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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.

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Fünfter Abschnitt. Gärten oder Scenen

Ein freystehender mit Kabinetten umgebener cipicrinischer Saal, dem Mittag und
der Gastfreundschaft geheiligt. Die nach den vier Weltgegenden gerichteten Eingänge
stehen jedem Weltbürger offen, der mit reinen Händen und Herzen erscheint, wie
die neben dem vordern und hintern Eingange sich erhebenden Springbrunnen andeu-
ten; die Chimären mit Fruchtkörben auf den Häuptern aber laden zum Genuß der
Güter der Natur ein. Das Gebäude steht in der Mitte einer freyen Pflanzung von
schönen, geraden, edlen Fruchtbäumen, die ihre Schätze zur Kühlung der Sommer-
hitze geben, und ist inwendig nach Art der Oporotheken der Alten *) verziert. Eine
solche von frischem Obst mit Geschmack und Einsicht angeordnete Verzierung ist eben
so abwechselnd als angenehm.

Nicht minder ergötzend ist es, entweder einige Zeit vor der Tafel, oder in den
Stunden des Nachmittags, die gegen den Abend hinabfließen, sich in einem kühlen
Bade zu erfrischen. Ein Mittagsgarten kann daher in einem abgesonderten beschatte-
ten Revier ein kleines Badhaus aufnehmen. Doch schöner noch ist ein freyer Badort,
den sein Genius den Nymphen gewidmet zu haben scheint, die hier zuweilen unter dem
Schutz einer Felsenwand den Gürtel lösen, um ihren Reiz der krystallenen Flut sanfter
Wassergüsse anzuvertrauen.

[Abbildung]

III. Abend-
*) Varro de re rustica Lib. I. cap. 2 und 59.
Fuͤnfter Abſchnitt. Gaͤrten oder Scenen

Ein freyſtehender mit Kabinetten umgebener cipicriniſcher Saal, dem Mittag und
der Gaſtfreundſchaft geheiligt. Die nach den vier Weltgegenden gerichteten Eingaͤnge
ſtehen jedem Weltbuͤrger offen, der mit reinen Haͤnden und Herzen erſcheint, wie
die neben dem vordern und hintern Eingange ſich erhebenden Springbrunnen andeu-
ten; die Chimaͤren mit Fruchtkoͤrben auf den Haͤuptern aber laden zum Genuß der
Guͤter der Natur ein. Das Gebaͤude ſteht in der Mitte einer freyen Pflanzung von
ſchoͤnen, geraden, edlen Fruchtbaͤumen, die ihre Schaͤtze zur Kuͤhlung der Sommer-
hitze geben, und iſt inwendig nach Art der Oporotheken der Alten *) verziert. Eine
ſolche von friſchem Obſt mit Geſchmack und Einſicht angeordnete Verzierung iſt eben
ſo abwechſelnd als angenehm.

Nicht minder ergoͤtzend iſt es, entweder einige Zeit vor der Tafel, oder in den
Stunden des Nachmittags, die gegen den Abend hinabfließen, ſich in einem kuͤhlen
Bade zu erfriſchen. Ein Mittagsgarten kann daher in einem abgeſonderten beſchatte-
ten Revier ein kleines Badhaus aufnehmen. Doch ſchoͤner noch iſt ein freyer Badort,
den ſein Genius den Nymphen gewidmet zu haben ſcheint, die hier zuweilen unter dem
Schutz einer Felſenwand den Guͤrtel loͤſen, um ihren Reiz der kryſtallenen Flut ſanfter
Waſſerguͤſſe anzuvertrauen.

[Abbildung]

III. Abend-
*) Varro de re ruſtica Lib. I. cap. 2 und 59.
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[14/0022] Fuͤnfter Abſchnitt. Gaͤrten oder Scenen Ein freyſtehender mit Kabinetten umgebener cipicriniſcher Saal, dem Mittag und der Gaſtfreundſchaft geheiligt. Die nach den vier Weltgegenden gerichteten Eingaͤnge ſtehen jedem Weltbuͤrger offen, der mit reinen Haͤnden und Herzen erſcheint, wie die neben dem vordern und hintern Eingange ſich erhebenden Springbrunnen andeu- ten; die Chimaͤren mit Fruchtkoͤrben auf den Haͤuptern aber laden zum Genuß der Guͤter der Natur ein. Das Gebaͤude ſteht in der Mitte einer freyen Pflanzung von ſchoͤnen, geraden, edlen Fruchtbaͤumen, die ihre Schaͤtze zur Kuͤhlung der Sommer- hitze geben, und iſt inwendig nach Art der Oporotheken der Alten *) verziert. Eine ſolche von friſchem Obſt mit Geſchmack und Einſicht angeordnete Verzierung iſt eben ſo abwechſelnd als angenehm. Nicht minder ergoͤtzend iſt es, entweder einige Zeit vor der Tafel, oder in den Stunden des Nachmittags, die gegen den Abend hinabfließen, ſich in einem kuͤhlen Bade zu erfriſchen. Ein Mittagsgarten kann daher in einem abgeſonderten beſchatte- ten Revier ein kleines Badhaus aufnehmen. Doch ſchoͤner noch iſt ein freyer Badort, den ſein Genius den Nymphen gewidmet zu haben ſcheint, die hier zuweilen unter dem Schutz einer Felſenwand den Guͤrtel loͤſen, um ihren Reiz der kryſtallenen Flut ſanfter Waſſerguͤſſe anzuvertrauen. [Abbildung] III. Abend- *) Varro de re ruſtica Lib. I. cap. 2 und 59.

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/22>, abgerufen am 21.11.2024.