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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.

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Siebenter Abschnitt. Gärten, deren Charakter
den Charakter dieses Baums besser kannten, als die Neuern, die noch jetzt ohne alle
Ueberlegung ihn in ihren Lustplätzen stehen lassen. Seine freudenlose Unbeweglichkeit,
sein finsteres Braun, das zwischen den weißen Grabsteinen und Trauermälern eine
so ernste Feyerlichkeit verbreitet, bestimmt ihn zu einem Nachbar der Todten, und
nicht zum Gesellschafter der Lebendigen.

Die Bepflanzung der Begräbnißörter fand Forster selbst auf der Insel Mid-
delbourgh
, so wie auf den Societätsinseln. Die Einwohner wählten dazu den Ca-
suarinabaum. Und wirklich schickt er sich wegen seiner braungrünen Farbe und der lan-
gen niederhängenden Aeste, an welchen die schmalen und faserigten Nadeln dünn und
traurig abwärts stehen, zu der Melancholie solcher Plätze eben so gut, als die Cypresse.
Vermuthlich hat man auch in diesem Theil der Welt den Casuarinabaum, aus einer
ähnlichen Verbindung von Ideen, zum Baum der Trauer ausersehen, als die Cy-
presse dazu gewählt ward. *)

Die Bepflanzung der Begräbnißörter diente nicht blos zur Bezeichnung der
Stellen, wo der Rest von einem Geliebten versenkt lag, sondern auch zu einer gewis-
sen Reinigung der Luft, indem die Bäume und Pflanzen die bösen Ausdünstungen
vermindern, oder sie doch weniger schädlich machen. Sie locken zugleich zu einem län-
gern Verweilen an den Plätzen, wo so viele rührende Denkmäler zu interessanten Er-
innerungen und Betrachtungen auffordern, wo der Tod selbst die Weisheit des Le-
bens lehrt.

2.

Begräbnißplätze, die demnächst außer den Städten anzuweisen find, müssen eine
Lage haben, die reinigenden Winden den Zugang verstattet, und eine ruhige, einsame
und ernste Gegend. Sie gehören zu der melancholischen Gattung von Gärten. Der
Platz muß allerdings durch niedrige Mauern, oder Graben, oder Zaun eine Beschützung,
aber keine ängstliche Einsperrung haben. Kein heller See, keine weiten fröhlichen Ge-
filde in der Aussicht, keine heitern Rasen in dem innern Bezirk. Ein finsterer angrän-
zender Tannenwald, ein dumpfigtes Gemurmel fallender Wasser in der Nähe, ver-
mehrt die heilige Melancholie des Orts. Die Bäume müssen durch braunes und dunk-
les Laub die Trauer der Scenen ankündigen; Nadelhölzer gehören besonders wegen
ihrer Steifigkeit und ihres Ernstes in diese Pflanzung. Diese Bäume können bald
einzeln über den Gräbern sich erheben, bald sich in dichte Gruppen und in kleine dunkle
Hayne zusammen schließen, die zugleich von wohlriechenden Pflanzen duften. Diese
Gruppen und Hayne können selbst die Gräber merkwürdiger Personen in sich fassen,
und durch Denkmäler und Inschriften veredelt werden, die dem Spaziergänger Em-

pfindun-
*) Forsters Reise um die Welt etc. 4. Berlin 1778. 1ster B. S. 333.

Siebenter Abſchnitt. Gaͤrten, deren Charakter
den Charakter dieſes Baums beſſer kannten, als die Neuern, die noch jetzt ohne alle
Ueberlegung ihn in ihren Luſtplaͤtzen ſtehen laſſen. Seine freudenloſe Unbeweglichkeit,
ſein finſteres Braun, das zwiſchen den weißen Grabſteinen und Trauermaͤlern eine
ſo ernſte Feyerlichkeit verbreitet, beſtimmt ihn zu einem Nachbar der Todten, und
nicht zum Geſellſchafter der Lebendigen.

Die Bepflanzung der Begraͤbnißoͤrter fand Forſter ſelbſt auf der Inſel Mid-
delbourgh
, ſo wie auf den Societaͤtsinſeln. Die Einwohner waͤhlten dazu den Ca-
ſuarinabaum. Und wirklich ſchickt er ſich wegen ſeiner braungruͤnen Farbe und der lan-
gen niederhaͤngenden Aeſte, an welchen die ſchmalen und faſerigten Nadeln duͤnn und
traurig abwaͤrts ſtehen, zu der Melancholie ſolcher Plaͤtze eben ſo gut, als die Cypreſſe.
Vermuthlich hat man auch in dieſem Theil der Welt den Caſuarinabaum, aus einer
aͤhnlichen Verbindung von Ideen, zum Baum der Trauer auserſehen, als die Cy-
preſſe dazu gewaͤhlt ward. *)

Die Bepflanzung der Begraͤbnißoͤrter diente nicht blos zur Bezeichnung der
Stellen, wo der Reſt von einem Geliebten verſenkt lag, ſondern auch zu einer gewiſ-
ſen Reinigung der Luft, indem die Baͤume und Pflanzen die boͤſen Ausduͤnſtungen
vermindern, oder ſie doch weniger ſchaͤdlich machen. Sie locken zugleich zu einem laͤn-
gern Verweilen an den Plaͤtzen, wo ſo viele ruͤhrende Denkmaͤler zu intereſſanten Er-
innerungen und Betrachtungen auffordern, wo der Tod ſelbſt die Weisheit des Le-
bens lehrt.

2.

Begraͤbnißplaͤtze, die demnaͤchſt außer den Staͤdten anzuweiſen find, muͤſſen eine
Lage haben, die reinigenden Winden den Zugang verſtattet, und eine ruhige, einſame
und ernſte Gegend. Sie gehoͤren zu der melancholiſchen Gattung von Gaͤrten. Der
Platz muß allerdings durch niedrige Mauern, oder Graben, oder Zaun eine Beſchuͤtzung,
aber keine aͤngſtliche Einſperrung haben. Kein heller See, keine weiten froͤhlichen Ge-
filde in der Ausſicht, keine heitern Raſen in dem innern Bezirk. Ein finſterer angraͤn-
zender Tannenwald, ein dumpfigtes Gemurmel fallender Waſſer in der Naͤhe, ver-
mehrt die heilige Melancholie des Orts. Die Baͤume muͤſſen durch braunes und dunk-
les Laub die Trauer der Scenen ankuͤndigen; Nadelhoͤlzer gehoͤren beſonders wegen
ihrer Steifigkeit und ihres Ernſtes in dieſe Pflanzung. Dieſe Baͤume koͤnnen bald
einzeln uͤber den Graͤbern ſich erheben, bald ſich in dichte Gruppen und in kleine dunkle
Hayne zuſammen ſchließen, die zugleich von wohlriechenden Pflanzen duften. Dieſe
Gruppen und Hayne koͤnnen ſelbſt die Graͤber merkwuͤrdiger Perſonen in ſich faſſen,
und durch Denkmaͤler und Inſchriften veredelt werden, die dem Spaziergaͤnger Em-

pfindun-
*) Forſters Reiſe um die Welt ꝛc. 4. Berlin 1778. 1ſter B. S. 333.
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[118/0126] Siebenter Abſchnitt. Gaͤrten, deren Charakter den Charakter dieſes Baums beſſer kannten, als die Neuern, die noch jetzt ohne alle Ueberlegung ihn in ihren Luſtplaͤtzen ſtehen laſſen. Seine freudenloſe Unbeweglichkeit, ſein finſteres Braun, das zwiſchen den weißen Grabſteinen und Trauermaͤlern eine ſo ernſte Feyerlichkeit verbreitet, beſtimmt ihn zu einem Nachbar der Todten, und nicht zum Geſellſchafter der Lebendigen. Die Bepflanzung der Begraͤbnißoͤrter fand Forſter ſelbſt auf der Inſel Mid- delbourgh, ſo wie auf den Societaͤtsinſeln. Die Einwohner waͤhlten dazu den Ca- ſuarinabaum. Und wirklich ſchickt er ſich wegen ſeiner braungruͤnen Farbe und der lan- gen niederhaͤngenden Aeſte, an welchen die ſchmalen und faſerigten Nadeln duͤnn und traurig abwaͤrts ſtehen, zu der Melancholie ſolcher Plaͤtze eben ſo gut, als die Cypreſſe. Vermuthlich hat man auch in dieſem Theil der Welt den Caſuarinabaum, aus einer aͤhnlichen Verbindung von Ideen, zum Baum der Trauer auserſehen, als die Cy- preſſe dazu gewaͤhlt ward. *) Die Bepflanzung der Begraͤbnißoͤrter diente nicht blos zur Bezeichnung der Stellen, wo der Reſt von einem Geliebten verſenkt lag, ſondern auch zu einer gewiſ- ſen Reinigung der Luft, indem die Baͤume und Pflanzen die boͤſen Ausduͤnſtungen vermindern, oder ſie doch weniger ſchaͤdlich machen. Sie locken zugleich zu einem laͤn- gern Verweilen an den Plaͤtzen, wo ſo viele ruͤhrende Denkmaͤler zu intereſſanten Er- innerungen und Betrachtungen auffordern, wo der Tod ſelbſt die Weisheit des Le- bens lehrt. 2. Begraͤbnißplaͤtze, die demnaͤchſt außer den Staͤdten anzuweiſen find, muͤſſen eine Lage haben, die reinigenden Winden den Zugang verſtattet, und eine ruhige, einſame und ernſte Gegend. Sie gehoͤren zu der melancholiſchen Gattung von Gaͤrten. Der Platz muß allerdings durch niedrige Mauern, oder Graben, oder Zaun eine Beſchuͤtzung, aber keine aͤngſtliche Einſperrung haben. Kein heller See, keine weiten froͤhlichen Ge- filde in der Ausſicht, keine heitern Raſen in dem innern Bezirk. Ein finſterer angraͤn- zender Tannenwald, ein dumpfigtes Gemurmel fallender Waſſer in der Naͤhe, ver- mehrt die heilige Melancholie des Orts. Die Baͤume muͤſſen durch braunes und dunk- les Laub die Trauer der Scenen ankuͤndigen; Nadelhoͤlzer gehoͤren beſonders wegen ihrer Steifigkeit und ihres Ernſtes in dieſe Pflanzung. Dieſe Baͤume koͤnnen bald einzeln uͤber den Graͤbern ſich erheben, bald ſich in dichte Gruppen und in kleine dunkle Hayne zuſammen ſchließen, die zugleich von wohlriechenden Pflanzen duften. Dieſe Gruppen und Hayne koͤnnen ſelbſt die Graͤber merkwuͤrdiger Perſonen in ſich faſſen, und durch Denkmaͤler und Inſchriften veredelt werden, die dem Spaziergaͤnger Em- pfindun- *) Forſters Reiſe um die Welt ꝛc. 4. Berlin 1778. 1ſter B. S. 333.

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/126>, abgerufen am 24.11.2024.