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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.

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Beschreibungen von Gärten.
der Pyramiden Egyptens zurückgestiegen. Noch mehr. Man glaubte selbst aus
den Romanen der Ritterzeiten, aus den Gedichten des Tasso schöpfen zu dürfen;
und Armide hat hier nicht allein ihren Palast, sondern auch ihre Gärten wieder ge-
funden. Noch nicht genug. Der Türke erblickt hier seine schöngebaute Moschee,
und der Chineser seine Pagode und sein Dorf.

Bey der Menge und Verschiedenheit aller dieser Vorstellungen und Scenen
wird man leicht denken, daß sie selbst auf einem so ausgebreiteten Platz zuweilen in
einander laufen und ein Gemisch werden, welches das Auge zerstreut, und die Ein-
bildungskraft belästigt. In der That haben schon viele, die den Carlsberg besuch-
ten, diese Wirkung empfunden. Ein altes Monument, eine Pagode, eine grie-
chische
Statue, ein Bach, der den Acheron, ein andrer, der den Styx vor-
stellen soll, (ihr schönen heitern Bäche, unter welchen schrecklichen Namen murmelt
ihr dahin!) und dann auf der Höhe, an deren Fuß diese Bäche laufen, eine tür-
kische
Moschee -- fallen oft auf einmal ins Auge, und bringen eine Mischung von
Vorstellungen und Bildern hervor, die sich nicht verbinden, noch an einander reihen
lassen. Es ist nicht genug zu wollen, daß dieser oder jener Auftritt das, was sein
Name angiebt, auch wirklich für jeden Zuschauer sey, daß dieser sich eben dabey
denke, was der Gartenkünstler dachte. Das Auge läßt sich so wenig, als die Ein-
bildungskraft, Gesetze aufdringen, welche die Natur nicht kennt. Jeder Meister
eines Kunstwerks muß den unveränderlichen Wirkungen der Dinge nachgeben, auf
den Gang, den der richtig denkende Geist in seinen Vorstellungen hält, nicht weniger
achten, als auf die gerechten Forderungen des Geschmacks. Außerdem darf eine
Verschiedenheit von Scenen, die nicht zerstreuen, nicht belasten soll, nicht anders,
als in einer allmählichen Fortschreitung erscheinen; daher das Gesetz der Verschlies-
sung und Absonderung durch Vorpflanzung, das Gesetz, so lange zu verbergen,
bis es Zeit ist, zu eröffnen, d. i. bis der Geist nach der vollendeten Wirkung
des vorhergegangenen Auftritts wieder in der Verfassung ist, die folgenden mit Be-
hagung zu genießen.

Bey allen aus der Mythologie entlehnten Vorstellungen entstehen zwey Fragen:
ob sie für unser Zeitalter noch interessant genug sind, und sodann, ob sie sich in
Gartenanlagen schicken? Gewiß ist es, daß die wenigsten Menschen Kenntniß und
Einbildungskraft genug haben, um noch durch die Bilder der alten Mythologie
erwärmt zu werden. Allein es ist wohl die letzte Frage, worauf es am meisten an-
kommt. Allerdings sind einige Vorstellungen zu fürchterlich, um auch, selbst der
Wirkung des Contrastes wegen, in Gartenanlagen aufgenommen zu werden, z. B.
Pluto und die Ungeheuer seines Reichs. Gegenstände, die einen so hohen Grad

des
V Band. G g

Beſchreibungen von Gaͤrten.
der Pyramiden Egyptens zuruͤckgeſtiegen. Noch mehr. Man glaubte ſelbſt aus
den Romanen der Ritterzeiten, aus den Gedichten des Taſſo ſchoͤpfen zu duͤrfen;
und Armide hat hier nicht allein ihren Palaſt, ſondern auch ihre Gaͤrten wieder ge-
funden. Noch nicht genug. Der Tuͤrke erblickt hier ſeine ſchoͤngebaute Moſchee,
und der Chineſer ſeine Pagode und ſein Dorf.

Bey der Menge und Verſchiedenheit aller dieſer Vorſtellungen und Scenen
wird man leicht denken, daß ſie ſelbſt auf einem ſo ausgebreiteten Platz zuweilen in
einander laufen und ein Gemiſch werden, welches das Auge zerſtreut, und die Ein-
bildungskraft belaͤſtigt. In der That haben ſchon viele, die den Carlsberg beſuch-
ten, dieſe Wirkung empfunden. Ein altes Monument, eine Pagode, eine grie-
chiſche
Statue, ein Bach, der den Acheron, ein andrer, der den Styx vor-
ſtellen ſoll, (ihr ſchoͤnen heitern Baͤche, unter welchen ſchrecklichen Namen murmelt
ihr dahin!) und dann auf der Hoͤhe, an deren Fuß dieſe Baͤche laufen, eine tuͤr-
kiſche
Moſchee — fallen oft auf einmal ins Auge, und bringen eine Miſchung von
Vorſtellungen und Bildern hervor, die ſich nicht verbinden, noch an einander reihen
laſſen. Es iſt nicht genug zu wollen, daß dieſer oder jener Auftritt das, was ſein
Name angiebt, auch wirklich fuͤr jeden Zuſchauer ſey, daß dieſer ſich eben dabey
denke, was der Gartenkuͤnſtler dachte. Das Auge laͤßt ſich ſo wenig, als die Ein-
bildungskraft, Geſetze aufdringen, welche die Natur nicht kennt. Jeder Meiſter
eines Kunſtwerks muß den unveraͤnderlichen Wirkungen der Dinge nachgeben, auf
den Gang, den der richtig denkende Geiſt in ſeinen Vorſtellungen haͤlt, nicht weniger
achten, als auf die gerechten Forderungen des Geſchmacks. Außerdem darf eine
Verſchiedenheit von Scenen, die nicht zerſtreuen, nicht belaſten ſoll, nicht anders,
als in einer allmaͤhlichen Fortſchreitung erſcheinen; daher das Geſetz der Verſchlieſ-
ſung und Abſonderung durch Vorpflanzung, das Geſetz, ſo lange zu verbergen,
bis es Zeit iſt, zu eroͤffnen, d. i. bis der Geiſt nach der vollendeten Wirkung
des vorhergegangenen Auftritts wieder in der Verfaſſung iſt, die folgenden mit Be-
hagung zu genießen.

Bey allen aus der Mythologie entlehnten Vorſtellungen entſtehen zwey Fragen:
ob ſie fuͤr unſer Zeitalter noch intereſſant genug ſind, und ſodann, ob ſie ſich in
Gartenanlagen ſchicken? Gewiß iſt es, daß die wenigſten Menſchen Kenntniß und
Einbildungskraft genug haben, um noch durch die Bilder der alten Mythologie
erwaͤrmt zu werden. Allein es iſt wohl die letzte Frage, worauf es am meiſten an-
kommt. Allerdings ſind einige Vorſtellungen zu fuͤrchterlich, um auch, ſelbſt der
Wirkung des Contraſtes wegen, in Gartenanlagen aufgenommen zu werden, z. B.
Pluto und die Ungeheuer ſeines Reichs. Gegenſtaͤnde, die einen ſo hohen Grad

des
V Band. G g
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[233/0241] Beſchreibungen von Gaͤrten. der Pyramiden Egyptens zuruͤckgeſtiegen. Noch mehr. Man glaubte ſelbſt aus den Romanen der Ritterzeiten, aus den Gedichten des Taſſo ſchoͤpfen zu duͤrfen; und Armide hat hier nicht allein ihren Palaſt, ſondern auch ihre Gaͤrten wieder ge- funden. Noch nicht genug. Der Tuͤrke erblickt hier ſeine ſchoͤngebaute Moſchee, und der Chineſer ſeine Pagode und ſein Dorf. Bey der Menge und Verſchiedenheit aller dieſer Vorſtellungen und Scenen wird man leicht denken, daß ſie ſelbſt auf einem ſo ausgebreiteten Platz zuweilen in einander laufen und ein Gemiſch werden, welches das Auge zerſtreut, und die Ein- bildungskraft belaͤſtigt. In der That haben ſchon viele, die den Carlsberg beſuch- ten, dieſe Wirkung empfunden. Ein altes Monument, eine Pagode, eine grie- chiſche Statue, ein Bach, der den Acheron, ein andrer, der den Styx vor- ſtellen ſoll, (ihr ſchoͤnen heitern Baͤche, unter welchen ſchrecklichen Namen murmelt ihr dahin!) und dann auf der Hoͤhe, an deren Fuß dieſe Baͤche laufen, eine tuͤr- kiſche Moſchee — fallen oft auf einmal ins Auge, und bringen eine Miſchung von Vorſtellungen und Bildern hervor, die ſich nicht verbinden, noch an einander reihen laſſen. Es iſt nicht genug zu wollen, daß dieſer oder jener Auftritt das, was ſein Name angiebt, auch wirklich fuͤr jeden Zuſchauer ſey, daß dieſer ſich eben dabey denke, was der Gartenkuͤnſtler dachte. Das Auge laͤßt ſich ſo wenig, als die Ein- bildungskraft, Geſetze aufdringen, welche die Natur nicht kennt. Jeder Meiſter eines Kunſtwerks muß den unveraͤnderlichen Wirkungen der Dinge nachgeben, auf den Gang, den der richtig denkende Geiſt in ſeinen Vorſtellungen haͤlt, nicht weniger achten, als auf die gerechten Forderungen des Geſchmacks. Außerdem darf eine Verſchiedenheit von Scenen, die nicht zerſtreuen, nicht belaſten ſoll, nicht anders, als in einer allmaͤhlichen Fortſchreitung erſcheinen; daher das Geſetz der Verſchlieſ- ſung und Abſonderung durch Vorpflanzung, das Geſetz, ſo lange zu verbergen, bis es Zeit iſt, zu eroͤffnen, d. i. bis der Geiſt nach der vollendeten Wirkung des vorhergegangenen Auftritts wieder in der Verfaſſung iſt, die folgenden mit Be- hagung zu genießen. Bey allen aus der Mythologie entlehnten Vorſtellungen entſtehen zwey Fragen: ob ſie fuͤr unſer Zeitalter noch intereſſant genug ſind, und ſodann, ob ſie ſich in Gartenanlagen ſchicken? Gewiß iſt es, daß die wenigſten Menſchen Kenntniß und Einbildungskraft genug haben, um noch durch die Bilder der alten Mythologie erwaͤrmt zu werden. Allein es iſt wohl die letzte Frage, worauf es am meiſten an- kommt. Allerdings ſind einige Vorſtellungen zu fuͤrchterlich, um auch, ſelbſt der Wirkung des Contraſtes wegen, in Gartenanlagen aufgenommen zu werden, z. B. Pluto und die Ungeheuer ſeines Reichs. Gegenſtaͤnde, die einen ſo hohen Grad des V Band. G g

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/241>, abgerufen am 22.11.2024.