Es ist ein überaus merkwürdiger Contrast des Geschmacks, wenn man die Zeiten Ludewigs des XIV, als le Notre erschien, und ganz Europa zu der sym- metrischen Gartenmanier verführte, mit der jetzigen Anglomanie der Franzosen vergleicht. Außer dem, was darüber bereits hin und wieder in diesem Werke ge- sagt ist *), bieten sich hier noch einige Nachrichten und Bemerkungen an, die eine Stelle zu verdienen scheinen.
Wäre le Notre**) unter einem andern König geboren, so würde vermuthlich der Geschmack dieses Mannes nicht eine so allgemeine Ausbreitung gefunden haben. Nicht allein sein Zeitalter, worinn Empfindung und Talente für die Wiederherstel- lung aller schönen Künste wieder erwachten, sondern auch der persönliche Charakter LudewigsXIV. begünstigten sein Unternehmen auf eine Art, die ihm Beyfall und Fortgang versichern mußte. Man sahe mehr auf das, was Glanz und Pracht hatte, als auf reinen Geschmack und stille Größe. Die Nation sowohl als der Hof wollten nur geblendet, nur durch das Neue und Außerordentliche angezaubert wer- den. Und es ist nicht zu läugnen, daß die Manier des le Notre gerade dieses herr- schende Vorurtheil, diesen Geschmack seiner Zeit befriedigte. Seine langen und geraden Alleen, seine Triumphbogen, seine so reich und künstlich verzierten Parterre, seine hohen Fontainen und Cascaden und die grotesken und seltsamen Verzierungen derselben, seine Grotten voll Architectur und seine Gitterwerke voll Vergoldung, seine Verschwendung der Statuen und Termen -- alles dieses mußte leicht ein Auge blenden, das falschen Glanz liebte, das diese Wunder mitten in Wildnissen entstehen sah, das an die stillen Schönheiten der Natur noch gar nicht gewöhnt war.
Le Notre war fast schon vierzig Jahr alt, als er sein erstes Werk vollendete; dieß war der Garten Vaux-le-Vicomte, nachher Vaux-le-Villars, und jetzt Praslin genannt. Der König ward von diesen Verzierungen so bezaubert, daß er ihn zum Aufseher über seine Gärten und zum Generalcontroleur seiner Gebäude machte; er überhäufte ihn mit Geschenken, gab ihm einen Adelbrief und den Orden des St. Michael. Sein vornehmstes Werk waren die Gärten von Versailles,
die
*) Man sehe 1sten Band S. 35 -- 39. 117 -- 120. 129 -- 134.
**) Andreas le Notre ward 1613 zu Pa- ris geboren und starb da 1700.
Es iſt ein uͤberaus merkwuͤrdiger Contraſt des Geſchmacks, wenn man die Zeiten Ludewigs des XIV, als le Notre erſchien, und ganz Europa zu der ſym- metriſchen Gartenmanier verfuͤhrte, mit der jetzigen Anglomanie der Franzoſen vergleicht. Außer dem, was daruͤber bereits hin und wieder in dieſem Werke ge- ſagt iſt *), bieten ſich hier noch einige Nachrichten und Bemerkungen an, die eine Stelle zu verdienen ſcheinen.
Waͤre le Notre**) unter einem andern Koͤnig geboren, ſo wuͤrde vermuthlich der Geſchmack dieſes Mannes nicht eine ſo allgemeine Ausbreitung gefunden haben. Nicht allein ſein Zeitalter, worinn Empfindung und Talente fuͤr die Wiederherſtel- lung aller ſchoͤnen Kuͤnſte wieder erwachten, ſondern auch der perſoͤnliche Charakter LudewigsXIV. beguͤnſtigten ſein Unternehmen auf eine Art, die ihm Beyfall und Fortgang verſichern mußte. Man ſahe mehr auf das, was Glanz und Pracht hatte, als auf reinen Geſchmack und ſtille Groͤße. Die Nation ſowohl als der Hof wollten nur geblendet, nur durch das Neue und Außerordentliche angezaubert wer- den. Und es iſt nicht zu laͤugnen, daß die Manier des le Notre gerade dieſes herr- ſchende Vorurtheil, dieſen Geſchmack ſeiner Zeit befriedigte. Seine langen und geraden Alleen, ſeine Triumphbogen, ſeine ſo reich und kuͤnſtlich verzierten Parterre, ſeine hohen Fontainen und Caſcaden und die grotesken und ſeltſamen Verzierungen derſelben, ſeine Grotten voll Architectur und ſeine Gitterwerke voll Vergoldung, ſeine Verſchwendung der Statuen und Termen — alles dieſes mußte leicht ein Auge blenden, das falſchen Glanz liebte, das dieſe Wunder mitten in Wildniſſen entſtehen ſah, das an die ſtillen Schoͤnheiten der Natur noch gar nicht gewoͤhnt war.
Le Notre war faſt ſchon vierzig Jahr alt, als er ſein erſtes Werk vollendete; dieß war der Garten Vaux-le-Vicomté, nachher Vaux-le-Villars, und jetzt Praslin genannt. Der Koͤnig ward von dieſen Verzierungen ſo bezaubert, daß er ihn zum Aufſeher uͤber ſeine Gaͤrten und zum Generalcontroleur ſeiner Gebaͤude machte; er uͤberhaͤufte ihn mit Geſchenken, gab ihm einen Adelbrief und den Orden des St. Michael. Sein vornehmſtes Werk waren die Gaͤrten von Verſailles,
die
*) Man ſehe 1ſten Band S. 35 — 39. 117 — 120. 129 — 134.
**) Andreas le Notre ward 1613 zu Pa- ris geboren und ſtarb da 1700.
<TEI><text><body><divn="1"><pbn="255"facs="#f0263"/><fwtype="header"place="top"><hirendition="#b">Luſtſchloͤſſern, Landhaͤuſern, Gartengebaͤuden ꝛc.</hi></fw><lb/><milestoneunit="section"rendition="#hr"/><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b"><hirendition="#aq">III.</hi><lb/><hirendition="#g">Frankreich</hi>.</hi></head><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b">1.</hi></head><lb/><p><hirendition="#in">E</hi>s iſt ein uͤberaus merkwuͤrdiger Contraſt des Geſchmacks, wenn man die Zeiten<lb/><hirendition="#fr">Ludewigs</hi> des <hirendition="#aq">XIV,</hi> als <hirendition="#fr">le Notre</hi> erſchien, und ganz <hirendition="#fr">Europa</hi> zu der ſym-<lb/>
metriſchen Gartenmanier verfuͤhrte, mit der jetzigen Anglomanie der <hirendition="#fr">Franzoſen</hi><lb/>
vergleicht. Außer dem, was daruͤber bereits hin und wieder in dieſem Werke ge-<lb/>ſagt iſt <noteplace="foot"n="*)">Man ſehe 1ſten Band S. 35 — 39.<lb/>
117 — 120. 129 — 134.</note>, bieten ſich hier noch einige Nachrichten und Bemerkungen an, die eine<lb/>
Stelle zu verdienen ſcheinen.</p><lb/><p>Waͤre <hirendition="#fr">le Notre</hi><noteplace="foot"n="**)">Andreas le Notre ward 1613 zu Pa-<lb/>
ris geboren und ſtarb da 1700.</note> unter einem andern Koͤnig geboren, ſo wuͤrde vermuthlich<lb/>
der Geſchmack dieſes Mannes nicht eine ſo allgemeine Ausbreitung gefunden haben.<lb/>
Nicht allein ſein Zeitalter, worinn Empfindung und Talente fuͤr die Wiederherſtel-<lb/>
lung aller ſchoͤnen Kuͤnſte wieder erwachten, ſondern auch der perſoͤnliche Charakter<lb/><hirendition="#fr">Ludewigs</hi><hirendition="#aq">XIV.</hi> beguͤnſtigten ſein Unternehmen auf eine Art, die ihm Beyfall und<lb/>
Fortgang verſichern mußte. Man ſahe mehr auf das, was Glanz und Pracht<lb/>
hatte, als auf reinen Geſchmack und ſtille Groͤße. Die Nation ſowohl als der Hof<lb/>
wollten nur geblendet, nur durch das Neue und Außerordentliche angezaubert wer-<lb/>
den. Und es iſt nicht zu laͤugnen, daß die Manier des <hirendition="#fr">le Notre</hi> gerade dieſes herr-<lb/>ſchende Vorurtheil, dieſen Geſchmack ſeiner Zeit befriedigte. Seine langen und<lb/>
geraden Alleen, ſeine Triumphbogen, ſeine ſo reich und kuͤnſtlich verzierten Parterre,<lb/>ſeine hohen Fontainen und Caſcaden und die grotesken und ſeltſamen Verzierungen<lb/>
derſelben, ſeine Grotten voll Architectur und ſeine Gitterwerke voll Vergoldung,<lb/>ſeine Verſchwendung der Statuen und Termen — alles dieſes mußte leicht ein Auge<lb/>
blenden, das falſchen Glanz liebte, das dieſe Wunder mitten in Wildniſſen entſtehen<lb/>ſah, das an die ſtillen Schoͤnheiten der Natur noch gar nicht gewoͤhnt war.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Le Notre</hi> war faſt ſchon vierzig Jahr alt, als er ſein erſtes Werk vollendete;<lb/>
dieß war der Garten <hirendition="#fr">Vaux-le-Vicomté,</hi> nachher <hirendition="#fr">Vaux-le-Villars,</hi> und jetzt<lb/><hirendition="#fr">Praslin</hi> genannt. Der Koͤnig ward von dieſen Verzierungen ſo bezaubert, daß<lb/>
er ihn zum Aufſeher uͤber ſeine Gaͤrten und zum Generalcontroleur ſeiner Gebaͤude<lb/>
machte; er uͤberhaͤufte ihn mit Geſchenken, gab ihm einen Adelbrief und den Orden<lb/>
des <hirendition="#fr">St. Michael.</hi> Sein vornehmſtes Werk waren die Gaͤrten von <hirendition="#fr">Verſailles,</hi><lb/><fwtype="catch"place="bottom">die</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[255/0263]
Luſtſchloͤſſern, Landhaͤuſern, Gartengebaͤuden ꝛc.
III.
Frankreich.
1.
Es iſt ein uͤberaus merkwuͤrdiger Contraſt des Geſchmacks, wenn man die Zeiten
Ludewigs des XIV, als le Notre erſchien, und ganz Europa zu der ſym-
metriſchen Gartenmanier verfuͤhrte, mit der jetzigen Anglomanie der Franzoſen
vergleicht. Außer dem, was daruͤber bereits hin und wieder in dieſem Werke ge-
ſagt iſt *), bieten ſich hier noch einige Nachrichten und Bemerkungen an, die eine
Stelle zu verdienen ſcheinen.
Waͤre le Notre **) unter einem andern Koͤnig geboren, ſo wuͤrde vermuthlich
der Geſchmack dieſes Mannes nicht eine ſo allgemeine Ausbreitung gefunden haben.
Nicht allein ſein Zeitalter, worinn Empfindung und Talente fuͤr die Wiederherſtel-
lung aller ſchoͤnen Kuͤnſte wieder erwachten, ſondern auch der perſoͤnliche Charakter
Ludewigs XIV. beguͤnſtigten ſein Unternehmen auf eine Art, die ihm Beyfall und
Fortgang verſichern mußte. Man ſahe mehr auf das, was Glanz und Pracht
hatte, als auf reinen Geſchmack und ſtille Groͤße. Die Nation ſowohl als der Hof
wollten nur geblendet, nur durch das Neue und Außerordentliche angezaubert wer-
den. Und es iſt nicht zu laͤugnen, daß die Manier des le Notre gerade dieſes herr-
ſchende Vorurtheil, dieſen Geſchmack ſeiner Zeit befriedigte. Seine langen und
geraden Alleen, ſeine Triumphbogen, ſeine ſo reich und kuͤnſtlich verzierten Parterre,
ſeine hohen Fontainen und Caſcaden und die grotesken und ſeltſamen Verzierungen
derſelben, ſeine Grotten voll Architectur und ſeine Gitterwerke voll Vergoldung,
ſeine Verſchwendung der Statuen und Termen — alles dieſes mußte leicht ein Auge
blenden, das falſchen Glanz liebte, das dieſe Wunder mitten in Wildniſſen entſtehen
ſah, das an die ſtillen Schoͤnheiten der Natur noch gar nicht gewoͤhnt war.
Le Notre war faſt ſchon vierzig Jahr alt, als er ſein erſtes Werk vollendete;
dieß war der Garten Vaux-le-Vicomté, nachher Vaux-le-Villars, und jetzt
Praslin genannt. Der Koͤnig ward von dieſen Verzierungen ſo bezaubert, daß
er ihn zum Aufſeher uͤber ſeine Gaͤrten und zum Generalcontroleur ſeiner Gebaͤude
machte; er uͤberhaͤufte ihn mit Geſchenken, gab ihm einen Adelbrief und den Orden
des St. Michael. Sein vornehmſtes Werk waren die Gaͤrten von Verſailles,
die
*) Man ſehe 1ſten Band S. 35 — 39.
117 — 120. 129 — 134.
**) Andreas le Notre ward 1613 zu Pa-
ris geboren und ſtarb da 1700.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/263>, abgerufen am 03.03.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.