Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782.Vierter Abschnitt. Gärten dieser Jahrszeit noch nicht zu dichten Schattengewölben angewachsen ist, nicht ganzübersehen werden. Einige Bäume und Sträucher empfehlen sich durch das frühe Ausschlagen ihres hellgrünen Laubes, das durch seine Lebhaftigkeit dem Charakter des Frühlings so sehr zustimmt, als die Buche, der Stachelbeerstrauch, die Strausbeere (Ribes Alpinum, L.), der breitblättrige Spindelbaum (Evonymus latifolius, d. R.). Nadelhölzer, die fast alle eine zu dunkle und todte Farbe haben, schicken sich nicht in Frühlingsscenen, wo sie, gegen das heitre Grün des jungen Laubes betrachtet, einen widrigen Eindruck machen. Das Grün der Laubbäume ist indessen in dieser Jahrs- zeit noch zu lichte und zu wenig abändernd, als daß sich hier durch Mischung verschie- dener Farben des Laubwerks eine Malerey gewinnen ließe. Noch verdienen hier sol- che Bäume einen Platz, deren ausschlagende Blätter Wohlgeruch verbreiten, als die Balsampappel und der Lerchenbaum. In dieser Zeit des Jahres ist das Licht des Tages milde und erquickend; man Durch den ganzen Frühlingsgarten herrsche Heiterkeit und Freude. Alle Ver- Vierter Abſchnitt. Gaͤrten dieſer Jahrszeit noch nicht zu dichten Schattengewoͤlben angewachſen iſt, nicht ganzuͤberſehen werden. Einige Baͤume und Straͤucher empfehlen ſich durch das fruͤhe Ausſchlagen ihres hellgruͤnen Laubes, das durch ſeine Lebhaftigkeit dem Charakter des Fruͤhlings ſo ſehr zuſtimmt, als die Buche, der Stachelbeerſtrauch, die Strausbeere (Ribes Alpinum, L.), der breitblaͤttrige Spindelbaum (Evonymus latifolius, d. R.). Nadelhoͤlzer, die faſt alle eine zu dunkle und todte Farbe haben, ſchicken ſich nicht in Fruͤhlingsſcenen, wo ſie, gegen das heitre Gruͤn des jungen Laubes betrachtet, einen widrigen Eindruck machen. Das Gruͤn der Laubbaͤume iſt indeſſen in dieſer Jahrs- zeit noch zu lichte und zu wenig abaͤndernd, als daß ſich hier durch Miſchung verſchie- dener Farben des Laubwerks eine Malerey gewinnen ließe. Noch verdienen hier ſol- che Baͤume einen Platz, deren ausſchlagende Blaͤtter Wohlgeruch verbreiten, als die Balſampappel und der Lerchenbaum. In dieſer Zeit des Jahres iſt das Licht des Tages milde und erquickend; man Durch den ganzen Fruͤhlingsgarten herrſche Heiterkeit und Freude. Alle Ver- <TEI> <text> <body> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0150" n="146"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vierter Abſchnitt. Gaͤrten</hi></fw><lb/> dieſer Jahrszeit noch nicht zu dichten Schattengewoͤlben angewachſen iſt, nicht ganz<lb/> uͤberſehen werden. 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Noch reizender<lb/> wird ſie, wenn es verſtattet iſt, in den kleinen Thaͤlern Baͤche uͤber hellſchimmernde<lb/> Kieſel rieſeln zu laſſen; ihr Waſſer ſey klar und durchſichtig, ihr Lauf munter, ihr<lb/> Geraͤuſch maͤßig ohne Getoͤſe, ihr Ufer mit Blumen bekraͤnzt, die uͤberhaͤngend ſich in<lb/> dem Spiegel der lieblichen Flut beſchauen. Dieſes Waͤſſer und die umher bluͤhenden<lb/> Gebuͤſche locken mancherley melodiſche Voͤgel herbey, deren Geſellſchaft nie reizender<lb/> iſt, als in dieſer Feyerzeit der Liebe und des Geſanges.</p><lb/> <p>Durch den ganzen Fruͤhlingsgarten herrſche Heiterkeit und Freude. Alle Ver-<lb/> zierungen, alle Werke der Kuͤnſte muͤſſen den Charakter dieſer Jahrszeit, Jugend<lb/> und Munterkeit, ankuͤndigen. Offene Sitze, heitre Lauben und froͤhliche Tempel im<lb/> Angeſichte reizender Ausſichten, auswendig mit farbigten Bluͤthen und duftenden Blu-<lb/> men umgeben, inwendig mit Bildern des Vergnuͤgens geſchmuͤckt, gehoͤren in dieſe<lb/> Reviere als zuſtimmende Werke. Die Gebaͤude muͤſſen leicht und in einem muntern<lb/> Styl ſeyn. Auf einem blumigten Huͤgel erhebe ſich der Tempel des Fruͤhlings.<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [146/0150]
Vierter Abſchnitt. Gaͤrten
dieſer Jahrszeit noch nicht zu dichten Schattengewoͤlben angewachſen iſt, nicht ganz
uͤberſehen werden. Einige Baͤume und Straͤucher empfehlen ſich durch das fruͤhe
Ausſchlagen ihres hellgruͤnen Laubes, das durch ſeine Lebhaftigkeit dem Charakter des
Fruͤhlings ſo ſehr zuſtimmt, als die Buche, der Stachelbeerſtrauch, die Strausbeere
(Ribes Alpinum, L.), der breitblaͤttrige Spindelbaum (Evonymus latifolius, d. R.).
Nadelhoͤlzer, die faſt alle eine zu dunkle und todte Farbe haben, ſchicken ſich nicht in
Fruͤhlingsſcenen, wo ſie, gegen das heitre Gruͤn des jungen Laubes betrachtet, einen
widrigen Eindruck machen. Das Gruͤn der Laubbaͤume iſt indeſſen in dieſer Jahrs-
zeit noch zu lichte und zu wenig abaͤndernd, als daß ſich hier durch Miſchung verſchie-
dener Farben des Laubwerks eine Malerey gewinnen ließe. Noch verdienen hier ſol-
che Baͤume einen Platz, deren ausſchlagende Blaͤtter Wohlgeruch verbreiten, als die
Balſampappel und der Lerchenbaum.
In dieſer Zeit des Jahres iſt das Licht des Tages milde und erquickend; man
genießt ſeinen ſanft erwaͤrmenden Strahl mit Wolluſt; auch ſehnen ſich alle Gewaͤchſe
nach ſeinem belebenden Einfluß. Der Fruͤhlingsgarten waͤhle demnach ſeine Lage vor
dem freyen Blick der Sonne. Eine Reihe von anmuthig aufſchwellenden kleinen ſon-
nigten Huͤgeln, die mit ſanften Abhaͤngen, ohne tiefe Niedrigungen, wellenfoͤrmig
fortlaufen, ſcheint die ſchoͤnſte Lage fuͤr dieſen Charakter zu ſeyn. Noch reizender
wird ſie, wenn es verſtattet iſt, in den kleinen Thaͤlern Baͤche uͤber hellſchimmernde
Kieſel rieſeln zu laſſen; ihr Waſſer ſey klar und durchſichtig, ihr Lauf munter, ihr
Geraͤuſch maͤßig ohne Getoͤſe, ihr Ufer mit Blumen bekraͤnzt, die uͤberhaͤngend ſich in
dem Spiegel der lieblichen Flut beſchauen. Dieſes Waͤſſer und die umher bluͤhenden
Gebuͤſche locken mancherley melodiſche Voͤgel herbey, deren Geſellſchaft nie reizender
iſt, als in dieſer Feyerzeit der Liebe und des Geſanges.
Durch den ganzen Fruͤhlingsgarten herrſche Heiterkeit und Freude. Alle Ver-
zierungen, alle Werke der Kuͤnſte muͤſſen den Charakter dieſer Jahrszeit, Jugend
und Munterkeit, ankuͤndigen. Offene Sitze, heitre Lauben und froͤhliche Tempel im
Angeſichte reizender Ausſichten, auswendig mit farbigten Bluͤthen und duftenden Blu-
men umgeben, inwendig mit Bildern des Vergnuͤgens geſchmuͤckt, gehoͤren in dieſe
Reviere als zuſtimmende Werke. Die Gebaͤude muͤſſen leicht und in einem muntern
Styl ſeyn. Auf einem blumigten Huͤgel erhebe ſich der Tempel des Fruͤhlings.
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