Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite
einzelner Theile eines Landsitzes.
IV.
Thiergarten.

In ausgedehnten Parks können Thiergärten sehr interessante Theile ausmachen,
die, als dunkle Wildnisse und als starke waldigte Schattirungen, zur Unter-
brechung dienen, und den Contrast heitrer Scenen fühlbarer machen; den Ernst
ihres Ansehens mildern sie wieder durch die Vorstellung anmuthiger Schatten, die
in ihrem Innern dämmern, der Bewohnung von mancherley Thieren, und der Jagd-
ergötzungen, die sie anbieten. Allein ein Thiergarten kann auch als eine besondere
Gattung von Gärten angesehen werden, als ein Ganzes, das von andern Anlagen
in einem Landgute unabhängig ist.

Thiergärten sind in Landgütern nützlich, um das Wild von dem Ueberlaufen
in die benachbarten Gegenden und von der Verwüstung der Kornfelder des Landmanns
abzuhalten. Diese letzte Betrachtung kann dem Herzen eines menschenfreundlichen
Gutsbesitzers nicht gleichgültig seyn; er verabscheuet die Grausamkeit so mancher klei-
nen Tyrannen des Landes, die ihr Wild auf der Flur des armen Landmanns unge-
hindert vor seinen Augen die Früchte seines Schweißes, die Hoffnung seiner Erhal-
tung abweiden lassen, und jede rechtmäßige Beschützung seines Eigenthums als einen
Hochverrath anzusehen sich erfrechen; eine Grausamkeit, welche die schärfste Ahndung
der Landesfürsten verdiente, denen das gekränkte Recht eines Bauern wichtiger ist,
als die Jagdlust eines Landjunkers. "Ich war vormals ein sehr eifriger Liebhaber
der Jagd, sagte einst zu mir ein großer menschensreundlicher Prinz, die Liebe dieser
Provinzen; allein ich fand, als ich hieher kam, daß diese Neigung den Unterthanen
beschwerlich werden könnte, und unterdrückte sie." Ein solches Beyspiel des Edel-
muths, jeder Nachahmung werth, verdient zur Ehre der Menschheit nacherzählt zu
werden.

Ein Thiergarten erfordert zuvörderst die wesentliche Einrichtung, die seiner
Bestimmung angemessen ist: Befriedigung seiner Gränze, sichern Schatten, zu-
längliche Nahrung und Wasser für das Wild, und Schutz im Winter. Das erste
Bedürfniß ist demnach ein dichtes Gehölz, das aber einen grasreichen Boden, Wie-
sen oder offene freye Plätze enthält, die entweder in ihrer natürlichen Schönheit grü-
nen, oder mit Klee, Rocken, Buchweizen und Haber besäet sind. Große, geräu-
mige Plätze geben den Vortheil, daß zwischen den waldigten Gebüschen die Luft freyer
durchstreicht, und daß darauf das Wild zum Vergnügen des Auges hervortreten
kann. Aber eben so nöthig sind Dickigte und dunkle Schattenreviere, von allen Arten
von buschigtem Unterholz und sich durch einander schlingenden Gesträuchen gebildet.

Da
V Band. U
einzelner Theile eines Landſitzes.
IV.
Thiergarten.

In ausgedehnten Parks koͤnnen Thiergaͤrten ſehr intereſſante Theile ausmachen,
die, als dunkle Wildniſſe und als ſtarke waldigte Schattirungen, zur Unter-
brechung dienen, und den Contraſt heitrer Scenen fuͤhlbarer machen; den Ernſt
ihres Anſehens mildern ſie wieder durch die Vorſtellung anmuthiger Schatten, die
in ihrem Innern daͤmmern, der Bewohnung von mancherley Thieren, und der Jagd-
ergoͤtzungen, die ſie anbieten. Allein ein Thiergarten kann auch als eine beſondere
Gattung von Gaͤrten angeſehen werden, als ein Ganzes, das von andern Anlagen
in einem Landgute unabhaͤngig iſt.

Thiergaͤrten ſind in Landguͤtern nuͤtzlich, um das Wild von dem Ueberlaufen
in die benachbarten Gegenden und von der Verwuͤſtung der Kornfelder des Landmanns
abzuhalten. Dieſe letzte Betrachtung kann dem Herzen eines menſchenfreundlichen
Gutsbeſitzers nicht gleichguͤltig ſeyn; er verabſcheuet die Grauſamkeit ſo mancher klei-
nen Tyrannen des Landes, die ihr Wild auf der Flur des armen Landmanns unge-
hindert vor ſeinen Augen die Fruͤchte ſeines Schweißes, die Hoffnung ſeiner Erhal-
tung abweiden laſſen, und jede rechtmaͤßige Beſchuͤtzung ſeines Eigenthums als einen
Hochverrath anzuſehen ſich erfrechen; eine Grauſamkeit, welche die ſchaͤrfſte Ahndung
der Landesfuͤrſten verdiente, denen das gekraͤnkte Recht eines Bauern wichtiger iſt,
als die Jagdluſt eines Landjunkers. „Ich war vormals ein ſehr eifriger Liebhaber
der Jagd, ſagte einſt zu mir ein großer menſchenſreundlicher Prinz, die Liebe dieſer
Provinzen; allein ich fand, als ich hieher kam, daß dieſe Neigung den Unterthanen
beſchwerlich werden koͤnnte, und unterdruͤckte ſie.“ Ein ſolches Beyſpiel des Edel-
muths, jeder Nachahmung werth, verdient zur Ehre der Menſchheit nacherzaͤhlt zu
werden.

Ein Thiergarten erfordert zuvoͤrderſt die weſentliche Einrichtung, die ſeiner
Beſtimmung angemeſſen iſt: Befriedigung ſeiner Graͤnze, ſichern Schatten, zu-
laͤngliche Nahrung und Waſſer fuͤr das Wild, und Schutz im Winter. Das erſte
Beduͤrfniß iſt demnach ein dichtes Gehoͤlz, das aber einen grasreichen Boden, Wie-
ſen oder offene freye Plaͤtze enthaͤlt, die entweder in ihrer natuͤrlichen Schoͤnheit gruͤ-
nen, oder mit Klee, Rocken, Buchweizen und Haber beſaͤet ſind. Große, geraͤu-
mige Plaͤtze geben den Vortheil, daß zwiſchen den waldigten Gebuͤſchen die Luft freyer
durchſtreicht, und daß darauf das Wild zum Vergnuͤgen des Auges hervortreten
kann. Aber eben ſo noͤthig ſind Dickigte und dunkle Schattenreviere, von allen Arten
von buſchigtem Unterholz und ſich durch einander ſchlingenden Geſtraͤuchen gebildet.

Da
V Band. U
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0161" n="153"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">einzelner Theile eines Land&#x017F;itzes.</hi> </fw><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">IV.</hi><lb/><hi rendition="#g">Thiergarten</hi>.</hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#in">I</hi>n ausgedehnten Parks ko&#x0364;nnen Thierga&#x0364;rten &#x017F;ehr intere&#x017F;&#x017F;ante Theile ausmachen,<lb/>
die, als dunkle Wildni&#x017F;&#x017F;e und als &#x017F;tarke waldigte Schattirungen, zur Unter-<lb/>
brechung dienen, und den Contra&#x017F;t heitrer Scenen fu&#x0364;hlbarer machen; den Ern&#x017F;t<lb/>
ihres An&#x017F;ehens mildern &#x017F;ie wieder durch die Vor&#x017F;tellung anmuthiger Schatten, die<lb/>
in ihrem Innern da&#x0364;mmern, der Bewohnung von mancherley Thieren, und der Jagd-<lb/>
ergo&#x0364;tzungen, die &#x017F;ie anbieten. Allein ein Thiergarten kann auch als eine be&#x017F;ondere<lb/>
Gattung von Ga&#x0364;rten ange&#x017F;ehen werden, als ein Ganzes, das von andern Anlagen<lb/>
in einem Landgute unabha&#x0364;ngig i&#x017F;t.</p><lb/>
            <p>Thierga&#x0364;rten &#x017F;ind in Landgu&#x0364;tern nu&#x0364;tzlich, um das Wild von dem Ueberlaufen<lb/>
in die benachbarten Gegenden und von der Verwu&#x0364;&#x017F;tung der Kornfelder des Landmanns<lb/>
abzuhalten. Die&#x017F;e letzte Betrachtung kann dem Herzen eines men&#x017F;chenfreundlichen<lb/>
Gutsbe&#x017F;itzers nicht gleichgu&#x0364;ltig &#x017F;eyn; er verab&#x017F;cheuet die Grau&#x017F;amkeit &#x017F;o mancher klei-<lb/>
nen Tyrannen des Landes, die ihr Wild auf der Flur des armen Landmanns unge-<lb/>
hindert vor &#x017F;einen Augen die Fru&#x0364;chte &#x017F;eines Schweißes, die Hoffnung &#x017F;einer Erhal-<lb/>
tung abweiden la&#x017F;&#x017F;en, und jede rechtma&#x0364;ßige Be&#x017F;chu&#x0364;tzung &#x017F;eines Eigenthums als einen<lb/>
Hochverrath anzu&#x017F;ehen &#x017F;ich erfrechen; eine Grau&#x017F;amkeit, welche die &#x017F;cha&#x0364;rf&#x017F;te Ahndung<lb/>
der Landesfu&#x0364;r&#x017F;ten verdiente, denen das gekra&#x0364;nkte Recht eines Bauern wichtiger i&#x017F;t,<lb/>
als die Jagdlu&#x017F;t eines Landjunkers. &#x201E;Ich war vormals ein &#x017F;ehr eifriger Liebhaber<lb/>
der Jagd, &#x017F;agte ein&#x017F;t zu mir ein großer men&#x017F;chen&#x017F;reundlicher Prinz, die Liebe die&#x017F;er<lb/>
Provinzen; allein ich fand, als ich hieher kam, daß die&#x017F;e Neigung den Unterthanen<lb/>
be&#x017F;chwerlich werden ko&#x0364;nnte, und unterdru&#x0364;ckte &#x017F;ie.&#x201C; Ein &#x017F;olches Bey&#x017F;piel des Edel-<lb/>
muths, jeder Nachahmung werth, verdient zur Ehre der Men&#x017F;chheit nacherza&#x0364;hlt zu<lb/>
werden.</p><lb/>
            <p>Ein Thiergarten erfordert zuvo&#x0364;rder&#x017F;t die we&#x017F;entliche Einrichtung, die &#x017F;einer<lb/>
Be&#x017F;timmung angeme&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t: Befriedigung &#x017F;einer Gra&#x0364;nze, &#x017F;ichern Schatten, zu-<lb/>
la&#x0364;ngliche Nahrung und Wa&#x017F;&#x017F;er fu&#x0364;r das Wild, und Schutz im Winter. Das er&#x017F;te<lb/>
Bedu&#x0364;rfniß i&#x017F;t demnach ein dichtes Geho&#x0364;lz, das aber einen grasreichen Boden, Wie-<lb/>
&#x017F;en oder offene freye Pla&#x0364;tze entha&#x0364;lt, die entweder in ihrer natu&#x0364;rlichen Scho&#x0364;nheit gru&#x0364;-<lb/>
nen, oder mit Klee, Rocken, Buchweizen und Haber be&#x017F;a&#x0364;et &#x017F;ind. Große, gera&#x0364;u-<lb/>
mige Pla&#x0364;tze geben den Vortheil, daß zwi&#x017F;chen den waldigten Gebu&#x0364;&#x017F;chen die Luft freyer<lb/>
durch&#x017F;treicht, und daß darauf das Wild zum Vergnu&#x0364;gen des Auges hervortreten<lb/>
kann. Aber eben &#x017F;o no&#x0364;thig &#x017F;ind Dickigte und dunkle Schattenreviere, von allen Arten<lb/>
von bu&#x017F;chigtem Unterholz und &#x017F;ich durch einander &#x017F;chlingenden Ge&#x017F;tra&#x0364;uchen gebildet.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">V</hi><hi rendition="#fr">Band.</hi> U</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">Da</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[153/0161] einzelner Theile eines Landſitzes. IV. Thiergarten. In ausgedehnten Parks koͤnnen Thiergaͤrten ſehr intereſſante Theile ausmachen, die, als dunkle Wildniſſe und als ſtarke waldigte Schattirungen, zur Unter- brechung dienen, und den Contraſt heitrer Scenen fuͤhlbarer machen; den Ernſt ihres Anſehens mildern ſie wieder durch die Vorſtellung anmuthiger Schatten, die in ihrem Innern daͤmmern, der Bewohnung von mancherley Thieren, und der Jagd- ergoͤtzungen, die ſie anbieten. Allein ein Thiergarten kann auch als eine beſondere Gattung von Gaͤrten angeſehen werden, als ein Ganzes, das von andern Anlagen in einem Landgute unabhaͤngig iſt. Thiergaͤrten ſind in Landguͤtern nuͤtzlich, um das Wild von dem Ueberlaufen in die benachbarten Gegenden und von der Verwuͤſtung der Kornfelder des Landmanns abzuhalten. Dieſe letzte Betrachtung kann dem Herzen eines menſchenfreundlichen Gutsbeſitzers nicht gleichguͤltig ſeyn; er verabſcheuet die Grauſamkeit ſo mancher klei- nen Tyrannen des Landes, die ihr Wild auf der Flur des armen Landmanns unge- hindert vor ſeinen Augen die Fruͤchte ſeines Schweißes, die Hoffnung ſeiner Erhal- tung abweiden laſſen, und jede rechtmaͤßige Beſchuͤtzung ſeines Eigenthums als einen Hochverrath anzuſehen ſich erfrechen; eine Grauſamkeit, welche die ſchaͤrfſte Ahndung der Landesfuͤrſten verdiente, denen das gekraͤnkte Recht eines Bauern wichtiger iſt, als die Jagdluſt eines Landjunkers. „Ich war vormals ein ſehr eifriger Liebhaber der Jagd, ſagte einſt zu mir ein großer menſchenſreundlicher Prinz, die Liebe dieſer Provinzen; allein ich fand, als ich hieher kam, daß dieſe Neigung den Unterthanen beſchwerlich werden koͤnnte, und unterdruͤckte ſie.“ Ein ſolches Beyſpiel des Edel- muths, jeder Nachahmung werth, verdient zur Ehre der Menſchheit nacherzaͤhlt zu werden. Ein Thiergarten erfordert zuvoͤrderſt die weſentliche Einrichtung, die ſeiner Beſtimmung angemeſſen iſt: Befriedigung ſeiner Graͤnze, ſichern Schatten, zu- laͤngliche Nahrung und Waſſer fuͤr das Wild, und Schutz im Winter. Das erſte Beduͤrfniß iſt demnach ein dichtes Gehoͤlz, das aber einen grasreichen Boden, Wie- ſen oder offene freye Plaͤtze enthaͤlt, die entweder in ihrer natuͤrlichen Schoͤnheit gruͤ- nen, oder mit Klee, Rocken, Buchweizen und Haber beſaͤet ſind. Große, geraͤu- mige Plaͤtze geben den Vortheil, daß zwiſchen den waldigten Gebuͤſchen die Luft freyer durchſtreicht, und daß darauf das Wild zum Vergnuͤgen des Auges hervortreten kann. Aber eben ſo noͤthig ſind Dickigte und dunkle Schattenreviere, von allen Arten von buſchigtem Unterholz und ſich durch einander ſchlingenden Geſtraͤuchen gebildet. Da V Band. U

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/161
Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/161>, abgerufen am 23.11.2024.