halten, der hier seine letzten Tage verlebt, oder eines noch geschäftigen Mannes, der eine benachbarte Baumschule zu warten oder eine andere ländliche Anstalt zu be- wachen hat.
Zu dieser Gattung von Anlagen gehören noch Feldthore und Brücken. Sie dürfen hier nichts von der Zierlichkeit und Feinheit fordern, wozu sie in den ausge- bildeten Auftritten der Gärten berechtigt sind, sondern verlangen vielmehr einen ge- wissen rohen und einfältigen Charakter der Bauart. Feldthore bey Eingängen in ausgedehnte Fluren und Gehölze müssen sich durch ein größeres Ansehen von Stärke und Festigkeit auszeichnen; sind sie ein Zubehör kleiner Bezirke von Wiesen, von Pflanzungen und Baumgärten, so können sie sich schon durch mehr Leichtigkeit und landmäßige Zierde unterschelden. Sie können hier selbst einen weißen Anstrich fordern, da sie im ersten Fall sich mit dem weniger lebhaften Grauen begnügen.
Fast eben so verhält es sich mit den Brücken. Sie können bald aus unbeschäl- ten Knöppeln, bald aus einem Brete mit einer gemeinen Lehne, bald aus rohen über einander geworfenen Feldsteinen, bald aus gemauerten Bögen gebildet werden. Sie müssen mit Sicherheit und Bequemlichkeit bald ein starkes, bald ein leichteres, bald ein ganz rohes, bald ein etwas geschmücktes Ansehen verbinden. Ihr verschie- dener Charakter richtet sich nach den Gegenden, wo sie angelegt sind, und nach den Oertern, wohin sie führen. Eine ganz rohe, aus unbehauenen Bretern oder alten Baumästen hingeworfene Brücke schickt sich für die wilde Gegend eines Waldbachs; eine starke Steinbrücke ist dem Zugang in ein Dorf oder zu einer Wassermühle an einem reißenden Strom angemessen; und eine leichter von Holz gebauete weißange- strichene Brücke mit einem hübschen Geländer kündigt die Nähe einer zierlichen Meyerey an.
3.
Die vielen Gelegenheiten zur Verschönerung der Landgüter müssen unstreitig die Liebe des Adels zum Aufenthalt auf ihnen beleben. Nichts war langweiliger, als die Monotonie der vorigen Gartenmanier, die sich auf einige Alleen und Hecken nahe bey dem Wohnhause einschränkte. Der Adel fühlte die Quaal der Langeweile, und suchte Zerstreuung; er eilte den Ergötzungen großer Städte zu, und verschwendete sein Vermögen. Die Güter verfielen in der Abwesenheit des Herrn. Er kehrte zurück, entkräftet und ohne Mittel zu ihrer Verbesserung. Jetzt, da der Geschmack an Verschönerungen sich zu verbreiten beginnt, fängt auch der Adel mehr an, seine Besitzungen auf dem Lande zu lieben, und sie den kostbaren Zerstreuungen der Stadt vorzuziehen. Ich habe zuweilen gesehen, wie junge Herren, die nur für die Freude der großen Welt und der Höfe geboren zu seyn schienen, bald sich dem Zauber ent-
rissen,
VBand. R
einzelner Theile eines Landſitzes.
halten, der hier ſeine letzten Tage verlebt, oder eines noch geſchaͤftigen Mannes, der eine benachbarte Baumſchule zu warten oder eine andere laͤndliche Anſtalt zu be- wachen hat.
Zu dieſer Gattung von Anlagen gehoͤren noch Feldthore und Bruͤcken. Sie duͤrfen hier nichts von der Zierlichkeit und Feinheit fordern, wozu ſie in den ausge- bildeten Auftritten der Gaͤrten berechtigt ſind, ſondern verlangen vielmehr einen ge- wiſſen rohen und einfaͤltigen Charakter der Bauart. Feldthore bey Eingaͤngen in ausgedehnte Fluren und Gehoͤlze muͤſſen ſich durch ein groͤßeres Anſehen von Staͤrke und Feſtigkeit auszeichnen; ſind ſie ein Zubehoͤr kleiner Bezirke von Wieſen, von Pflanzungen und Baumgaͤrten, ſo koͤnnen ſie ſich ſchon durch mehr Leichtigkeit und landmaͤßige Zierde unterſchelden. Sie koͤnnen hier ſelbſt einen weißen Anſtrich fordern, da ſie im erſten Fall ſich mit dem weniger lebhaften Grauen begnuͤgen.
Faſt eben ſo verhaͤlt es ſich mit den Bruͤcken. Sie koͤnnen bald aus unbeſchaͤl- ten Knoͤppeln, bald aus einem Brete mit einer gemeinen Lehne, bald aus rohen uͤber einander geworfenen Feldſteinen, bald aus gemauerten Boͤgen gebildet werden. Sie muͤſſen mit Sicherheit und Bequemlichkeit bald ein ſtarkes, bald ein leichteres, bald ein ganz rohes, bald ein etwas geſchmuͤcktes Anſehen verbinden. Ihr verſchie- dener Charakter richtet ſich nach den Gegenden, wo ſie angelegt ſind, und nach den Oertern, wohin ſie fuͤhren. Eine ganz rohe, aus unbehauenen Bretern oder alten Baumaͤſten hingeworfene Bruͤcke ſchickt ſich fuͤr die wilde Gegend eines Waldbachs; eine ſtarke Steinbruͤcke iſt dem Zugang in ein Dorf oder zu einer Waſſermuͤhle an einem reißenden Strom angemeſſen; und eine leichter von Holz gebauete weißange- ſtrichene Bruͤcke mit einem huͤbſchen Gelaͤnder kuͤndigt die Naͤhe einer zierlichen Meyerey an.
3.
Die vielen Gelegenheiten zur Verſchoͤnerung der Landguͤter muͤſſen unſtreitig die Liebe des Adels zum Aufenthalt auf ihnen beleben. Nichts war langweiliger, als die Monotonie der vorigen Gartenmanier, die ſich auf einige Alleen und Hecken nahe bey dem Wohnhauſe einſchraͤnkte. Der Adel fuͤhlte die Quaal der Langeweile, und ſuchte Zerſtreuung; er eilte den Ergoͤtzungen großer Staͤdte zu, und verſchwendete ſein Vermoͤgen. Die Guͤter verfielen in der Abweſenheit des Herrn. Er kehrte zuruͤck, entkraͤftet und ohne Mittel zu ihrer Verbeſſerung. Jetzt, da der Geſchmack an Verſchoͤnerungen ſich zu verbreiten beginnt, faͤngt auch der Adel mehr an, ſeine Beſitzungen auf dem Lande zu lieben, und ſie den koſtbaren Zerſtreuungen der Stadt vorzuziehen. Ich habe zuweilen geſehen, wie junge Herren, die nur fuͤr die Freude der großen Welt und der Hoͤfe geboren zu ſeyn ſchienen, bald ſich dem Zauber ent-
riſſen,
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einzelner Theile eines Landſitzes.
halten, der hier ſeine letzten Tage verlebt, oder eines noch geſchaͤftigen Mannes, der
eine benachbarte Baumſchule zu warten oder eine andere laͤndliche Anſtalt zu be-
wachen hat.
Zu dieſer Gattung von Anlagen gehoͤren noch Feldthore und Bruͤcken. Sie
duͤrfen hier nichts von der Zierlichkeit und Feinheit fordern, wozu ſie in den ausge-
bildeten Auftritten der Gaͤrten berechtigt ſind, ſondern verlangen vielmehr einen ge-
wiſſen rohen und einfaͤltigen Charakter der Bauart. Feldthore bey Eingaͤngen in
ausgedehnte Fluren und Gehoͤlze muͤſſen ſich durch ein groͤßeres Anſehen von Staͤrke
und Feſtigkeit auszeichnen; ſind ſie ein Zubehoͤr kleiner Bezirke von Wieſen, von
Pflanzungen und Baumgaͤrten, ſo koͤnnen ſie ſich ſchon durch mehr Leichtigkeit
und landmaͤßige Zierde unterſchelden. Sie koͤnnen hier ſelbſt einen weißen Anſtrich
fordern, da ſie im erſten Fall ſich mit dem weniger lebhaften Grauen begnuͤgen.
Faſt eben ſo verhaͤlt es ſich mit den Bruͤcken. Sie koͤnnen bald aus unbeſchaͤl-
ten Knoͤppeln, bald aus einem Brete mit einer gemeinen Lehne, bald aus rohen
uͤber einander geworfenen Feldſteinen, bald aus gemauerten Boͤgen gebildet werden.
Sie muͤſſen mit Sicherheit und Bequemlichkeit bald ein ſtarkes, bald ein leichteres,
bald ein ganz rohes, bald ein etwas geſchmuͤcktes Anſehen verbinden. Ihr verſchie-
dener Charakter richtet ſich nach den Gegenden, wo ſie angelegt ſind, und nach den
Oertern, wohin ſie fuͤhren. Eine ganz rohe, aus unbehauenen Bretern oder alten
Baumaͤſten hingeworfene Bruͤcke ſchickt ſich fuͤr die wilde Gegend eines Waldbachs;
eine ſtarke Steinbruͤcke iſt dem Zugang in ein Dorf oder zu einer Waſſermuͤhle an
einem reißenden Strom angemeſſen; und eine leichter von Holz gebauete weißange-
ſtrichene Bruͤcke mit einem huͤbſchen Gelaͤnder kuͤndigt die Naͤhe einer zierlichen
Meyerey an.
3.
Die vielen Gelegenheiten zur Verſchoͤnerung der Landguͤter muͤſſen unſtreitig die
Liebe des Adels zum Aufenthalt auf ihnen beleben. Nichts war langweiliger, als
die Monotonie der vorigen Gartenmanier, die ſich auf einige Alleen und Hecken nahe
bey dem Wohnhauſe einſchraͤnkte. Der Adel fuͤhlte die Quaal der Langeweile, und
ſuchte Zerſtreuung; er eilte den Ergoͤtzungen großer Staͤdte zu, und verſchwendete
ſein Vermoͤgen. Die Guͤter verfielen in der Abweſenheit des Herrn. Er kehrte
zuruͤck, entkraͤftet und ohne Mittel zu ihrer Verbeſſerung. Jetzt, da der Geſchmack
an Verſchoͤnerungen ſich zu verbreiten beginnt, faͤngt auch der Adel mehr an, ſeine
Beſitzungen auf dem Lande zu lieben, und ſie den koſtbaren Zerſtreuungen der Stadt
vorzuziehen. Ich habe zuweilen geſehen, wie junge Herren, die nur fuͤr die Freude
der großen Welt und der Hoͤfe geboren zu ſeyn ſchienen, bald ſich dem Zauber ent-
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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/137>, abgerufen am 03.03.2025.
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