Abnehmens der Blätter werden sie nicht allein niedrig gehalten, sondern sind auch fast immer laublos; sie dienen eben so wenig zur Beschattung, als sie dem Auge einen erfrischenden Anblick darstellen.
Die Landstraßen in der fruchtbaren und schönen Grafschaft Hanau gehören zu den besten, die man nur sehen kann. Sie sind so eben gebauet, und werden so sorgfältig unterhalten, daß man sie vollkommen mit der vortrefflichen Straße ver- gleichen kann, die von Kopenhagen nach Friedensburg führt. Die Obstbäume, womit einige Straßen eingefaßt sind, besonders die Wallnußbäume geben zugleich eine nützliche Verzierung; unter den Fruchtbäumen sind diese, nebst den ächten Kastanienbäumen, wegen der Beschattung wohl die schicklichsten zur Besetzung öffentlicher Wege. Einige andre Straßen dieses Gebiets sind mit Linden und Roß- kastanien bepflanzt.
Eine der merkwürdigsten Landstraßen ist die von Frankfurt am Mayn nach Maynz. Sie ist eine der besten gebaueten Straßen, so fest, so eben, daß man die vier Meilen in weniger als vier Stunden leicht hinunterrollt. Rings umher ver- breiten sich die Landschaften in eine weite Ebene, voll Fruchtbarkeit und reich an schönen Dörfern, die sich im Maynzischen so trefflich auszeichnen; zur Rechten schwellen in der Ferne der Gränze Berge empor. Hinter Höchst ist die Straße an verschiedenen Stellen mit Obstbäumen, vornehmlich mit ziemlich erwachsenen Wall- nußbäumen, bepflanzt, unter deren Schatten man hinfährt. Nichts ist reizender, als die Höhe, wo man auf einmal den Mayn und den Rhein erblickt, die in einiger Entfernung von einander daher strömen und sich beyde Maynz nähern, wo sie sich vereinigen. Diese ehrwürdige Stadt hebt sich hier zugleich mit ihrem prächtigen Dom, mit ihren vielen Kirchen, Thürmen und Palästen dem Auge stolz entgegen; und hinter ihr, wo der mit dem Mayn erweiterte Rhein sich hinabwälzt, glänzt eine der herr- lichsten Landschaften mit weit dahin dämmernden Bergen. Bey diesem Anblick schwellt der Geist zu einer hohen Wonne empor. Man kann sich den berühmtesten Hauptstädten nähern, ohne etwas von diesem neuen und erhebenden Gefühl wahrzunehmen. Der Dom mit seinen Thürmen bis in die Spitze von rothen Sandsteinen erbauet, die großen Massen der vielen Kirchen umher, worunter die der Angustiner, des St. Peter und des Ignatius zu den edelsten und prächtigsten Gebäuden dieser Art ge- hören, die Vorstellungen von Andacht und Büßungen, die sich durch die Menge der Klöster, der Kreuze, der Bilder der Heiligen am Wege, der Seele aufdringen, dazwischen der Reiz von lieblichen Weinfeldern, von Obstwäldern und Gemüsfluren, die sich immer vermehren, das mächtige stürmerische Fortströmen des stolzen Rheins, der seinen schwächern bescheidenen Bruder, den Mayn, gleichsam am Arm mit sich
dahin-
Achter Abſchn. Gartenmaͤßige Verſchoͤnerung
Abnehmens der Blaͤtter werden ſie nicht allein niedrig gehalten, ſondern ſind auch faſt immer laublos; ſie dienen eben ſo wenig zur Beſchattung, als ſie dem Auge einen erfriſchenden Anblick darſtellen.
Die Landſtraßen in der fruchtbaren und ſchoͤnen Grafſchaft Hanau gehoͤren zu den beſten, die man nur ſehen kann. Sie ſind ſo eben gebauet, und werden ſo ſorgfaͤltig unterhalten, daß man ſie vollkommen mit der vortrefflichen Straße ver- gleichen kann, die von Kopenhagen nach Friedensburg fuͤhrt. Die Obſtbaͤume, womit einige Straßen eingefaßt ſind, beſonders die Wallnußbaͤume geben zugleich eine nuͤtzliche Verzierung; unter den Fruchtbaͤumen ſind dieſe, nebſt den aͤchten Kaſtanienbaͤumen, wegen der Beſchattung wohl die ſchicklichſten zur Beſetzung oͤffentlicher Wege. Einige andre Straßen dieſes Gebiets ſind mit Linden und Roß- kaſtanien bepflanzt.
Eine der merkwuͤrdigſten Landſtraßen iſt die von Frankfurt am Mayn nach Maynz. Sie iſt eine der beſten gebaueten Straßen, ſo feſt, ſo eben, daß man die vier Meilen in weniger als vier Stunden leicht hinunterrollt. Rings umher ver- breiten ſich die Landſchaften in eine weite Ebene, voll Fruchtbarkeit und reich an ſchoͤnen Doͤrfern, die ſich im Maynziſchen ſo trefflich auszeichnen; zur Rechten ſchwellen in der Ferne der Graͤnze Berge empor. Hinter Hoͤchſt iſt die Straße an verſchiedenen Stellen mit Obſtbaͤumen, vornehmlich mit ziemlich erwachſenen Wall- nußbaͤumen, bepflanzt, unter deren Schatten man hinfaͤhrt. Nichts iſt reizender, als die Hoͤhe, wo man auf einmal den Mayn und den Rhein erblickt, die in einiger Entfernung von einander daher ſtroͤmen und ſich beyde Maynz naͤhern, wo ſie ſich vereinigen. Dieſe ehrwuͤrdige Stadt hebt ſich hier zugleich mit ihrem praͤchtigen Dom, mit ihren vielen Kirchen, Thuͤrmen und Palaͤſten dem Auge ſtolz entgegen; und hinter ihr, wo der mit dem Mayn erweiterte Rhein ſich hinabwaͤlzt, glaͤnzt eine der herr- lichſten Landſchaften mit weit dahin daͤmmernden Bergen. Bey dieſem Anblick ſchwellt der Geiſt zu einer hohen Wonne empor. Man kann ſich den beruͤhmteſten Hauptſtaͤdten naͤhern, ohne etwas von dieſem neuen und erhebenden Gefuͤhl wahrzunehmen. Der Dom mit ſeinen Thuͤrmen bis in die Spitze von rothen Sandſteinen erbauet, die großen Maſſen der vielen Kirchen umher, worunter die der Anguſtiner, des St. Peter und des Ignatius zu den edelſten und praͤchtigſten Gebaͤuden dieſer Art ge- hoͤren, die Vorſtellungen von Andacht und Buͤßungen, die ſich durch die Menge der Kloͤſter, der Kreuze, der Bilder der Heiligen am Wege, der Seele aufdringen, dazwiſchen der Reiz von lieblichen Weinfeldern, von Obſtwaͤldern und Gemuͤsfluren, die ſich immer vermehren, das maͤchtige ſtuͤrmeriſche Fortſtroͤmen des ſtolzen Rheins, der ſeinen ſchwaͤchern beſcheidenen Bruder, den Mayn, gleichſam am Arm mit ſich
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Achter Abſchn. Gartenmaͤßige Verſchoͤnerung
Abnehmens der Blaͤtter werden ſie nicht allein niedrig gehalten, ſondern ſind auch
faſt immer laublos; ſie dienen eben ſo wenig zur Beſchattung, als ſie dem Auge
einen erfriſchenden Anblick darſtellen.
Die Landſtraßen in der fruchtbaren und ſchoͤnen Grafſchaft Hanau gehoͤren
zu den beſten, die man nur ſehen kann. Sie ſind ſo eben gebauet, und werden ſo
ſorgfaͤltig unterhalten, daß man ſie vollkommen mit der vortrefflichen Straße ver-
gleichen kann, die von Kopenhagen nach Friedensburg fuͤhrt. Die Obſtbaͤume,
womit einige Straßen eingefaßt ſind, beſonders die Wallnußbaͤume geben zugleich
eine nuͤtzliche Verzierung; unter den Fruchtbaͤumen ſind dieſe, nebſt den aͤchten
Kaſtanienbaͤumen, wegen der Beſchattung wohl die ſchicklichſten zur Beſetzung
oͤffentlicher Wege. Einige andre Straßen dieſes Gebiets ſind mit Linden und Roß-
kaſtanien bepflanzt.
Eine der merkwuͤrdigſten Landſtraßen iſt die von Frankfurt am Mayn nach
Maynz. Sie iſt eine der beſten gebaueten Straßen, ſo feſt, ſo eben, daß man
die vier Meilen in weniger als vier Stunden leicht hinunterrollt. Rings umher ver-
breiten ſich die Landſchaften in eine weite Ebene, voll Fruchtbarkeit und reich an
ſchoͤnen Doͤrfern, die ſich im Maynziſchen ſo trefflich auszeichnen; zur Rechten
ſchwellen in der Ferne der Graͤnze Berge empor. Hinter Hoͤchſt iſt die Straße an
verſchiedenen Stellen mit Obſtbaͤumen, vornehmlich mit ziemlich erwachſenen Wall-
nußbaͤumen, bepflanzt, unter deren Schatten man hinfaͤhrt. Nichts iſt reizender,
als die Hoͤhe, wo man auf einmal den Mayn und den Rhein erblickt, die in einiger
Entfernung von einander daher ſtroͤmen und ſich beyde Maynz naͤhern, wo ſie ſich
vereinigen. Dieſe ehrwuͤrdige Stadt hebt ſich hier zugleich mit ihrem praͤchtigen Dom,
mit ihren vielen Kirchen, Thuͤrmen und Palaͤſten dem Auge ſtolz entgegen; und hinter
ihr, wo der mit dem Mayn erweiterte Rhein ſich hinabwaͤlzt, glaͤnzt eine der herr-
lichſten Landſchaften mit weit dahin daͤmmernden Bergen. Bey dieſem Anblick ſchwellt
der Geiſt zu einer hohen Wonne empor. Man kann ſich den beruͤhmteſten Hauptſtaͤdten
naͤhern, ohne etwas von dieſem neuen und erhebenden Gefuͤhl wahrzunehmen. Der
Dom mit ſeinen Thuͤrmen bis in die Spitze von rothen Sandſteinen erbauet, die
großen Maſſen der vielen Kirchen umher, worunter die der Anguſtiner, des St.
Peter und des Ignatius zu den edelſten und praͤchtigſten Gebaͤuden dieſer Art ge-
hoͤren, die Vorſtellungen von Andacht und Buͤßungen, die ſich durch die Menge der
Kloͤſter, der Kreuze, der Bilder der Heiligen am Wege, der Seele aufdringen,
dazwiſchen der Reiz von lieblichen Weinfeldern, von Obſtwaͤldern und Gemuͤsfluren,
die ſich immer vermehren, das maͤchtige ſtuͤrmeriſche Fortſtroͤmen des ſtolzen Rheins,
der ſeinen ſchwaͤchern beſcheidenen Bruder, den Mayn, gleichſam am Arm mit ſich
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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/196>, abgerufen am 19.07.2024.
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