Nichts kündigt lebhafter die Cultur eines Landes und den weisen Geist seiner Re- glerung an, als wohl angelegte Landstraßen. Aber auch ihr gänzlicher Man- gel fällt dem gemeinsten Begriff von öffentlicher Ordnung schon so sehr auf, daß da- durch ein nachtheiliger Schluß auf Landesherren und Obrigkeiten fast unvermeidlich wird. Es ist nicht genug, daß gute Landstraßen die Verbindung unter den verschie- denen Theilen eines Reichs erleichtern, daß sie das Reisen und den Handel befördern, daß sie die Schönheit sowohl der Städte als auch der Provinzen erhöhen. Sie sind selbst unentbehrlich, um ganze Völker vor Wildheit und Barbarey zu bewahren, um ihre Unterwürfigkeit unter dem Willen der Gesetze zu erleichtern, um den Gang der Gerechtigkeit zu beschleunigen, um die wohlthätigen Wirkungen des gesellschaftlichen Lebens und um gegenseitige Nothhülfe zu befördern.
Kein Volk hat jemals auf die Einrichtung seiner Landstraßen mehr Thätigkeit bewiesen, als die Römer, die keine Art von großen und gemeinnützigen Unterneh- mungen unterließen. Bey der ungeheuern Größe dieses Reichs beförderten die Land- straßen nicht blos die Bequemlichkeit der Reisenden, die aus allen Ländern nach Rom strömten, sondern auch die Märsche der Armeen und die schnelle Verbreitung der Verordnungen der Regierung. Man sah die Anlegung oder Verbesserung der Heer- straßen als ein so großes Verdienst an, daß der Senat deswegen dem August, dem Vespasian und dem Trajan Ehrenpforten errichtete. Die römischen Heerstraßen erstreckten sich von den äußersten abendländischen Gegenden von Europa und Africa bis in klein Asien. Sie hatten eine Länge von 1500 bis 1600 Meilen, und in dieser Länge liefen sie von Rom an gerechnet fünf und zwanzigmal durch das Reich. Man gieng durch Seen und Moräste, man durchbrach Berge und Felsen, um den Heerstraßen, so viel geschehen konnte, den kürzesten und geradesten Fortlauf zu ge- ben. Jede Meile war mit einer Säule bemerkt. Diese Meilensäulen waren bald rund, bald viereckigt, bald von einer andern Figur; acht bis neun Fuß hoch; und standen auf kleinen Fußgestellen. Sie hatten Aufschriften, welche die Meilenzahl der Entfernung von Rom anzeigten, oft zugleich als Denkmäler zum Ruhm der Wohlthäter, welche die Straße anlegen lassen, errichtet waren. Neben den Mei- lensäulen pflegten die Römer noch andere Steine hinzusetzen, die wie Stufen oder kleine Fußgestelle ausgehauen waren, und zum Ausruhen für müde Fußgänger und zum Aufsteigen der Reitenden dienten. Sie verschönerten außerdem die Seiten der
Land-
Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige Verſchoͤnerung
VII. Landſtraße.
1.
Nichts kuͤndigt lebhafter die Cultur eines Landes und den weiſen Geiſt ſeiner Re- glerung an, als wohl angelegte Landſtraßen. Aber auch ihr gaͤnzlicher Man- gel faͤllt dem gemeinſten Begriff von oͤffentlicher Ordnung ſchon ſo ſehr auf, daß da- durch ein nachtheiliger Schluß auf Landesherren und Obrigkeiten faſt unvermeidlich wird. Es iſt nicht genug, daß gute Landſtraßen die Verbindung unter den verſchie- denen Theilen eines Reichs erleichtern, daß ſie das Reiſen und den Handel befoͤrdern, daß ſie die Schoͤnheit ſowohl der Staͤdte als auch der Provinzen erhoͤhen. Sie ſind ſelbſt unentbehrlich, um ganze Voͤlker vor Wildheit und Barbarey zu bewahren, um ihre Unterwuͤrfigkeit unter dem Willen der Geſetze zu erleichtern, um den Gang der Gerechtigkeit zu beſchleunigen, um die wohlthaͤtigen Wirkungen des geſellſchaftlichen Lebens und um gegenſeitige Nothhuͤlfe zu befoͤrdern.
Kein Volk hat jemals auf die Einrichtung ſeiner Landſtraßen mehr Thaͤtigkeit bewieſen, als die Roͤmer, die keine Art von großen und gemeinnuͤtzigen Unterneh- mungen unterließen. Bey der ungeheuern Groͤße dieſes Reichs befoͤrderten die Land- ſtraßen nicht blos die Bequemlichkeit der Reiſenden, die aus allen Laͤndern nach Rom ſtroͤmten, ſondern auch die Maͤrſche der Armeen und die ſchnelle Verbreitung der Verordnungen der Regierung. Man ſah die Anlegung oder Verbeſſerung der Heer- ſtraßen als ein ſo großes Verdienſt an, daß der Senat deswegen dem Auguſt, dem Veſpaſian und dem Trajan Ehrenpforten errichtete. Die roͤmiſchen Heerſtraßen erſtreckten ſich von den aͤußerſten abendlaͤndiſchen Gegenden von Europa und Africa bis in klein Aſien. Sie hatten eine Laͤnge von 1500 bis 1600 Meilen, und in dieſer Laͤnge liefen ſie von Rom an gerechnet fuͤnf und zwanzigmal durch das Reich. Man gieng durch Seen und Moraͤſte, man durchbrach Berge und Felſen, um den Heerſtraßen, ſo viel geſchehen konnte, den kuͤrzeſten und geradeſten Fortlauf zu ge- ben. Jede Meile war mit einer Saͤule bemerkt. Dieſe Meilenſaͤulen waren bald rund, bald viereckigt, bald von einer andern Figur; acht bis neun Fuß hoch; und ſtanden auf kleinen Fußgeſtellen. Sie hatten Aufſchriften, welche die Meilenzahl der Entfernung von Rom anzeigten, oft zugleich als Denkmaͤler zum Ruhm der Wohlthaͤter, welche die Straße anlegen laſſen, errichtet waren. Neben den Mei- lenſaͤulen pflegten die Roͤmer noch andere Steine hinzuſetzen, die wie Stufen oder kleine Fußgeſtelle ausgehauen waren, und zum Ausruhen fuͤr muͤde Fußgaͤnger und zum Aufſteigen der Reitenden dienten. Sie verſchoͤnerten außerdem die Seiten der
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Achter Abſchnitt. Gartenmaͤßige Verſchoͤnerung
VII.
Landſtraße.
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Nichts kuͤndigt lebhafter die Cultur eines Landes und den weiſen Geiſt ſeiner Re-
glerung an, als wohl angelegte Landſtraßen. Aber auch ihr gaͤnzlicher Man-
gel faͤllt dem gemeinſten Begriff von oͤffentlicher Ordnung ſchon ſo ſehr auf, daß da-
durch ein nachtheiliger Schluß auf Landesherren und Obrigkeiten faſt unvermeidlich
wird. Es iſt nicht genug, daß gute Landſtraßen die Verbindung unter den verſchie-
denen Theilen eines Reichs erleichtern, daß ſie das Reiſen und den Handel befoͤrdern,
daß ſie die Schoͤnheit ſowohl der Staͤdte als auch der Provinzen erhoͤhen. Sie ſind
ſelbſt unentbehrlich, um ganze Voͤlker vor Wildheit und Barbarey zu bewahren, um
ihre Unterwuͤrfigkeit unter dem Willen der Geſetze zu erleichtern, um den Gang der
Gerechtigkeit zu beſchleunigen, um die wohlthaͤtigen Wirkungen des geſellſchaftlichen
Lebens und um gegenſeitige Nothhuͤlfe zu befoͤrdern.
Kein Volk hat jemals auf die Einrichtung ſeiner Landſtraßen mehr Thaͤtigkeit
bewieſen, als die Roͤmer, die keine Art von großen und gemeinnuͤtzigen Unterneh-
mungen unterließen. Bey der ungeheuern Groͤße dieſes Reichs befoͤrderten die Land-
ſtraßen nicht blos die Bequemlichkeit der Reiſenden, die aus allen Laͤndern nach Rom
ſtroͤmten, ſondern auch die Maͤrſche der Armeen und die ſchnelle Verbreitung der
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ſtraßen als ein ſo großes Verdienſt an, daß der Senat deswegen dem Auguſt, dem
Veſpaſian und dem Trajan Ehrenpforten errichtete. Die roͤmiſchen Heerſtraßen
erſtreckten ſich von den aͤußerſten abendlaͤndiſchen Gegenden von Europa und Africa
bis in klein Aſien. Sie hatten eine Laͤnge von 1500 bis 1600 Meilen, und in
dieſer Laͤnge liefen ſie von Rom an gerechnet fuͤnf und zwanzigmal durch das Reich.
Man gieng durch Seen und Moraͤſte, man durchbrach Berge und Felſen, um den
Heerſtraßen, ſo viel geſchehen konnte, den kuͤrzeſten und geradeſten Fortlauf zu ge-
ben. Jede Meile war mit einer Saͤule bemerkt. Dieſe Meilenſaͤulen waren bald
rund, bald viereckigt, bald von einer andern Figur; acht bis neun Fuß hoch; und
ſtanden auf kleinen Fußgeſtellen. Sie hatten Aufſchriften, welche die Meilenzahl
der Entfernung von Rom anzeigten, oft zugleich als Denkmaͤler zum Ruhm der
Wohlthaͤter, welche die Straße anlegen laſſen, errichtet waren. Neben den Mei-
lenſaͤulen pflegten die Roͤmer noch andere Steine hinzuſetzen, die wie Stufen oder
kleine Fußgeſtelle ausgehauen waren, und zum Ausruhen fuͤr muͤde Fußgaͤnger und
zum Aufſteigen der Reitenden dienten. Sie verſchoͤnerten außerdem die Seiten der
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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/184>, abgerufen am 03.03.2025.
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