Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.Siebenter Abschnitt. Gärten, deren Charakter Erquickung des Auges Laubdecken und Rasen, und, will man spazieren, die Be-quemlichkeit, einander auszuweichen. Bey aller Symmetrie und Einförmigkeit der Anlage ist doch für viele Gänge und Sitze unter dichtem Schatten gesorgt, und die- ser ist eine Folge von dem natürlichen Wuchs, der den Bäumen in den innern Re- vieren zwischen den Einsassungen der Hecken verstattet ist. An andern Stellen giebt es runde beschattete Plätze zum Tanzen für das Volk, das sich aus der Nachbarschaft gemeiniglich an Sonntagen bey Brunnenörtern häufig zu versammeln pflegt, um sich einen fröhlichen Tag zu machen. Was in diesem Theil der Anlage das Auge am meisten angreift, das sind Die andere größere und schönere Hälfte des Gartens ist ein sogenanntes und *) Dem fürstlichen Hofgärtner, Herrn
Schwarzkopf, einem Mann, der durch [Spaltenumbruch] Kenntniß, Beobachtungsgeist und Ge- schmack sich vorzüglich auszeichnet. Siebenter Abſchnitt. Gaͤrten, deren Charakter Erquickung des Auges Laubdecken und Raſen, und, will man ſpazieren, die Be-quemlichkeit, einander auszuweichen. Bey aller Symmetrie und Einfoͤrmigkeit der Anlage iſt doch fuͤr viele Gaͤnge und Sitze unter dichtem Schatten geſorgt, und die- ſer iſt eine Folge von dem natuͤrlichen Wuchs, der den Baͤumen in den innern Re- vieren zwiſchen den Einſaſſungen der Hecken verſtattet iſt. An andern Stellen giebt es runde beſchattete Plaͤtze zum Tanzen fuͤr das Volk, das ſich aus der Nachbarſchaft gemeiniglich an Sonntagen bey Brunnenoͤrtern haͤufig zu verſammeln pflegt, um ſich einen froͤhlichen Tag zu machen. Was in dieſem Theil der Anlage das Auge am meiſten angreift, das ſind Die andere groͤßere und ſchoͤnere Haͤlfte des Gartens iſt ein ſogenanntes und *) Dem fuͤrſtlichen Hofgaͤrtner, Herrn
Schwarzkopf, einem Mann, der durch [Spaltenumbruch] Kenntniß, Beobachtungsgeiſt und Ge- ſchmack ſich vorzuͤglich auszeichnet. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0106" n="98"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Siebenter Abſchnitt. Gaͤrten, deren Charakter</hi></fw><lb/> Erquickung des Auges Laubdecken und Raſen, und, will man ſpazieren, die Be-<lb/> quemlichkeit, einander auszuweichen. Bey aller Symmetrie und Einfoͤrmigkeit der<lb/> Anlage iſt doch fuͤr viele Gaͤnge und Sitze unter dichtem Schatten geſorgt, und die-<lb/> ſer iſt eine Folge von dem natuͤrlichen Wuchs, der den Baͤumen in den innern Re-<lb/> vieren zwiſchen den Einſaſſungen der Hecken verſtattet iſt. An andern Stellen giebt<lb/> es runde beſchattete Plaͤtze zum Tanzen fuͤr das Volk, das ſich aus der Nachbarſchaft<lb/> gemeiniglich an Sonntagen bey Brunnenoͤrtern haͤufig zu verſammeln pflegt, um<lb/> ſich einen froͤhlichen Tag zu machen.</p><lb/> <p>Was in dieſem Theil der Anlage das Auge am meiſten angreift, das ſind<lb/> die auf Bretern gemalten Vaſen, Termen und Statuen, ſelbſt auf der Kupel eines<lb/> Pavillon, und die gedrechſelten Knoͤpfe, die uͤber die Hecken hervorragen. Man<lb/> ſagt, daß man dergleichen Arten von Verzierungen uͤberſehen muͤſſe. Aber warum<lb/> uͤberſehen? Wer kann das? Warum und wozu ſind ſie da? Sie machen ja einen<lb/> Theil des Ganzen, und ſollen uͤberſehen werden? Etwa denn auch das Ganze? Ver-<lb/> muthlich werden dieſe Reſte der alten <hi rendition="#fr">gothiſchen</hi> Gartenzierrathen, wie der verfal-<lb/> lende Pavillon, der nichts Schoͤnes hat, von der Zeit zerſtoͤrt werden, die oft ver-<lb/> gebens dem kluͤgern Geſchmack zeigt, was er thun ſollte.</p><lb/> <p>Die andere groͤßere und ſchoͤnere Haͤlfte des Gartens iſt ein ſogenanntes<lb/><hi rendition="#fr">engliſches</hi> Bosquet, oder ein Luſtgebuͤſch im freyen natuͤrlichen Geſchmack, das ſei-<lb/> nem Anleger <note place="foot" n="*)">Dem fuͤrſtlichen Hofgaͤrtner, Herrn<lb/> Schwarzkopf, einem Mann, der durch<lb/><cb/> Kenntniß, Beobachtungsgeiſt und Ge-<lb/> ſchmack ſich vorzuͤglich auszeichnet.</note> Ehre macht, und eins der erſten Pflanzungen dieſer Art in <hi rendition="#fr">Heſſen</hi><lb/> war. Man hat vor einigen Jahren mit dieſem Luſtgebuͤſch ein neues, das noch im<lb/> Wachsthum iſt, verbunden, und dadurch die Spaziergaͤnge verlaͤngert. Dieſe<lb/> Pflanzungen beſtehen aus einer großen Mannichfaltigkeit von auslaͤndiſchen und ein-<lb/> heimiſchen ſchoͤnen Baͤumen und Straͤuchern, aus bluͤhenden und duftenden Stau-<lb/> den und niedrigen Blumenpflanzen. Die Anordnung iſt die natuͤrliche, da die Blu-<lb/> menpflanzen voran, dann die hoͤhern perennirenden Stauden, demnaͤchſt die Straͤu-<lb/> cher, und endlich die Baͤume, denen ſie zugleich zum Untergebuͤſch dienen, folgen,<lb/> und mit einem edlen Wuchs emporſteigen. Eine reizende Pflanzung fuͤr das Auge<lb/> und fuͤr den Geruch. Man ſieht mit kluger Wahl manche Blumenſtraͤucher ange-<lb/> bracht, die faſt den ganzen Sommer hindurch bluͤhen. Der Baumkenner ſtoͤßt<lb/> hier auf manche ſchoͤne auslaͤndiſche Baͤume, als Tulpenbaͤume, morgenlaͤndiſche<lb/> <fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [98/0106]
Siebenter Abſchnitt. Gaͤrten, deren Charakter
Erquickung des Auges Laubdecken und Raſen, und, will man ſpazieren, die Be-
quemlichkeit, einander auszuweichen. Bey aller Symmetrie und Einfoͤrmigkeit der
Anlage iſt doch fuͤr viele Gaͤnge und Sitze unter dichtem Schatten geſorgt, und die-
ſer iſt eine Folge von dem natuͤrlichen Wuchs, der den Baͤumen in den innern Re-
vieren zwiſchen den Einſaſſungen der Hecken verſtattet iſt. An andern Stellen giebt
es runde beſchattete Plaͤtze zum Tanzen fuͤr das Volk, das ſich aus der Nachbarſchaft
gemeiniglich an Sonntagen bey Brunnenoͤrtern haͤufig zu verſammeln pflegt, um
ſich einen froͤhlichen Tag zu machen.
Was in dieſem Theil der Anlage das Auge am meiſten angreift, das ſind
die auf Bretern gemalten Vaſen, Termen und Statuen, ſelbſt auf der Kupel eines
Pavillon, und die gedrechſelten Knoͤpfe, die uͤber die Hecken hervorragen. Man
ſagt, daß man dergleichen Arten von Verzierungen uͤberſehen muͤſſe. Aber warum
uͤberſehen? Wer kann das? Warum und wozu ſind ſie da? Sie machen ja einen
Theil des Ganzen, und ſollen uͤberſehen werden? Etwa denn auch das Ganze? Ver-
muthlich werden dieſe Reſte der alten gothiſchen Gartenzierrathen, wie der verfal-
lende Pavillon, der nichts Schoͤnes hat, von der Zeit zerſtoͤrt werden, die oft ver-
gebens dem kluͤgern Geſchmack zeigt, was er thun ſollte.
Die andere groͤßere und ſchoͤnere Haͤlfte des Gartens iſt ein ſogenanntes
engliſches Bosquet, oder ein Luſtgebuͤſch im freyen natuͤrlichen Geſchmack, das ſei-
nem Anleger *) Ehre macht, und eins der erſten Pflanzungen dieſer Art in Heſſen
war. Man hat vor einigen Jahren mit dieſem Luſtgebuͤſch ein neues, das noch im
Wachsthum iſt, verbunden, und dadurch die Spaziergaͤnge verlaͤngert. Dieſe
Pflanzungen beſtehen aus einer großen Mannichfaltigkeit von auslaͤndiſchen und ein-
heimiſchen ſchoͤnen Baͤumen und Straͤuchern, aus bluͤhenden und duftenden Stau-
den und niedrigen Blumenpflanzen. Die Anordnung iſt die natuͤrliche, da die Blu-
menpflanzen voran, dann die hoͤhern perennirenden Stauden, demnaͤchſt die Straͤu-
cher, und endlich die Baͤume, denen ſie zugleich zum Untergebuͤſch dienen, folgen,
und mit einem edlen Wuchs emporſteigen. Eine reizende Pflanzung fuͤr das Auge
und fuͤr den Geruch. Man ſieht mit kluger Wahl manche Blumenſtraͤucher ange-
bracht, die faſt den ganzen Sommer hindurch bluͤhen. Der Baumkenner ſtoͤßt
hier auf manche ſchoͤne auslaͤndiſche Baͤume, als Tulpenbaͤume, morgenlaͤndiſche
und
*) Dem fuͤrſtlichen Hofgaͤrtner, Herrn
Schwarzkopf, einem Mann, der durch
Kenntniß, Beobachtungsgeiſt und Ge-
ſchmack ſich vorzuͤglich auszeichnet.
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