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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.

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einzelner Theile eines Landsitzes.
lein für kleine Landwege in den Rittergütern, zumal in der Nachbarschaft des Wohn-
hauses, ist die Bepflanzung mit Obstbäumen mehr anzurathen. Soll sie auf
öffentlichen Landstraßen mit dem Gewinn der Früchte erweitert werden; so müßte es
in Gegenden seyn, wo Dörfer liegen, deren Bewohner sich in den Ertrag der Bäume
theilten und durch das gemeinschaftliche Interesse zur Aufsicht belebt würden. Frey-
lich wird in Ländern, wo Baumfrüchte nicht zu den Seltenheiten der Naturproducte
gehören, weniger von den Obstbäumen an den Landstraßen geraubt, oder der Raub
weniger geachtet; man darf hier nicht einmal Raub nennen, was durch eine Art von
Uebereinkunft oder durch Gebrauch ein erlaubter Genuß ist; der vorüberziehende
durstige Fremdling nimmt vor den Augen des Eigenthümers etwas Obst, ohne einen
Vorwurf zu fürchten.

Von den wilden Stämmen empfehlen sich zur Bepflanzung der Landstraßen
besonders solche Bäume, die geschwind wachsen und eine reiche Beschattung geben,
als die weiße, die gemeine schwarze und die italiänische Pappel, die Roßkastanie,
die Linde, der nordamericanische Platanus, und andere. Weiden, so nützlich sie auch
dem Landmann sind, haben als Verzierung der Landstraßen ein zu dürftiges Ansehen,
und geben zu wenig Schatten. Man könnte mit diesen und andern Bäumen ab-
wechseln, weil die gewöhnliche Manier, immer einerley auf einander folgen zu las-
sen, eben so ermüdend ist, als die gerade Linie, worinn sie erscheinen. Die schwar-
zen Pappeln, besonders die italiänische, nehmen sich fast am schönsten an dem
Rande der Landstraßen aus. Ihr gerader und hoher Wuchs, ihr leichtes und schwan-
kendes Ansehen, ihre immer beweglichen, rauschenden und reichen Laubkronen, das
schöne Grün und die lange Dauer ihrer Blätter, alle diese Eigenschaften vereinigen
sich zu einem reizenden Anblick; sie verbreiten Leben umher, und haben selbst etwas
Gesellschaftliches. Eine ungemein anmuthige Straße, mit dieser Art von Pappeln
besetzt, läuft von Durlach nach Carlsruhe. Auch die Zitterefpe gefällt dem
Auge durch das immer scherzhafte Spiel ihres Laubes, und die weiße Pappel giebt,
indem sie die schimmernde Seite ihrer Blätter zeigt und wieder umwendet, einen
malerischen Anblick. Auf der Straße von Savigliano nach Turin befanden sich,
nach Sulzers *) Bemerkung, die vortrefflichsten weißen Pappeln, die er jemals
sah. Sie thun eine bewundernswürdige Wirkung auf das Auge. Da sie etwas
dicht an einander gepflanzt sind, etwa acht Fuß aus einander, völlig gerade und
gleich hoch, graulich weiße Stämme und hohe dichtgewachsene Kronen haben, so
glaubte er sich in einer mit natürlichen Säulen umgebenen Halle oder einem Säulen-

gang
*) Tagebuch seiner Reise nach den mittäglichen Ländern von Europa im Jahr
1775--1776. Leipzig 1780. S. 290.

einzelner Theile eines Landſitzes.
lein fuͤr kleine Landwege in den Ritterguͤtern, zumal in der Nachbarſchaft des Wohn-
hauſes, iſt die Bepflanzung mit Obſtbaͤumen mehr anzurathen. Soll ſie auf
oͤffentlichen Landſtraßen mit dem Gewinn der Fruͤchte erweitert werden; ſo muͤßte es
in Gegenden ſeyn, wo Doͤrfer liegen, deren Bewohner ſich in den Ertrag der Baͤume
theilten und durch das gemeinſchaftliche Intereſſe zur Aufſicht belebt wuͤrden. Frey-
lich wird in Laͤndern, wo Baumfruͤchte nicht zu den Seltenheiten der Naturproducte
gehoͤren, weniger von den Obſtbaͤumen an den Landſtraßen geraubt, oder der Raub
weniger geachtet; man darf hier nicht einmal Raub nennen, was durch eine Art von
Uebereinkunft oder durch Gebrauch ein erlaubter Genuß iſt; der voruͤberziehende
durſtige Fremdling nimmt vor den Augen des Eigenthuͤmers etwas Obſt, ohne einen
Vorwurf zu fuͤrchten.

Von den wilden Staͤmmen empfehlen ſich zur Bepflanzung der Landſtraßen
beſonders ſolche Baͤume, die geſchwind wachſen und eine reiche Beſchattung geben,
als die weiße, die gemeine ſchwarze und die italiaͤniſche Pappel, die Roßkaſtanie,
die Linde, der nordamericaniſche Platanus, und andere. Weiden, ſo nuͤtzlich ſie auch
dem Landmann ſind, haben als Verzierung der Landſtraßen ein zu duͤrftiges Anſehen,
und geben zu wenig Schatten. Man koͤnnte mit dieſen und andern Baͤumen ab-
wechſeln, weil die gewoͤhnliche Manier, immer einerley auf einander folgen zu laſ-
ſen, eben ſo ermuͤdend iſt, als die gerade Linie, worinn ſie erſcheinen. Die ſchwar-
zen Pappeln, beſonders die italiaͤniſche, nehmen ſich faſt am ſchoͤnſten an dem
Rande der Landſtraßen aus. Ihr gerader und hoher Wuchs, ihr leichtes und ſchwan-
kendes Anſehen, ihre immer beweglichen, rauſchenden und reichen Laubkronen, das
ſchoͤne Gruͤn und die lange Dauer ihrer Blaͤtter, alle dieſe Eigenſchaften vereinigen
ſich zu einem reizenden Anblick; ſie verbreiten Leben umher, und haben ſelbſt etwas
Geſellſchaftliches. Eine ungemein anmuthige Straße, mit dieſer Art von Pappeln
beſetzt, laͤuft von Durlach nach Carlsruhe. Auch die Zitterefpe gefaͤllt dem
Auge durch das immer ſcherzhafte Spiel ihres Laubes, und die weiße Pappel giebt,
indem ſie die ſchimmernde Seite ihrer Blaͤtter zeigt und wieder umwendet, einen
maleriſchen Anblick. Auf der Straße von Savigliano nach Turin befanden ſich,
nach Sulzers *) Bemerkung, die vortrefflichſten weißen Pappeln, die er jemals
ſah. Sie thun eine bewundernswuͤrdige Wirkung auf das Auge. Da ſie etwas
dicht an einander gepflanzt ſind, etwa acht Fuß aus einander, voͤllig gerade und
gleich hoch, graulich weiße Staͤmme und hohe dichtgewachſene Kronen haben, ſo
glaubte er ſich in einer mit natuͤrlichen Saͤulen umgebenen Halle oder einem Saͤulen-

gang
*) Tagebuch ſeiner Reiſe nach den mittaͤglichen Laͤndern von Europa im Jahr
1775—1776. Leipzig 1780. S. 290.
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[183/0191] einzelner Theile eines Landſitzes. lein fuͤr kleine Landwege in den Ritterguͤtern, zumal in der Nachbarſchaft des Wohn- hauſes, iſt die Bepflanzung mit Obſtbaͤumen mehr anzurathen. Soll ſie auf oͤffentlichen Landſtraßen mit dem Gewinn der Fruͤchte erweitert werden; ſo muͤßte es in Gegenden ſeyn, wo Doͤrfer liegen, deren Bewohner ſich in den Ertrag der Baͤume theilten und durch das gemeinſchaftliche Intereſſe zur Aufſicht belebt wuͤrden. Frey- lich wird in Laͤndern, wo Baumfruͤchte nicht zu den Seltenheiten der Naturproducte gehoͤren, weniger von den Obſtbaͤumen an den Landſtraßen geraubt, oder der Raub weniger geachtet; man darf hier nicht einmal Raub nennen, was durch eine Art von Uebereinkunft oder durch Gebrauch ein erlaubter Genuß iſt; der voruͤberziehende durſtige Fremdling nimmt vor den Augen des Eigenthuͤmers etwas Obſt, ohne einen Vorwurf zu fuͤrchten. Von den wilden Staͤmmen empfehlen ſich zur Bepflanzung der Landſtraßen beſonders ſolche Baͤume, die geſchwind wachſen und eine reiche Beſchattung geben, als die weiße, die gemeine ſchwarze und die italiaͤniſche Pappel, die Roßkaſtanie, die Linde, der nordamericaniſche Platanus, und andere. Weiden, ſo nuͤtzlich ſie auch dem Landmann ſind, haben als Verzierung der Landſtraßen ein zu duͤrftiges Anſehen, und geben zu wenig Schatten. Man koͤnnte mit dieſen und andern Baͤumen ab- wechſeln, weil die gewoͤhnliche Manier, immer einerley auf einander folgen zu laſ- ſen, eben ſo ermuͤdend iſt, als die gerade Linie, worinn ſie erſcheinen. Die ſchwar- zen Pappeln, beſonders die italiaͤniſche, nehmen ſich faſt am ſchoͤnſten an dem Rande der Landſtraßen aus. Ihr gerader und hoher Wuchs, ihr leichtes und ſchwan- kendes Anſehen, ihre immer beweglichen, rauſchenden und reichen Laubkronen, das ſchoͤne Gruͤn und die lange Dauer ihrer Blaͤtter, alle dieſe Eigenſchaften vereinigen ſich zu einem reizenden Anblick; ſie verbreiten Leben umher, und haben ſelbſt etwas Geſellſchaftliches. Eine ungemein anmuthige Straße, mit dieſer Art von Pappeln beſetzt, laͤuft von Durlach nach Carlsruhe. Auch die Zitterefpe gefaͤllt dem Auge durch das immer ſcherzhafte Spiel ihres Laubes, und die weiße Pappel giebt, indem ſie die ſchimmernde Seite ihrer Blaͤtter zeigt und wieder umwendet, einen maleriſchen Anblick. Auf der Straße von Savigliano nach Turin befanden ſich, nach Sulzers *) Bemerkung, die vortrefflichſten weißen Pappeln, die er jemals ſah. Sie thun eine bewundernswuͤrdige Wirkung auf das Auge. Da ſie etwas dicht an einander gepflanzt ſind, etwa acht Fuß aus einander, voͤllig gerade und gleich hoch, graulich weiße Staͤmme und hohe dichtgewachſene Kronen haben, ſo glaubte er ſich in einer mit natuͤrlichen Saͤulen umgebenen Halle oder einem Saͤulen- gang *) Tagebuch ſeiner Reiſe nach den mittaͤglichen Laͤndern von Europa im Jahr 1775—1776. Leipzig 1780. S. 290.

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/191>, abgerufen am 22.11.2024.