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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782.

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Vierter Abschnitt. Gärten
bald zur Verzierung herbstlicher Gebäude und Ruheplätze! Fast alle diese malerischen
Veränderungen, die der Herbst hervorbringt, sind nur von kurzer Dauer; aber Beob-
achtung und Geschmack können sie doch zum Genuß nicht bloß anhalten, sondern selbst
zu einer längern Folge vereinigen. Der Gartenkünstler muß allen den schönen Zu-
fälligkeiten, welche diese Jahreszeit in seiner Gegend begleiten, immer einen aufmerk-
samen Blick widmen; er wird seine Beobachtung belohnt sehen, indem er der Natur
die anmuthigsten Gemälde ablauscht. Bey der Mischung der Farben in Bäumen
und Sträuchern kann er eine Mannigfaltigkeit von Verbindung und Gegenstellung
zeigen, die keine andere Jahreszeit kennt. Und hier scheint keine Lage vortheilhafter,
um die Malerey der Pflanzung in ihrer ganzen Schönheit darzustellen, als eine sich
allmälig erhebende Höhe. Welch ein Gemälde, wenn die Pflanzung von einem grü-
nen heitern Rasen mit lebhaften Blumen und demnächst mit Sträuchern voll gelblicher
und röthlicher Beeren aufsteigt, mit Bäumen und Gebüschen voll gelb und roth ge-
färbter Blätter fortschreitet, dann sich an ganze Massen von rothem Laubwerk, das
sich wieder mit hellem Grün bricht, anschließt, und mit dichten Klumpen von dunkel-
grünem und bräunlichem Nadelholz endigt, das den blauen Horizont zur Gränze hat!
In dieser Gattung von Malerey lassen sich am meisten die stärksten Contraste der Far-
ben und der Massen, mit allen ihren trefflichen Wirkungen für das Auge, gewinnen.

Sonnigte Anhöhen, zumal wenn sie in einem Wald sich erheben, oder selbst hie
und da über ihn emporragen, scheinen die angenehmste Lage für Herbstgärten zu seyn.
Die Gegend sey trocken und warm. Spatziergänge am Wasser und luftige Tempel
reizen uns nicht mehr; wir lieben die milde Wärme zwischen Hügeln, und bedeckte
Zufluchtsörter. Jagdgebäude*) und Häuser zum Vogelfang sind besonders Anlagen
von diesem Charakter gemäß.

4.

Indessen eilt in der letzten Zeit des Herbstes alles der Zerstörung entgegen.
Die Blätter fallen und rauschen unter dem Fußtritt des Spatziergängers; der Wald
steht in nackter Durchsichtigkeit da, und in seinem Gipfel sauset der rauhe Sturm.
Die Hügel trauren entfärbt und öde. Das geringe Grün, die wenigen Blumen,
die der Nebel und der Frost noch nicht getödtet haben, sind die letzte Wirkung der er-
schlafften Natur. Die Luft ertönt nur von dem ängstlichen Gekrächze der Raben und
von dem wilden Heergeschrey der Zugvögel, die vor den Schrecken unsers Winters in
glücklichere Länder entweichen.

Nach
*) S. 3ter B. S. 37. 38.

Vierter Abſchnitt. Gaͤrten
bald zur Verzierung herbſtlicher Gebaͤude und Ruheplaͤtze! Faſt alle dieſe maleriſchen
Veraͤnderungen, die der Herbſt hervorbringt, ſind nur von kurzer Dauer; aber Beob-
achtung und Geſchmack koͤnnen ſie doch zum Genuß nicht bloß anhalten, ſondern ſelbſt
zu einer laͤngern Folge vereinigen. Der Gartenkuͤnſtler muß allen den ſchoͤnen Zu-
faͤlligkeiten, welche dieſe Jahreszeit in ſeiner Gegend begleiten, immer einen aufmerk-
ſamen Blick widmen; er wird ſeine Beobachtung belohnt ſehen, indem er der Natur
die anmuthigſten Gemaͤlde ablauſcht. Bey der Miſchung der Farben in Baͤumen
und Straͤuchern kann er eine Mannigfaltigkeit von Verbindung und Gegenſtellung
zeigen, die keine andere Jahreszeit kennt. Und hier ſcheint keine Lage vortheilhafter,
um die Malerey der Pflanzung in ihrer ganzen Schoͤnheit darzuſtellen, als eine ſich
allmaͤlig erhebende Hoͤhe. Welch ein Gemaͤlde, wenn die Pflanzung von einem gruͤ-
nen heitern Raſen mit lebhaften Blumen und demnaͤchſt mit Straͤuchern voll gelblicher
und roͤthlicher Beeren aufſteigt, mit Baͤumen und Gebuͤſchen voll gelb und roth ge-
faͤrbter Blaͤtter fortſchreitet, dann ſich an ganze Maſſen von rothem Laubwerk, das
ſich wieder mit hellem Gruͤn bricht, anſchließt, und mit dichten Klumpen von dunkel-
gruͤnem und braͤunlichem Nadelholz endigt, das den blauen Horizont zur Graͤnze hat!
In dieſer Gattung von Malerey laſſen ſich am meiſten die ſtaͤrkſten Contraſte der Far-
ben und der Maſſen, mit allen ihren trefflichen Wirkungen fuͤr das Auge, gewinnen.

Sonnigte Anhoͤhen, zumal wenn ſie in einem Wald ſich erheben, oder ſelbſt hie
und da uͤber ihn emporragen, ſcheinen die angenehmſte Lage fuͤr Herbſtgaͤrten zu ſeyn.
Die Gegend ſey trocken und warm. Spatziergaͤnge am Waſſer und luftige Tempel
reizen uns nicht mehr; wir lieben die milde Waͤrme zwiſchen Huͤgeln, und bedeckte
Zufluchtsoͤrter. Jagdgebaͤude*) und Haͤuſer zum Vogelfang ſind beſonders Anlagen
von dieſem Charakter gemaͤß.

4.

Indeſſen eilt in der letzten Zeit des Herbſtes alles der Zerſtoͤrung entgegen.
Die Blaͤtter fallen und rauſchen unter dem Fußtritt des Spatziergaͤngers; der Wald
ſteht in nackter Durchſichtigkeit da, und in ſeinem Gipfel ſauſet der rauhe Sturm.
Die Huͤgel trauren entfaͤrbt und oͤde. Das geringe Gruͤn, die wenigen Blumen,
die der Nebel und der Froſt noch nicht getoͤdtet haben, ſind die letzte Wirkung der er-
ſchlafften Natur. Die Luft ertoͤnt nur von dem aͤngſtlichen Gekraͤchze der Raben und
von dem wilden Heergeſchrey der Zugvoͤgel, die vor den Schrecken unſers Winters in
gluͤcklichere Laͤnder entweichen.

Nach
*) S. 3ter B. S. 37. 38.
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[160/0164] Vierter Abſchnitt. Gaͤrten bald zur Verzierung herbſtlicher Gebaͤude und Ruheplaͤtze! Faſt alle dieſe maleriſchen Veraͤnderungen, die der Herbſt hervorbringt, ſind nur von kurzer Dauer; aber Beob- achtung und Geſchmack koͤnnen ſie doch zum Genuß nicht bloß anhalten, ſondern ſelbſt zu einer laͤngern Folge vereinigen. Der Gartenkuͤnſtler muß allen den ſchoͤnen Zu- faͤlligkeiten, welche dieſe Jahreszeit in ſeiner Gegend begleiten, immer einen aufmerk- ſamen Blick widmen; er wird ſeine Beobachtung belohnt ſehen, indem er der Natur die anmuthigſten Gemaͤlde ablauſcht. Bey der Miſchung der Farben in Baͤumen und Straͤuchern kann er eine Mannigfaltigkeit von Verbindung und Gegenſtellung zeigen, die keine andere Jahreszeit kennt. Und hier ſcheint keine Lage vortheilhafter, um die Malerey der Pflanzung in ihrer ganzen Schoͤnheit darzuſtellen, als eine ſich allmaͤlig erhebende Hoͤhe. Welch ein Gemaͤlde, wenn die Pflanzung von einem gruͤ- nen heitern Raſen mit lebhaften Blumen und demnaͤchſt mit Straͤuchern voll gelblicher und roͤthlicher Beeren aufſteigt, mit Baͤumen und Gebuͤſchen voll gelb und roth ge- faͤrbter Blaͤtter fortſchreitet, dann ſich an ganze Maſſen von rothem Laubwerk, das ſich wieder mit hellem Gruͤn bricht, anſchließt, und mit dichten Klumpen von dunkel- gruͤnem und braͤunlichem Nadelholz endigt, das den blauen Horizont zur Graͤnze hat! In dieſer Gattung von Malerey laſſen ſich am meiſten die ſtaͤrkſten Contraſte der Far- ben und der Maſſen, mit allen ihren trefflichen Wirkungen fuͤr das Auge, gewinnen. Sonnigte Anhoͤhen, zumal wenn ſie in einem Wald ſich erheben, oder ſelbſt hie und da uͤber ihn emporragen, ſcheinen die angenehmſte Lage fuͤr Herbſtgaͤrten zu ſeyn. Die Gegend ſey trocken und warm. Spatziergaͤnge am Waſſer und luftige Tempel reizen uns nicht mehr; wir lieben die milde Waͤrme zwiſchen Huͤgeln, und bedeckte Zufluchtsoͤrter. Jagdgebaͤude *) und Haͤuſer zum Vogelfang ſind beſonders Anlagen von dieſem Charakter gemaͤß. 4. Indeſſen eilt in der letzten Zeit des Herbſtes alles der Zerſtoͤrung entgegen. Die Blaͤtter fallen und rauſchen unter dem Fußtritt des Spatziergaͤngers; der Wald ſteht in nackter Durchſichtigkeit da, und in ſeinem Gipfel ſauſet der rauhe Sturm. Die Huͤgel trauren entfaͤrbt und oͤde. Das geringe Gruͤn, die wenigen Blumen, die der Nebel und der Froſt noch nicht getoͤdtet haben, ſind die letzte Wirkung der er- ſchlafften Natur. Die Luft ertoͤnt nur von dem aͤngſtlichen Gekraͤchze der Raben und von dem wilden Heergeſchrey der Zugvoͤgel, die vor den Schrecken unſers Winters in gluͤcklichere Laͤnder entweichen. Nach *) S. 3ter B. S. 37. 38.

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst4_1782/164>, abgerufen am 26.11.2024.