Geht man weiter, so kömmt man an eine vorragende mit niedrigen Eschen be- setzte Ecke, von der man den Fluß durch einen dicken Wald erblicket, welches eine sanfte Abwechselung von den vorigen Scenen ist. Rechter Hand erhebt sich ein hundert und sunfzig Fuß hoher Felsen senkrecht aus dem Walde, und ist selbst ganz mit Holz be- wachsen. Man kömmt weiter in ein so dickes Holz, daß man nicht um sich sehen, aber wohl das Getöse des unten über Felsen wegrauschenden Stromes hören kann, und ge- langet zuletzt an eine Felsenspitze, die höher als alle vorigen ist; und da das Gesicht hier frey ist, so hat man die ganze bewundernswürdige Schönheit des Thales vor Au- gen. Links fließt der Fluß längst dem schönen mit Wald besetzten Abhange, und dar- über weg zeiget sich eine große Strecke von Einzäunungen, da immer eine höher liegt als die andere.
Von hier hindert einen der dicke Wald eine Weile an der Aussicht, bis man zu der sogenannten Adamsbank gelanget. Hier geht der Felsen weit ins Thal hinein, weswegen man den bisher zurückgelegten Weg sehr gut übersehen kann. Man erstau- net über die senkrechte Höhe der Felsen, die mit überhängenden Bäumen besetzt sind, und gerade bis an das Wasser hinuntergehen. Hin und wieder gucken die nackten Fel- sen hervor, und geben mit den aus ihnen hervorwachsenden Gesträuchen einen wirklich malerischen Anblick. Gegen über stößt der Wald an das Ufer; überhaupt kann man sich keine prächtigere Verbindung des Wassers mit der Waldung gedenken.
Von der steilen Anhöhe ist ein Weg bis in den Grund hinab durch den Felsen getrieben; unten ist ein anderer längst dem Ufer unter dem Gewölbe hoher Bäume geführt. Er hat sanfte Krümmungen, in einem so guten Geschmacke, als man sie fast nirgends sieht. Das Geräusche des Flusses ist sehr angenehm; an manchen Stellen ist der Busch dünne genug, daß man das Wasser durchschimmern sieht, welches in einem so einsamen und finstern Gange eine treffliche Wirkung thut. Man muß sich wundern, wenn man hört, daß alle diese Gänge, die Stufen nach dem Felsen hinauf, die Bank oben auf demselben, die Arbeit eines gewissen Mannes sind, der den Leuten im Bade die Stiefeln auszieht. Er hat auch ein Schiffchen, um zum Vergnügen auf dem Flusse zu fahren, angeschafft. Ein solcher Fleiß, und zugleich so viel guter Ge- schmack, verdient Beyfall. Er ist der einzige, der etwas zur Verschönerung von Matlock beygetragen hat.
Der gedachte schattigte Gang führet zu einer Bank, in deren Angesicht der Fluß einen kleinen Fall macht. Dieser Fall sollte umher etwas mit Waldung besetzt seyn. Hernach möchte man rathen, den nicht weit davon liegenden Felsen zu besteigen, zumal da ein angenehmer Gang, von dem man allerley Aussichten hat, dahin führet. Der Felsen ist senkrecht vierhundert und funfzig Fuß hoch, und unten fließt der Fluß in einer
sanften
Siebenter Abſchnitt. Gaͤrten, deren Charakter
Geht man weiter, ſo koͤmmt man an eine vorragende mit niedrigen Eſchen be- ſetzte Ecke, von der man den Fluß durch einen dicken Wald erblicket, welches eine ſanfte Abwechſelung von den vorigen Scenen iſt. Rechter Hand erhebt ſich ein hundert und ſunfzig Fuß hoher Felſen ſenkrecht aus dem Walde, und iſt ſelbſt ganz mit Holz be- wachſen. Man koͤmmt weiter in ein ſo dickes Holz, daß man nicht um ſich ſehen, aber wohl das Getoͤſe des unten uͤber Felſen wegrauſchenden Stromes hoͤren kann, und ge- langet zuletzt an eine Felſenſpitze, die hoͤher als alle vorigen iſt; und da das Geſicht hier frey iſt, ſo hat man die ganze bewundernswuͤrdige Schoͤnheit des Thales vor Au- gen. Links fließt der Fluß laͤngſt dem ſchoͤnen mit Wald beſetzten Abhange, und dar- uͤber weg zeiget ſich eine große Strecke von Einzaͤunungen, da immer eine hoͤher liegt als die andere.
Von hier hindert einen der dicke Wald eine Weile an der Ausſicht, bis man zu der ſogenannten Adamsbank gelanget. Hier geht der Felſen weit ins Thal hinein, weswegen man den bisher zuruͤckgelegten Weg ſehr gut uͤberſehen kann. Man erſtau- net uͤber die ſenkrechte Hoͤhe der Felſen, die mit uͤberhaͤngenden Baͤumen beſetzt ſind, und gerade bis an das Waſſer hinuntergehen. Hin und wieder gucken die nackten Fel- ſen hervor, und geben mit den aus ihnen hervorwachſenden Geſtraͤuchen einen wirklich maleriſchen Anblick. Gegen uͤber ſtoͤßt der Wald an das Ufer; uͤberhaupt kann man ſich keine praͤchtigere Verbindung des Waſſers mit der Waldung gedenken.
Von der ſteilen Anhoͤhe iſt ein Weg bis in den Grund hinab durch den Felſen getrieben; unten iſt ein anderer laͤngſt dem Ufer unter dem Gewoͤlbe hoher Baͤume gefuͤhrt. Er hat ſanfte Kruͤmmungen, in einem ſo guten Geſchmacke, als man ſie faſt nirgends ſieht. Das Geraͤuſche des Fluſſes iſt ſehr angenehm; an manchen Stellen iſt der Buſch duͤnne genug, daß man das Waſſer durchſchimmern ſieht, welches in einem ſo einſamen und finſtern Gange eine treffliche Wirkung thut. Man muß ſich wundern, wenn man hoͤrt, daß alle dieſe Gaͤnge, die Stufen nach dem Felſen hinauf, die Bank oben auf demſelben, die Arbeit eines gewiſſen Mannes ſind, der den Leuten im Bade die Stiefeln auszieht. Er hat auch ein Schiffchen, um zum Vergnuͤgen auf dem Fluſſe zu fahren, angeſchafft. Ein ſolcher Fleiß, und zugleich ſo viel guter Ge- ſchmack, verdient Beyfall. Er iſt der einzige, der etwas zur Verſchoͤnerung von Matlock beygetragen hat.
Der gedachte ſchattigte Gang fuͤhret zu einer Bank, in deren Angeſicht der Fluß einen kleinen Fall macht. Dieſer Fall ſollte umher etwas mit Waldung beſetzt ſeyn. Hernach moͤchte man rathen, den nicht weit davon liegenden Felſen zu beſteigen, zumal da ein angenehmer Gang, von dem man allerley Ausſichten hat, dahin fuͤhret. Der Felſen iſt ſenkrecht vierhundert und funfzig Fuß hoch, und unten fließt der Fluß in einer
ſanften
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><pbfacs="#f0122"n="114"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Siebenter Abſchnitt. Gaͤrten, deren Charakter</hi></fw><lb/><p>Geht man weiter, ſo koͤmmt man an eine vorragende mit niedrigen Eſchen be-<lb/>ſetzte Ecke, von der man den Fluß durch einen dicken Wald erblicket, welches eine ſanfte<lb/>
Abwechſelung von den vorigen Scenen iſt. Rechter Hand erhebt ſich ein hundert und<lb/>ſunfzig Fuß hoher Felſen ſenkrecht aus dem Walde, und iſt ſelbſt ganz mit Holz be-<lb/>
wachſen. Man koͤmmt weiter in ein ſo dickes Holz, daß man nicht um ſich ſehen, aber<lb/>
wohl das Getoͤſe des unten uͤber Felſen wegrauſchenden Stromes hoͤren kann, und ge-<lb/>
langet zuletzt an eine Felſenſpitze, die hoͤher als alle vorigen iſt; und da das Geſicht<lb/>
hier frey iſt, ſo hat man die ganze bewundernswuͤrdige Schoͤnheit des Thales vor Au-<lb/>
gen. Links fließt der Fluß laͤngſt dem ſchoͤnen mit Wald beſetzten Abhange, und dar-<lb/>
uͤber weg zeiget ſich eine große Strecke von Einzaͤunungen, da immer eine hoͤher liegt<lb/>
als die andere.</p><lb/><p>Von hier hindert einen der dicke Wald eine Weile an der Ausſicht, bis man zu<lb/>
der ſogenannten Adamsbank gelanget. Hier geht der Felſen weit ins Thal hinein,<lb/>
weswegen man den bisher zuruͤckgelegten Weg ſehr gut uͤberſehen kann. Man erſtau-<lb/>
net uͤber die ſenkrechte Hoͤhe der Felſen, die mit uͤberhaͤngenden Baͤumen beſetzt ſind,<lb/>
und gerade bis an das Waſſer hinuntergehen. Hin und wieder gucken die nackten Fel-<lb/>ſen hervor, und geben mit den aus ihnen hervorwachſenden Geſtraͤuchen einen wirklich<lb/>
maleriſchen Anblick. Gegen uͤber ſtoͤßt der Wald an das Ufer; uͤberhaupt kann man<lb/>ſich keine praͤchtigere Verbindung des Waſſers mit der Waldung gedenken.</p><lb/><p>Von der ſteilen Anhoͤhe iſt ein Weg bis in den Grund hinab durch den Felſen<lb/>
getrieben; unten iſt ein anderer laͤngſt dem Ufer unter dem Gewoͤlbe hoher Baͤume<lb/>
gefuͤhrt. Er hat ſanfte Kruͤmmungen, in einem ſo guten Geſchmacke, als man ſie faſt<lb/>
nirgends ſieht. Das Geraͤuſche des Fluſſes iſt ſehr angenehm; an manchen Stellen<lb/>
iſt der Buſch duͤnne genug, daß man das Waſſer durchſchimmern ſieht, welches in<lb/>
einem ſo einſamen und finſtern Gange eine treffliche Wirkung thut. Man muß ſich<lb/>
wundern, wenn man hoͤrt, daß alle dieſe Gaͤnge, die Stufen nach dem Felſen hinauf,<lb/>
die Bank oben auf demſelben, die Arbeit eines gewiſſen Mannes ſind, der den Leuten<lb/>
im Bade die Stiefeln auszieht. Er hat auch ein Schiffchen, um zum Vergnuͤgen auf<lb/>
dem Fluſſe zu fahren, angeſchafft. Ein ſolcher Fleiß, und zugleich ſo viel guter Ge-<lb/>ſchmack, verdient Beyfall. Er iſt der einzige, der etwas zur Verſchoͤnerung von<lb/><hirendition="#fr">Matlock</hi> beygetragen hat.</p><lb/><p>Der gedachte ſchattigte Gang fuͤhret zu einer Bank, in deren Angeſicht der Fluß<lb/>
einen kleinen Fall macht. Dieſer Fall ſollte umher etwas mit Waldung beſetzt ſeyn.<lb/>
Hernach moͤchte man rathen, den nicht weit davon liegenden Felſen zu beſteigen, zumal<lb/>
da ein angenehmer Gang, von dem man allerley Ausſichten hat, dahin fuͤhret. Der<lb/>
Felſen iſt ſenkrecht vierhundert und funfzig Fuß hoch, und unten fließt der Fluß in einer<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſanften</fw><lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[114/0122]
Siebenter Abſchnitt. Gaͤrten, deren Charakter
Geht man weiter, ſo koͤmmt man an eine vorragende mit niedrigen Eſchen be-
ſetzte Ecke, von der man den Fluß durch einen dicken Wald erblicket, welches eine ſanfte
Abwechſelung von den vorigen Scenen iſt. Rechter Hand erhebt ſich ein hundert und
ſunfzig Fuß hoher Felſen ſenkrecht aus dem Walde, und iſt ſelbſt ganz mit Holz be-
wachſen. Man koͤmmt weiter in ein ſo dickes Holz, daß man nicht um ſich ſehen, aber
wohl das Getoͤſe des unten uͤber Felſen wegrauſchenden Stromes hoͤren kann, und ge-
langet zuletzt an eine Felſenſpitze, die hoͤher als alle vorigen iſt; und da das Geſicht
hier frey iſt, ſo hat man die ganze bewundernswuͤrdige Schoͤnheit des Thales vor Au-
gen. Links fließt der Fluß laͤngſt dem ſchoͤnen mit Wald beſetzten Abhange, und dar-
uͤber weg zeiget ſich eine große Strecke von Einzaͤunungen, da immer eine hoͤher liegt
als die andere.
Von hier hindert einen der dicke Wald eine Weile an der Ausſicht, bis man zu
der ſogenannten Adamsbank gelanget. Hier geht der Felſen weit ins Thal hinein,
weswegen man den bisher zuruͤckgelegten Weg ſehr gut uͤberſehen kann. Man erſtau-
net uͤber die ſenkrechte Hoͤhe der Felſen, die mit uͤberhaͤngenden Baͤumen beſetzt ſind,
und gerade bis an das Waſſer hinuntergehen. Hin und wieder gucken die nackten Fel-
ſen hervor, und geben mit den aus ihnen hervorwachſenden Geſtraͤuchen einen wirklich
maleriſchen Anblick. Gegen uͤber ſtoͤßt der Wald an das Ufer; uͤberhaupt kann man
ſich keine praͤchtigere Verbindung des Waſſers mit der Waldung gedenken.
Von der ſteilen Anhoͤhe iſt ein Weg bis in den Grund hinab durch den Felſen
getrieben; unten iſt ein anderer laͤngſt dem Ufer unter dem Gewoͤlbe hoher Baͤume
gefuͤhrt. Er hat ſanfte Kruͤmmungen, in einem ſo guten Geſchmacke, als man ſie faſt
nirgends ſieht. Das Geraͤuſche des Fluſſes iſt ſehr angenehm; an manchen Stellen
iſt der Buſch duͤnne genug, daß man das Waſſer durchſchimmern ſieht, welches in
einem ſo einſamen und finſtern Gange eine treffliche Wirkung thut. Man muß ſich
wundern, wenn man hoͤrt, daß alle dieſe Gaͤnge, die Stufen nach dem Felſen hinauf,
die Bank oben auf demſelben, die Arbeit eines gewiſſen Mannes ſind, der den Leuten
im Bade die Stiefeln auszieht. Er hat auch ein Schiffchen, um zum Vergnuͤgen auf
dem Fluſſe zu fahren, angeſchafft. Ein ſolcher Fleiß, und zugleich ſo viel guter Ge-
ſchmack, verdient Beyfall. Er iſt der einzige, der etwas zur Verſchoͤnerung von
Matlock beygetragen hat.
Der gedachte ſchattigte Gang fuͤhret zu einer Bank, in deren Angeſicht der Fluß
einen kleinen Fall macht. Dieſer Fall ſollte umher etwas mit Waldung beſetzt ſeyn.
Hernach moͤchte man rathen, den nicht weit davon liegenden Felſen zu beſteigen, zumal
da ein angenehmer Gang, von dem man allerley Ausſichten hat, dahin fuͤhret. Der
Felſen iſt ſenkrecht vierhundert und funfzig Fuß hoch, und unten fließt der Fluß in einer
ſanften
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/122>, abgerufen am 19.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.