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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.

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Zweyter Anhang. Kurze Nachrichten von Gärten,
die hellblaue Luft. Die majestätisch sich erhebende Säule, ihr verdünntes, silbernes,
zum Theil in Schaum aufgelöstes Wasser, die Blicke der Sonne, die darinn mit tau-
send aufblinkenden und wieder verschwindenden Lichtern spielen, das Geräusch der immer
aufsteigenden, und das Geplätscher der niederstürzenden Massen, der Schlagschatten,
der sich an den umstehenden Bäumen bewegt, zittert und fällt, alles dieß bildet hier einen
reizenden Anblick. Es ist vielleicht das einzige Springwasser, das man seiner Höhe
wegen mit einer Wonne betrachtet, die sich dem Gefühl des Erhabnen nähert. Man
wird nicht leicht müde zu sehen, wie die blendende und schäumende Pyramide empor
steigt. Sie fliegt und strebt den Wolken entgegen, stürzt zurück, und murmelt im
Stürzen, und tobt voll Unwillen, daß sie zu ohnmächtig war, sie zu erreichen. Mit
neuer Kühnheit steigt sie wieder empor, ist dem Himmel nahe, und wälzt sich, und
brauset gleich wieder im Abgrund. In veränderter Gestalt schwebt sie wieder empor;
nun hebt sie sich höher; nun scheint sie die Wolke zu fassen und in ihrer Höhe zu verweilen;
doch seht, wie sie wieder sinkt, wie alles von oben ihr nach fällt, sich stürzt, und drängt,
und mit einem wilden Getöse jagt, daß der nasse Staub weit umher zerfliegt. Die
Bäume umher, so oft sie auch schon die Gewalt des Menschen gefühlt, scheinen voll
Verwunderung dieß Werk seiner Kunst anzustaunen, und die Vögel selbst darüber
mitten in dem Lobgesang der Natur zu verstummen. Indessen schäumt die stolze Säule
immer in ihrer Höhe, blitzende Diamanten springen oben ab, fallen und verschwinden,
wie der Kronenschmuck von den Häuptern der Monarchen.

[Abbildung]

4. Im

Zweyter Anhang. Kurze Nachrichten von Gaͤrten,
die hellblaue Luft. Die majeſtaͤtiſch ſich erhebende Saͤule, ihr verduͤnntes, ſilbernes,
zum Theil in Schaum aufgeloͤſtes Waſſer, die Blicke der Sonne, die darinn mit tau-
ſend aufblinkenden und wieder verſchwindenden Lichtern ſpielen, das Geraͤuſch der immer
aufſteigenden, und das Geplaͤtſcher der niederſtuͤrzenden Maſſen, der Schlagſchatten,
der ſich an den umſtehenden Baͤumen bewegt, zittert und faͤllt, alles dieß bildet hier einen
reizenden Anblick. Es iſt vielleicht das einzige Springwaſſer, das man ſeiner Hoͤhe
wegen mit einer Wonne betrachtet, die ſich dem Gefuͤhl des Erhabnen naͤhert. Man
wird nicht leicht muͤde zu ſehen, wie die blendende und ſchaͤumende Pyramide empor
ſteigt. Sie fliegt und ſtrebt den Wolken entgegen, ſtuͤrzt zuruͤck, und murmelt im
Stuͤrzen, und tobt voll Unwillen, daß ſie zu ohnmaͤchtig war, ſie zu erreichen. Mit
neuer Kuͤhnheit ſteigt ſie wieder empor, iſt dem Himmel nahe, und waͤlzt ſich, und
brauſet gleich wieder im Abgrund. In veraͤnderter Geſtalt ſchwebt ſie wieder empor;
nun hebt ſie ſich hoͤher; nun ſcheint ſie die Wolke zu faſſen und in ihrer Hoͤhe zu verweilen;
doch ſeht, wie ſie wieder ſinkt, wie alles von oben ihr nach faͤllt, ſich ſtuͤrzt, und draͤngt,
und mit einem wilden Getoͤſe jagt, daß der naſſe Staub weit umher zerfliegt. Die
Baͤume umher, ſo oft ſie auch ſchon die Gewalt des Menſchen gefuͤhlt, ſcheinen voll
Verwunderung dieß Werk ſeiner Kunſt anzuſtaunen, und die Voͤgel ſelbſt daruͤber
mitten in dem Lobgeſang der Natur zu verſtummen. Indeſſen ſchaͤumt die ſtolze Saͤule
immer in ihrer Hoͤhe, blitzende Diamanten ſpringen oben ab, fallen und verſchwinden,
wie der Kronenſchmuck von den Haͤuptern der Monarchen.

[Abbildung]

4. Im
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[320/0328] Zweyter Anhang. Kurze Nachrichten von Gaͤrten, die hellblaue Luft. Die majeſtaͤtiſch ſich erhebende Saͤule, ihr verduͤnntes, ſilbernes, zum Theil in Schaum aufgeloͤſtes Waſſer, die Blicke der Sonne, die darinn mit tau- ſend aufblinkenden und wieder verſchwindenden Lichtern ſpielen, das Geraͤuſch der immer aufſteigenden, und das Geplaͤtſcher der niederſtuͤrzenden Maſſen, der Schlagſchatten, der ſich an den umſtehenden Baͤumen bewegt, zittert und faͤllt, alles dieß bildet hier einen reizenden Anblick. Es iſt vielleicht das einzige Springwaſſer, das man ſeiner Hoͤhe wegen mit einer Wonne betrachtet, die ſich dem Gefuͤhl des Erhabnen naͤhert. Man wird nicht leicht muͤde zu ſehen, wie die blendende und ſchaͤumende Pyramide empor ſteigt. Sie fliegt und ſtrebt den Wolken entgegen, ſtuͤrzt zuruͤck, und murmelt im Stuͤrzen, und tobt voll Unwillen, daß ſie zu ohnmaͤchtig war, ſie zu erreichen. Mit neuer Kuͤhnheit ſteigt ſie wieder empor, iſt dem Himmel nahe, und waͤlzt ſich, und brauſet gleich wieder im Abgrund. In veraͤnderter Geſtalt ſchwebt ſie wieder empor; nun hebt ſie ſich hoͤher; nun ſcheint ſie die Wolke zu faſſen und in ihrer Hoͤhe zu verweilen; doch ſeht, wie ſie wieder ſinkt, wie alles von oben ihr nach faͤllt, ſich ſtuͤrzt, und draͤngt, und mit einem wilden Getoͤſe jagt, daß der naſſe Staub weit umher zerfliegt. Die Baͤume umher, ſo oft ſie auch ſchon die Gewalt des Menſchen gefuͤhlt, ſcheinen voll Verwunderung dieß Werk ſeiner Kunſt anzuſtaunen, und die Voͤgel ſelbſt daruͤber mitten in dem Lobgeſang der Natur zu verſtummen. Indeſſen ſchaͤumt die ſtolze Saͤule immer in ihrer Hoͤhe, blitzende Diamanten ſpringen oben ab, fallen und verſchwinden, wie der Kronenſchmuck von den Haͤuptern der Monarchen. [Abbildung] 4. Im

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/328>, abgerufen am 24.11.2024.