Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.Beschreibungen von Gärten. der Blumen und der Freude, der Friede, die Eintracht, der Ueberfluß, alle diesehätten hier ihre Tempel und ihre Hayne, indessen daß man oben am Olymp die Gegenwart der höhern Mächte erblickte. Nichts neues aus unserer Zeit, nichts chinesisches, nichts türkisches dürfte in dieses große Gemälde sich mischen, in dieses Gemälde, das uns eine Reihe der schönsten Bilder des Alterthums rein, un- verfälscht, und harmonisch vereint, zur Täuschung des Auges und der Einbildungs- kraft, darstellen, uns aus unserm Zeitalter, und gleichsam aus dem Gefühl unsrer gewöhnlichen Existenz wegzaubern sollte, in die heitern Stunden zurück, worinn unsre Jugend so oft von den Beschreibungen der alten Dichter begeistert ward. Bey dieser Einrichtung könnten verschiedene hier wohl angelegte Scenen erhal- Der Hayn der Venus ist eine sehr anmuthige Scene. Ich fand sie einmal Das Thal der Philosophen würde ich besonders erhalten und auszubilden su- Socrates G g 2
Beſchreibungen von Gaͤrten. der Blumen und der Freude, der Friede, die Eintracht, der Ueberfluß, alle dieſehaͤtten hier ihre Tempel und ihre Hayne, indeſſen daß man oben am Olymp die Gegenwart der hoͤhern Maͤchte erblickte. Nichts neues aus unſerer Zeit, nichts chineſiſches, nichts tuͤrkiſches duͤrfte in dieſes große Gemaͤlde ſich miſchen, in dieſes Gemaͤlde, das uns eine Reihe der ſchoͤnſten Bilder des Alterthums rein, un- verfaͤlſcht, und harmoniſch vereint, zur Taͤuſchung des Auges und der Einbildungs- kraft, darſtellen, uns aus unſerm Zeitalter, und gleichſam aus dem Gefuͤhl unſrer gewoͤhnlichen Exiſtenz wegzaubern ſollte, in die heitern Stunden zuruͤck, worinn unſre Jugend ſo oft von den Beſchreibungen der alten Dichter begeiſtert ward. Bey dieſer Einrichtung koͤnnten verſchiedene hier wohl angelegte Scenen erhal- Der Hayn der Venus iſt eine ſehr anmuthige Scene. Ich fand ſie einmal Das Thal der Philoſophen wuͤrde ich beſonders erhalten und auszubilden ſu- Socrates G g 2
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Beſchreibungen von Gaͤrten.
der Blumen und der Freude, der Friede, die Eintracht, der Ueberfluß, alle dieſe
haͤtten hier ihre Tempel und ihre Hayne, indeſſen daß man oben am Olymp die
Gegenwart der hoͤhern Maͤchte erblickte. Nichts neues aus unſerer Zeit, nichts
chineſiſches, nichts tuͤrkiſches duͤrfte in dieſes große Gemaͤlde ſich miſchen, in
dieſes Gemaͤlde, das uns eine Reihe der ſchoͤnſten Bilder des Alterthums rein, un-
verfaͤlſcht, und harmoniſch vereint, zur Taͤuſchung des Auges und der Einbildungs-
kraft, darſtellen, uns aus unſerm Zeitalter, und gleichſam aus dem Gefuͤhl unſrer
gewoͤhnlichen Exiſtenz wegzaubern ſollte, in die heitern Stunden zuruͤck, worinn
unſre Jugend ſo oft von den Beſchreibungen der alten Dichter begeiſtert ward.
Bey dieſer Einrichtung koͤnnten verſchiedene hier wohl angelegte Scenen erhal-
ten, und nur weiter ausgebildet werden.
Der Hayn der Venus iſt eine ſehr anmuthige Scene. Ich fand ſie einmal
in einer maleriſchen Stellung unter einem Baum, ihren kleinen loſen Knaben an
an der Hand; ſie blickte in das umherliegende Roſengebuͤſch; eine Quelle ſprang
zwiſchen zwey Vogelhaͤuſern, wo mannichfaltige Lieder der Liebe ertoͤnten — eine
gluͤckliche Verbindung lieblicher Bilder. Im folgenden Jahr ſah ich ſie, von
dieſer Scene etwas entfernt, hinter einem franzoͤſiſchen gruͤnangeſtrichenen Git-
terwerk ſich verbergen. Warum? Den Geſichtspunkt am Ende einer auf ſie
hinlaufenden Allee zu bilden. Mit einem Dienſt, den jedes Holzſtuͤck leiſten kann,
ſollte man doch die Goͤttinn der ſuͤßeſten Empfindung nicht beſchweren. In ihr
ſchoͤnes Roſenthal wuͤrde ich ſie zuruͤckfuͤhren, hier alle zerſtreuende Gegenſtaͤnde,
die nicht hieher gehoͤren, entfernen, ſanfte von Roſen und wohlriechendem Himbeer-
ſtrauch umduftete Ruheſitze fuͤr ſie bereiten, keine ſchwermuͤthige Tannen mehr dul-
den, ſondern ihr einen Hayn von Syringen, Jasmin, Robinien, Gleditſien
pflanzen; hier ſollten einige lebhafte Waſſerfaͤlle oder auch Springbrunnen die Hei-
terkeit der Scene vermehren; die ſuͤße Saͤngerinn der Nacht ſicher wohnen, und
die Vogelhaͤuſer ſollten eine dem Verdienſt ihrer melodiereichen Bewohner mehr
angemeſſene und fuͤr den Reiz des Auges mehr anziehende Geſtalt haben.
Das Thal der Philoſophen wuͤrde ich beſonders erhalten und auszubilden ſu-
chen. Es iſt wahrlich eine neue und edle Idee, wuͤrdig der Erfindung eines
weiſen Fuͤrſten, der ſeine Regierung durch das Muſeum in Caſſel verewigte.
Man wird in der That von Verwunderung und Ehrfurcht erfuͤllt, indem man hier
von einer Wohnung zur andern, die ſo viele abgeſonderte Einſiedeleyen ſind, fort-
geht, und bey dem Eroͤffnen der Thuͤre bald dieſen, bald jenen griechiſchen Weiſen
in Lebensgroͤße natuͤrlich abgebildet, und nach dem Koſtum bekleidet, ſitzen ſieht,
in einer Beſchaͤftigung, die ihn charakteriſirt. Plato unterrichtet ſeine Schuͤler;
Socrates
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