͤnen der Weinberge hervorlaͤcheln, erſcheinen mit dieſen Doͤrfern, Flecken und Staͤdtchen in beſtaͤndiger Abwechſelung. In dieſen reizenden Landſchaften er- ſchien zugleich der Johannesberg mit ſeinem Kloſter auf der Hoͤhe, wo der koͤſt- lichſte Wein gedeiht. Es war eben ein wichtiges Feſt der roͤmiſchen Kirche, Ma- riaͤ Himmelfahrt, das an dieſem Tage alle Ufer belebte. Ein mannichfaltiges ge- miſchtes Gelaͤute aus ſo vielen Kirchen, Kloͤſtern und Kapellen toͤnte den ganzen Tag durch alle Gegenden; alle Oerter waren in Bewegung und in ihrem feſtlichen Schmucke; und bald hie, bald da zogen feyerliche Schaaren, von Fahnen und Kreuzen angefuͤhrt, den

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/344>, abgerufen am 24.11.2024.