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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.

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Beschreibungen von Gärten.
oder das Zurückweichen der Scenen merklicher zu machen. Die Stühle, die Ruhe-
sitze, die Brücken, die Bildsäulen, alles dient dazu, die Gesichtspunkte zu bestim-
men und die Richtungen des Auges leiten zu helfen.

Nicht weniger sind die äußern Prospecte der umliegenden Landschaft mit Weis-
heit genutzt. Es sey einer der Kirchthürme der benachbarten Stadt Hannover,
wovon drey in eben so viel verschiedenen Ansichten als Obelisken in den Oeffnungen
der Gebüsche sich erheben und gerade vor dem Auge zu stehen scheinen; oder ein
Theil der Stadt und ihrer mit neuen Baumpflanzungen sich verschönernden Wälle;
oder ein anliegendes Korngefilde; oder der entfernte Hintergrund der Landschaft, ein
dunkler Wald; oder ein benachbartes Landhaus: überall sind die äußern Prospecte
in ein Eigenthum des Gartens verwandelt. Man genießt, was umher liegt, ohne
dem Eigenthümer etwas zu entziehen; man genießt vielleicht freyer und vergnügter,
als er selbst. Auch in diesem Theil der Anlage ist überall gedacht und ausgewählt.
Es sind einzelne ausgesuchte Gemälde, die durch die Anordnung der Aussichten aus
der Landschaft ausgehoben sind; sie erscheinen in verschiedenen Massen, Größen und
Stellungen; und auch hier ist die Pflanzung ein Mittel, die außer dem Bezirk des
Gartens liegenden Scenen bald frey hervortreten, bald leicht durchschimmern, bald
allmählich zurückweichen, bald sich ganz verbergen zu lassen. Die reizenden Bilder
der Natur, so wohl im Garten als in der Landschaft, wandeln gleichsam mit dem
Spatziergänger umher, wenden und verändern sich mit ihm bey jedem Schritt; ein
magisches Spiel für die Phantasie, die sich diesen Eindrücken überläßt. Eine
Gruppe, ein Busch, ein Baum schiebt sich vor; und auf einmal ist das Gemälde
verändert. Immer neue Schönheiten eröffnen sich dem aufmerksamen Spatziergän-
ger. Ein sicherer Beweis von der weisen Oekonomie, womit die Aussichten ge-
wählt und die Anlage geordnet ist. Keine plötzliche Füllung der Blicke, die sie
gleich, nachdem der erste Genuß vollendet ist, wieder darben läßt, sondern immer
fortschreitende und allmählich wachsende Unterhaltung. Man sieht hier, wie viel
auf die Kunst der Pflanzung und Anordnung der Gruppen ankommt, eine Kunst,
die noch in so wenig Gärten beobachtet ist, und wovon man in vielen Provinzen noch
gar keinen Begriff hat.

Bald nach dem Eintritt windet sich zur Linken ein Gang einem großen Ge-
bäude zu, das gleich das Auge an sich zieht. Es hat die Gestalt einer Kapelle;
ein auf der Spitze hervorragendes Kreuz und die Statue eines Heiligen über dem
Eingange, helfen die Täuschung des ersten Anblicks vermehren. Der Heilige hält
in der Rechten eine Harke, und legt mit der andern Hand hinter sich einen Bischofs-
stab nieder. Es war, wie die Legende erzählt, der heilige Paulinus zu Nola in

Italien,

Beſchreibungen von Gaͤrten.
oder das Zuruͤckweichen der Scenen merklicher zu machen. Die Stuͤhle, die Ruhe-
ſitze, die Bruͤcken, die Bildſaͤulen, alles dient dazu, die Geſichtspunkte zu beſtim-
men und die Richtungen des Auges leiten zu helfen.

Nicht weniger ſind die aͤußern Proſpecte der umliegenden Landſchaft mit Weis-
heit genutzt. Es ſey einer der Kirchthuͤrme der benachbarten Stadt Hannover,
wovon drey in eben ſo viel verſchiedenen Anſichten als Obelisken in den Oeffnungen
der Gebuͤſche ſich erheben und gerade vor dem Auge zu ſtehen ſcheinen; oder ein
Theil der Stadt und ihrer mit neuen Baumpflanzungen ſich verſchoͤnernden Waͤlle;
oder ein anliegendes Korngefilde; oder der entfernte Hintergrund der Landſchaft, ein
dunkler Wald; oder ein benachbartes Landhaus: uͤberall ſind die aͤußern Proſpecte
in ein Eigenthum des Gartens verwandelt. Man genießt, was umher liegt, ohne
dem Eigenthuͤmer etwas zu entziehen; man genießt vielleicht freyer und vergnuͤgter,
als er ſelbſt. Auch in dieſem Theil der Anlage iſt uͤberall gedacht und ausgewaͤhlt.
Es ſind einzelne ausgeſuchte Gemaͤlde, die durch die Anordnung der Ausſichten aus
der Landſchaft ausgehoben ſind; ſie erſcheinen in verſchiedenen Maſſen, Groͤßen und
Stellungen; und auch hier iſt die Pflanzung ein Mittel, die außer dem Bezirk des
Gartens liegenden Scenen bald frey hervortreten, bald leicht durchſchimmern, bald
allmaͤhlich zuruͤckweichen, bald ſich ganz verbergen zu laſſen. Die reizenden Bilder
der Natur, ſo wohl im Garten als in der Landſchaft, wandeln gleichſam mit dem
Spatziergaͤnger umher, wenden und veraͤndern ſich mit ihm bey jedem Schritt; ein
magiſches Spiel fuͤr die Phantaſie, die ſich dieſen Eindruͤcken uͤberlaͤßt. Eine
Gruppe, ein Buſch, ein Baum ſchiebt ſich vor; und auf einmal iſt das Gemaͤlde
veraͤndert. Immer neue Schoͤnheiten eroͤffnen ſich dem aufmerkſamen Spatziergaͤn-
ger. Ein ſicherer Beweis von der weiſen Oekonomie, womit die Ausſichten ge-
waͤhlt und die Anlage geordnet iſt. Keine ploͤtzliche Fuͤllung der Blicke, die ſie
gleich, nachdem der erſte Genuß vollendet iſt, wieder darben laͤßt, ſondern immer
fortſchreitende und allmaͤhlich wachſende Unterhaltung. Man ſieht hier, wie viel
auf die Kunſt der Pflanzung und Anordnung der Gruppen ankommt, eine Kunſt,
die noch in ſo wenig Gaͤrten beobachtet iſt, und wovon man in vielen Provinzen noch
gar keinen Begriff hat.

Bald nach dem Eintritt windet ſich zur Linken ein Gang einem großen Ge-
baͤude zu, das gleich das Auge an ſich zieht. Es hat die Geſtalt einer Kapelle;
ein auf der Spitze hervorragendes Kreuz und die Statue eines Heiligen uͤber dem
Eingange, helfen die Taͤuſchung des erſten Anblicks vermehren. Der Heilige haͤlt
in der Rechten eine Harke, und legt mit der andern Hand hinter ſich einen Biſchofs-
ſtab nieder. Es war, wie die Legende erzaͤhlt, der heilige Paulinus zu Nola in

Italien,
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[199/0207] Beſchreibungen von Gaͤrten. oder das Zuruͤckweichen der Scenen merklicher zu machen. Die Stuͤhle, die Ruhe- ſitze, die Bruͤcken, die Bildſaͤulen, alles dient dazu, die Geſichtspunkte zu beſtim- men und die Richtungen des Auges leiten zu helfen. Nicht weniger ſind die aͤußern Proſpecte der umliegenden Landſchaft mit Weis- heit genutzt. Es ſey einer der Kirchthuͤrme der benachbarten Stadt Hannover, wovon drey in eben ſo viel verſchiedenen Anſichten als Obelisken in den Oeffnungen der Gebuͤſche ſich erheben und gerade vor dem Auge zu ſtehen ſcheinen; oder ein Theil der Stadt und ihrer mit neuen Baumpflanzungen ſich verſchoͤnernden Waͤlle; oder ein anliegendes Korngefilde; oder der entfernte Hintergrund der Landſchaft, ein dunkler Wald; oder ein benachbartes Landhaus: uͤberall ſind die aͤußern Proſpecte in ein Eigenthum des Gartens verwandelt. Man genießt, was umher liegt, ohne dem Eigenthuͤmer etwas zu entziehen; man genießt vielleicht freyer und vergnuͤgter, als er ſelbſt. Auch in dieſem Theil der Anlage iſt uͤberall gedacht und ausgewaͤhlt. Es ſind einzelne ausgeſuchte Gemaͤlde, die durch die Anordnung der Ausſichten aus der Landſchaft ausgehoben ſind; ſie erſcheinen in verſchiedenen Maſſen, Groͤßen und Stellungen; und auch hier iſt die Pflanzung ein Mittel, die außer dem Bezirk des Gartens liegenden Scenen bald frey hervortreten, bald leicht durchſchimmern, bald allmaͤhlich zuruͤckweichen, bald ſich ganz verbergen zu laſſen. Die reizenden Bilder der Natur, ſo wohl im Garten als in der Landſchaft, wandeln gleichſam mit dem Spatziergaͤnger umher, wenden und veraͤndern ſich mit ihm bey jedem Schritt; ein magiſches Spiel fuͤr die Phantaſie, die ſich dieſen Eindruͤcken uͤberlaͤßt. Eine Gruppe, ein Buſch, ein Baum ſchiebt ſich vor; und auf einmal iſt das Gemaͤlde veraͤndert. Immer neue Schoͤnheiten eroͤffnen ſich dem aufmerkſamen Spatziergaͤn- ger. Ein ſicherer Beweis von der weiſen Oekonomie, womit die Ausſichten ge- waͤhlt und die Anlage geordnet iſt. Keine ploͤtzliche Fuͤllung der Blicke, die ſie gleich, nachdem der erſte Genuß vollendet iſt, wieder darben laͤßt, ſondern immer fortſchreitende und allmaͤhlich wachſende Unterhaltung. Man ſieht hier, wie viel auf die Kunſt der Pflanzung und Anordnung der Gruppen ankommt, eine Kunſt, die noch in ſo wenig Gaͤrten beobachtet iſt, und wovon man in vielen Provinzen noch gar keinen Begriff hat. Bald nach dem Eintritt windet ſich zur Linken ein Gang einem großen Ge- baͤude zu, das gleich das Auge an ſich zieht. Es hat die Geſtalt einer Kapelle; ein auf der Spitze hervorragendes Kreuz und die Statue eines Heiligen uͤber dem Eingange, helfen die Taͤuſchung des erſten Anblicks vermehren. Der Heilige haͤlt in der Rechten eine Harke, und legt mit der andern Hand hinter ſich einen Biſchofs- ſtab nieder. Es war, wie die Legende erzaͤhlt, der heilige Paulinus zu Nola in Italien,

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/207>, abgerufen am 24.11.2024.