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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782.

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Dritter Abschnitt. Gärten
Stimmung, worinn sie versetzt ist; sie führen sie auf höhere Betrachtungen fort, wo-
zu diese Stimmung nur vorbereiten soll. Wenn in einer kleinen dämmernden Oeff-
nung der Gebüsche gegen die Abendseite, wo die untergehende Sonne ihre letzten
Strahlen hereinzustreuen pflegt, die Urne einer verblüheten Schönheit stünde, worauf
von der Hand ihres Geliebten diese Inschrift gegraben wäre:
Ach! vergebens wiegt auf leisen Flügeln
Sich der Abend über goldnen Hügeln!
Seit ich jedes Erdengut,
Alles, alles hier verloren habe,
Dünket mich der Sonne Purpurglut
Nur ein Lampenschein, erlöschend auf dem Grabe,
Wo gestorbne Liebe ruht.

Wessen Herz könnte so fühllos seyn, den, auch wenn ihn kein näheres Interesse mit
der Geschichte der Liebenden verbände, eine solche Inschrift, sobald er sie lieset,
nicht innig rührte? Und wenn er von dieser betrübten Scene weiter fortschritte, und
allmälig zum Ausgang aus dem melancholischen Hayne sich fortwindend in einem hei-
tern Gefilde voll Blumen und Rosen seinen Weg endigte, wo ihn diese Inschrift
empfienge:
Rosen auf den Weg gestreut,
Und des Grams vergessen!
Eine kleine Spanne Zeit
Ward uns zugemessen.

würde er dem Eindruck dieser sanften Empfindung noch widerstehen können?

Urnen, Grabmäler und Einsiedeleyen machen, wie bemerkt ist, eine sehr schick-
liche Verzierung in einem melancholischen Garten aus. Man hat auch nicht selten
von ihnen Gebrauch gemacht. So verdient in dem bekannten Garten zu Marien-
werder
bey Hannover, der bey seiner Verbindung mit einem Kloster verschiedene
Scenen der Vergänglichkeit, als Ruinen und Grabmäler, enthält, die Einsiedeley
bemerkt zu werden. Sie steht an einer ehrwürdigen mit steinernen Sitzen umgebe-
nen Eiche, neben welcher eine andre ihre abgestorbene Spitze erhebt; sie ist von Ge-
büschen umschlossen, und hat fast keine Aussicht. Das Gebäude selbst ist von rohen
Feldsteinen aufgeführt, die Fugen sind mit Moos ausgefüllt, und das Holzwerk ist

ungeschält.

Dritter Abſchnitt. Gaͤrten
Stimmung, worinn ſie verſetzt iſt; ſie fuͤhren ſie auf hoͤhere Betrachtungen fort, wo-
zu dieſe Stimmung nur vorbereiten ſoll. Wenn in einer kleinen daͤmmernden Oeff-
nung der Gebuͤſche gegen die Abendſeite, wo die untergehende Sonne ihre letzten
Strahlen hereinzuſtreuen pflegt, die Urne einer verbluͤheten Schoͤnheit ſtuͤnde, worauf
von der Hand ihres Geliebten dieſe Inſchrift gegraben waͤre:
Ach! vergebens wiegt auf leiſen Fluͤgeln
Sich der Abend uͤber goldnen Huͤgeln!
Seit ich jedes Erdengut,
Alles, alles hier verloren habe,
Duͤnket mich der Sonne Purpurglut
Nur ein Lampenſchein, erloͤſchend auf dem Grabe,
Wo geſtorbne Liebe ruht.

Weſſen Herz koͤnnte ſo fuͤhllos ſeyn, den, auch wenn ihn kein naͤheres Intereſſe mit
der Geſchichte der Liebenden verbaͤnde, eine ſolche Inſchrift, ſobald er ſie lieſet,
nicht innig ruͤhrte? Und wenn er von dieſer betruͤbten Scene weiter fortſchritte, und
allmaͤlig zum Ausgang aus dem melancholiſchen Hayne ſich fortwindend in einem hei-
tern Gefilde voll Blumen und Roſen ſeinen Weg endigte, wo ihn dieſe Inſchrift
empfienge:
Roſen auf den Weg geſtreut,
Und des Grams vergeſſen!
Eine kleine Spanne Zeit
Ward uns zugemeſſen.

wuͤrde er dem Eindruck dieſer ſanften Empfindung noch widerſtehen koͤnnen?

Urnen, Grabmaͤler und Einſiedeleyen machen, wie bemerkt iſt, eine ſehr ſchick-
liche Verzierung in einem melancholiſchen Garten aus. Man hat auch nicht ſelten
von ihnen Gebrauch gemacht. So verdient in dem bekannten Garten zu Marien-
werder
bey Hannover, der bey ſeiner Verbindung mit einem Kloſter verſchiedene
Scenen der Vergaͤnglichkeit, als Ruinen und Grabmaͤler, enthaͤlt, die Einſiedeley
bemerkt zu werden. Sie ſteht an einer ehrwuͤrdigen mit ſteinernen Sitzen umgebe-
nen Eiche, neben welcher eine andre ihre abgeſtorbene Spitze erhebt; ſie iſt von Ge-
buͤſchen umſchloſſen, und hat faſt keine Ausſicht. Das Gebaͤude ſelbſt iſt von rohen
Feldſteinen aufgefuͤhrt, die Fugen ſind mit Moos ausgefuͤllt, und das Holzwerk iſt

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[84/0088] Dritter Abſchnitt. Gaͤrten Stimmung, worinn ſie verſetzt iſt; ſie fuͤhren ſie auf hoͤhere Betrachtungen fort, wo- zu dieſe Stimmung nur vorbereiten ſoll. Wenn in einer kleinen daͤmmernden Oeff- nung der Gebuͤſche gegen die Abendſeite, wo die untergehende Sonne ihre letzten Strahlen hereinzuſtreuen pflegt, die Urne einer verbluͤheten Schoͤnheit ſtuͤnde, worauf von der Hand ihres Geliebten dieſe Inſchrift gegraben waͤre: Ach! vergebens wiegt auf leiſen Fluͤgeln Sich der Abend uͤber goldnen Huͤgeln! Seit ich jedes Erdengut, Alles, alles hier verloren habe, Duͤnket mich der Sonne Purpurglut Nur ein Lampenſchein, erloͤſchend auf dem Grabe, Wo geſtorbne Liebe ruht. Weſſen Herz koͤnnte ſo fuͤhllos ſeyn, den, auch wenn ihn kein naͤheres Intereſſe mit der Geſchichte der Liebenden verbaͤnde, eine ſolche Inſchrift, ſobald er ſie lieſet, nicht innig ruͤhrte? Und wenn er von dieſer betruͤbten Scene weiter fortſchritte, und allmaͤlig zum Ausgang aus dem melancholiſchen Hayne ſich fortwindend in einem hei- tern Gefilde voll Blumen und Roſen ſeinen Weg endigte, wo ihn dieſe Inſchrift empfienge: Roſen auf den Weg geſtreut, Und des Grams vergeſſen! Eine kleine Spanne Zeit Ward uns zugemeſſen. wuͤrde er dem Eindruck dieſer ſanften Empfindung noch widerſtehen koͤnnen? Urnen, Grabmaͤler und Einſiedeleyen machen, wie bemerkt iſt, eine ſehr ſchick- liche Verzierung in einem melancholiſchen Garten aus. Man hat auch nicht ſelten von ihnen Gebrauch gemacht. So verdient in dem bekannten Garten zu Marien- werder bey Hannover, der bey ſeiner Verbindung mit einem Kloſter verſchiedene Scenen der Vergaͤnglichkeit, als Ruinen und Grabmaͤler, enthaͤlt, die Einſiedeley bemerkt zu werden. Sie ſteht an einer ehrwuͤrdigen mit ſteinernen Sitzen umgebe- nen Eiche, neben welcher eine andre ihre abgeſtorbene Spitze erhebt; ſie iſt von Ge- buͤſchen umſchloſſen, und hat faſt keine Ausſicht. Das Gebaͤude ſelbſt iſt von rohen Feldſteinen aufgefuͤhrt, die Fugen ſind mit Moos ausgefuͤllt, und das Holzwerk iſt ungeſchaͤlt.

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst4_1782/88>, abgerufen am 18.12.2024.