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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782.

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nach dem Charakter der Gegenden.
Bäume herumschlängeln, und über dem Kopfe durch einander geschlungene Kränze
bilden. Die Teppiche von Moos und grünenden Kräutern werden darunter durch
einige Quellen erfrischt, um welche in Hecken von wilden Rosen und blühenden Dorn-
sträuchern die Nachtigall so gern ihren Gesang erschallen läßt. Einige Lager von
Moos bieten sich an, um ihr auf denselben mit desto mehrerem Vergnügen zuzuhören,
je lieblicher sich umher der Geruch der Rose und des Weißdorns mit dem Geruche
wilder Hyacinthen, einfacher Veilchen und Waldlilien vermischt, die an allen Ecken
dieses angenehmen Gehölzes, durch welche sich blinkende Lichter ergießen, im Ueber-
fluß wachsen.

Von da kömmt man in eine große Aue, welche sich bis an den Fluß erstreckt,
und unzähligen Heerden, die nie von den Hunden des Viehhirten, noch von dem
Stabe des Schäfers erschreckt werden, zur Weide dient. Gruppirt auf hunderterley
verschiedene Arten, weiden einige friedlich, indeß sich die andern ruhig gelagert haben,
und mehr durch die Anmuth der Ruhe und Freyheit, als durch den Geschmack des fri-
schen und blühenden Grases sich zu mästen scheinen.

Einige Gänge von Weiden, Erlen und Pappelbäumen bieten uns ihren Schat-
ten an, um uns an eine Brücke, oder an eine Fähre zu führen; daselbst muß man über
beyde Arme des Flusses hinüber, die eine reizende Insel umfassen. Ein Lorbeer- und
Myrtenhayn, in welchem man noch einen Altar sieht, der Wohlgeruch blühender
Sträucher, womit sie auf allen Seiten umpflanzt ist, und die Ruinen eines alten
Tempels zeigen genugsam an, daß sie ehemals der Liebe geheiligt war; aber itzt steht
an dessen Stelle das Haus des Fährmanns, welches an die fast unkenntlichen Ruinen
des Tempels angebaut ist.

Auf der andern Seite des Flusses sind die Einfassungen eines Meyerhofes,
dessen Gebäude man von einem benachbarten Hügel erblickt; ein Fußsteig führt durch
diese Gehäge zwischen Johannis- und Himbeersträuchern und kleinen Fruchtbäumen
hindurch. Das Erdreich wird hier immer zum Nutzen verwendet. Dasjenige,
welches man gewöhnlich braach läßt, ist mit den ersprießlichsten Pflanzen zur Nahrung
des Viehes besäet, welches daselbst weidet, und zugleich diese Gehäge befruchtet.
Der Stier wiederkäuet da in Frieden, der Hammel und die Ziege springen in Frey-
heit umher, und das junge Roß, welches schon alle seine Mähnen trotzig und stolz
emporsträubt, vergnügt sich wiehernd in seinem schnellen Laufe.

Ein wenig weiter, in andern Gehägen, folgt der Ackersmann singend seinem
Pfluge, und seine jüngsten Kinder kurzweilen um ihn herum, indessen diejenigen,
welche mehr im Stande sind zu arbeiten, das Unkraut auf dem schon besäeten Felde
ausreißen. Die Arbeit verwahrt die Jugend wider unordentliche Leidenschaften, sie

verwahrt
J 2

nach dem Charakter der Gegenden.
Baͤume herumſchlaͤngeln, und uͤber dem Kopfe durch einander geſchlungene Kraͤnze
bilden. Die Teppiche von Moos und gruͤnenden Kraͤutern werden darunter durch
einige Quellen erfriſcht, um welche in Hecken von wilden Roſen und bluͤhenden Dorn-
ſtraͤuchern die Nachtigall ſo gern ihren Geſang erſchallen laͤßt. Einige Lager von
Moos bieten ſich an, um ihr auf denſelben mit deſto mehrerem Vergnuͤgen zuzuhoͤren,
je lieblicher ſich umher der Geruch der Roſe und des Weißdorns mit dem Geruche
wilder Hyacinthen, einfacher Veilchen und Waldlilien vermiſcht, die an allen Ecken
dieſes angenehmen Gehoͤlzes, durch welche ſich blinkende Lichter ergießen, im Ueber-
fluß wachſen.

Von da koͤmmt man in eine große Aue, welche ſich bis an den Fluß erſtreckt,
und unzaͤhligen Heerden, die nie von den Hunden des Viehhirten, noch von dem
Stabe des Schaͤfers erſchreckt werden, zur Weide dient. Gruppirt auf hunderterley
verſchiedene Arten, weiden einige friedlich, indeß ſich die andern ruhig gelagert haben,
und mehr durch die Anmuth der Ruhe und Freyheit, als durch den Geſchmack des fri-
ſchen und bluͤhenden Graſes ſich zu maͤſten ſcheinen.

Einige Gaͤnge von Weiden, Erlen und Pappelbaͤumen bieten uns ihren Schat-
ten an, um uns an eine Bruͤcke, oder an eine Faͤhre zu fuͤhren; daſelbſt muß man uͤber
beyde Arme des Fluſſes hinuͤber, die eine reizende Inſel umfaſſen. Ein Lorbeer- und
Myrtenhayn, in welchem man noch einen Altar ſieht, der Wohlgeruch bluͤhender
Straͤucher, womit ſie auf allen Seiten umpflanzt iſt, und die Ruinen eines alten
Tempels zeigen genugſam an, daß ſie ehemals der Liebe geheiligt war; aber itzt ſteht
an deſſen Stelle das Haus des Faͤhrmanns, welches an die faſt unkenntlichen Ruinen
des Tempels angebaut iſt.

Auf der andern Seite des Fluſſes ſind die Einfaſſungen eines Meyerhofes,
deſſen Gebaͤude man von einem benachbarten Huͤgel erblickt; ein Fußſteig fuͤhrt durch
dieſe Gehaͤge zwiſchen Johannis- und Himbeerſtraͤuchern und kleinen Fruchtbaͤumen
hindurch. Das Erdreich wird hier immer zum Nutzen verwendet. Dasjenige,
welches man gewoͤhnlich braach laͤßt, iſt mit den erſprießlichſten Pflanzen zur Nahrung
des Viehes beſaͤet, welches daſelbſt weidet, und zugleich dieſe Gehaͤge befruchtet.
Der Stier wiederkaͤuet da in Frieden, der Hammel und die Ziege ſpringen in Frey-
heit umher, und das junge Roß, welches ſchon alle ſeine Maͤhnen trotzig und ſtolz
emporſtraͤubt, vergnuͤgt ſich wiehernd in ſeinem ſchnellen Laufe.

Ein wenig weiter, in andern Gehaͤgen, folgt der Ackersmann ſingend ſeinem
Pfluge, und ſeine juͤngſten Kinder kurzweilen um ihn herum, indeſſen diejenigen,
welche mehr im Stande ſind zu arbeiten, das Unkraut auf dem ſchon beſaͤeten Felde
ausreißen. Die Arbeit verwahrt die Jugend wider unordentliche Leidenſchaften, ſie

verwahrt
J 2
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[67/0071] nach dem Charakter der Gegenden. Baͤume herumſchlaͤngeln, und uͤber dem Kopfe durch einander geſchlungene Kraͤnze bilden. Die Teppiche von Moos und gruͤnenden Kraͤutern werden darunter durch einige Quellen erfriſcht, um welche in Hecken von wilden Roſen und bluͤhenden Dorn- ſtraͤuchern die Nachtigall ſo gern ihren Geſang erſchallen laͤßt. Einige Lager von Moos bieten ſich an, um ihr auf denſelben mit deſto mehrerem Vergnuͤgen zuzuhoͤren, je lieblicher ſich umher der Geruch der Roſe und des Weißdorns mit dem Geruche wilder Hyacinthen, einfacher Veilchen und Waldlilien vermiſcht, die an allen Ecken dieſes angenehmen Gehoͤlzes, durch welche ſich blinkende Lichter ergießen, im Ueber- fluß wachſen. Von da koͤmmt man in eine große Aue, welche ſich bis an den Fluß erſtreckt, und unzaͤhligen Heerden, die nie von den Hunden des Viehhirten, noch von dem Stabe des Schaͤfers erſchreckt werden, zur Weide dient. Gruppirt auf hunderterley verſchiedene Arten, weiden einige friedlich, indeß ſich die andern ruhig gelagert haben, und mehr durch die Anmuth der Ruhe und Freyheit, als durch den Geſchmack des fri- ſchen und bluͤhenden Graſes ſich zu maͤſten ſcheinen. Einige Gaͤnge von Weiden, Erlen und Pappelbaͤumen bieten uns ihren Schat- ten an, um uns an eine Bruͤcke, oder an eine Faͤhre zu fuͤhren; daſelbſt muß man uͤber beyde Arme des Fluſſes hinuͤber, die eine reizende Inſel umfaſſen. Ein Lorbeer- und Myrtenhayn, in welchem man noch einen Altar ſieht, der Wohlgeruch bluͤhender Straͤucher, womit ſie auf allen Seiten umpflanzt iſt, und die Ruinen eines alten Tempels zeigen genugſam an, daß ſie ehemals der Liebe geheiligt war; aber itzt ſteht an deſſen Stelle das Haus des Faͤhrmanns, welches an die faſt unkenntlichen Ruinen des Tempels angebaut iſt. Auf der andern Seite des Fluſſes ſind die Einfaſſungen eines Meyerhofes, deſſen Gebaͤude man von einem benachbarten Huͤgel erblickt; ein Fußſteig fuͤhrt durch dieſe Gehaͤge zwiſchen Johannis- und Himbeerſtraͤuchern und kleinen Fruchtbaͤumen hindurch. Das Erdreich wird hier immer zum Nutzen verwendet. Dasjenige, welches man gewoͤhnlich braach laͤßt, iſt mit den erſprießlichſten Pflanzen zur Nahrung des Viehes beſaͤet, welches daſelbſt weidet, und zugleich dieſe Gehaͤge befruchtet. Der Stier wiederkaͤuet da in Frieden, der Hammel und die Ziege ſpringen in Frey- heit umher, und das junge Roß, welches ſchon alle ſeine Maͤhnen trotzig und ſtolz emporſtraͤubt, vergnuͤgt ſich wiehernd in ſeinem ſchnellen Laufe. Ein wenig weiter, in andern Gehaͤgen, folgt der Ackersmann ſingend ſeinem Pfluge, und ſeine juͤngſten Kinder kurzweilen um ihn herum, indeſſen diejenigen, welche mehr im Stande ſind zu arbeiten, das Unkraut auf dem ſchon beſaͤeten Felde ausreißen. Die Arbeit verwahrt die Jugend wider unordentliche Leidenſchaften, ſie verwahrt J 2

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst4_1782/71>, abgerufen am 25.11.2024.