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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782.

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nach dem Charakter der Gegenden.

Groß und entsetzlich ist der Zugang zu der Peaks-Höhle bey Castleton.
Ein aus ihrer Mündung fließender Strom läuft zur Linken, und zur Rechten ist man
von einer Reihe Felsen umgeben, welche ihr hohes Haupt bis in die Wolken empor-
strecken. Einer derselben ist zweyhundert und funfzig Fuß hoch. Wenn man an den
Eingang kommt, welcher zwey und vierzig Fuß hoch, und hundert und zwanzig Fuß
weit ist, so wird die Aufmerksamkeit von einem ungewöhnlichen Anblick gefesselt. In
diesem dunkeln Aufenthalte sind hin und wieder zerstreuete Hütten, und eine Menge
von Weibern und Kindern spinnen; in allen Stücken hat es das Ansehen einer an-
dern Welt; der Prospect ist auch gar nicht eingeschränkt; denn die fröhlichen Ge-
schöpfe, welche man so beschäfftigt sieht, dehnen sich so weit aus, daß sie ein Perspe-
ctiv machen, von dem die Einbildungskraft glaubt, daß es kein Ende habe. Das
erste, was uns unser bäurischer Wegweiser, welcher der Naturkundige und Weltweise
des Orts ist, bey dem Eingange zeigte, war die Art, wie das Wasser zu Spalt
(spar) gerinnt. Erstlich, sprach er, ist es nur ein durchsichtiger Tropfen, an der
Luft wird es wie Leim, und allmälig versteinert es sich. Das Folgende, was er uns
zeigte, war die Speckseite, eine große Incrustation, welche an einer Seite hängt.
Diese giengen wir hurtig vorbey, und kamen an eine kleine Thüre, von welcher man
die ungeheuerste Aussicht einer Höhle hat, die man sich nur gedenken kann. Wir
giengen jedoch weiter niederwärts bis zu dem Glockenhause. Von hier giengen wir
noch stark bergab, und kamen an den Fluß, stiegen in ein fertig liegendes Boot,
streckten uns der Länge nach in demselben hin, um uns nicht den Kopf an dem herab-
hangenden Felsen zu zerstoßen, und wurden auf diese Art übergesetzt, oder vielmehr
einen gekrümmten Strom hinaufgefahren. Wie wir an Land traten, glaubten wir
in dem ersten Gemach der unterirdischen Gottheiten zu seyn. Nichts ist erstaunlicher,
als der Anschein dieses furchtbaren Aufenthalts. Die gemessene Länge ist zweyhun-
dert und siebzig Fuß; die Weite zweyhundert und zehn Fuß, und die Höhe hundert
und zwanzig Fuß. Damit man, hier stehend, das fürchterliche Düstre dieses Schau-
platzes recht genießen kann, so brennen rund herum eine Menge von Lichtern, die wie
Sterne schimmern, und das Schauerliche erhöhen. Lustig genug aber war es anzu-
sehen, wie das Boot wiederkam, und andere Passagiere, die eben so ausgestreckt lagen,
an eine Höhle weiter unterwärts aussetzte, die kaum so groß war, daß ein Mann hin-
einkriechen konnte. Von hier kamen wir zu einer andern Krümmung des Flusses,
durch welche uns unser Wegweiser auf den Schultern trug; von da kamen wir nach
Roger Regen's Haus, welches diesen Namen führt, weil unaufhörlich Wassertro-
pfen in allen Theilen desselben niederfallen. Von hier setzten wir unsern Weg ganz
ruhig nach dem Thor fort, als wir plötzlich von einem in einer Nische auf sieben und

funfzig
N 3
nach dem Charakter der Gegenden.

Groß und entſetzlich iſt der Zugang zu der Peaks-Hoͤhle bey Caſtleton.
Ein aus ihrer Muͤndung fließender Strom laͤuft zur Linken, und zur Rechten iſt man
von einer Reihe Felſen umgeben, welche ihr hohes Haupt bis in die Wolken empor-
ſtrecken. Einer derſelben iſt zweyhundert und funfzig Fuß hoch. Wenn man an den
Eingang kommt, welcher zwey und vierzig Fuß hoch, und hundert und zwanzig Fuß
weit iſt, ſo wird die Aufmerkſamkeit von einem ungewoͤhnlichen Anblick gefeſſelt. In
dieſem dunkeln Aufenthalte ſind hin und wieder zerſtreuete Huͤtten, und eine Menge
von Weibern und Kindern ſpinnen; in allen Stuͤcken hat es das Anſehen einer an-
dern Welt; der Proſpect iſt auch gar nicht eingeſchraͤnkt; denn die froͤhlichen Ge-
ſchoͤpfe, welche man ſo beſchaͤfftigt ſieht, dehnen ſich ſo weit aus, daß ſie ein Perſpe-
ctiv machen, von dem die Einbildungskraft glaubt, daß es kein Ende habe. Das
erſte, was uns unſer baͤuriſcher Wegweiſer, welcher der Naturkundige und Weltweiſe
des Orts iſt, bey dem Eingange zeigte, war die Art, wie das Waſſer zu Spalt
(ſpar) gerinnt. Erſtlich, ſprach er, iſt es nur ein durchſichtiger Tropfen, an der
Luft wird es wie Leim, und allmaͤlig verſteinert es ſich. Das Folgende, was er uns
zeigte, war die Speckſeite, eine große Incruſtation, welche an einer Seite haͤngt.
Dieſe giengen wir hurtig vorbey, und kamen an eine kleine Thuͤre, von welcher man
die ungeheuerſte Ausſicht einer Hoͤhle hat, die man ſich nur gedenken kann. Wir
giengen jedoch weiter niederwaͤrts bis zu dem Glockenhauſe. Von hier giengen wir
noch ſtark bergab, und kamen an den Fluß, ſtiegen in ein fertig liegendes Boot,
ſtreckten uns der Laͤnge nach in demſelben hin, um uns nicht den Kopf an dem herab-
hangenden Felſen zu zerſtoßen, und wurden auf dieſe Art uͤbergeſetzt, oder vielmehr
einen gekruͤmmten Strom hinaufgefahren. Wie wir an Land traten, glaubten wir
in dem erſten Gemach der unterirdiſchen Gottheiten zu ſeyn. Nichts iſt erſtaunlicher,
als der Anſchein dieſes furchtbaren Aufenthalts. Die gemeſſene Laͤnge iſt zweyhun-
dert und ſiebzig Fuß; die Weite zweyhundert und zehn Fuß, und die Hoͤhe hundert
und zwanzig Fuß. Damit man, hier ſtehend, das fuͤrchterliche Duͤſtre dieſes Schau-
platzes recht genießen kann, ſo brennen rund herum eine Menge von Lichtern, die wie
Sterne ſchimmern, und das Schauerliche erhoͤhen. Luſtig genug aber war es anzu-
ſehen, wie das Boot wiederkam, und andere Paſſagiere, die eben ſo ausgeſtreckt lagen,
an eine Hoͤhle weiter unterwaͤrts ausſetzte, die kaum ſo groß war, daß ein Mann hin-
einkriechen konnte. Von hier kamen wir zu einer andern Kruͤmmung des Fluſſes,
durch welche uns unſer Wegweiſer auf den Schultern trug; von da kamen wir nach
Roger Regen’s Haus, welches dieſen Namen fuͤhrt, weil unaufhoͤrlich Waſſertro-
pfen in allen Theilen deſſelben niederfallen. Von hier ſetzten wir unſern Weg ganz
ruhig nach dem Thor fort, als wir ploͤtzlich von einem in einer Niſche auf ſieben und

funfzig
N 3
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[101/0105] nach dem Charakter der Gegenden. Groß und entſetzlich iſt der Zugang zu der Peaks-Hoͤhle bey Caſtleton. Ein aus ihrer Muͤndung fließender Strom laͤuft zur Linken, und zur Rechten iſt man von einer Reihe Felſen umgeben, welche ihr hohes Haupt bis in die Wolken empor- ſtrecken. Einer derſelben iſt zweyhundert und funfzig Fuß hoch. Wenn man an den Eingang kommt, welcher zwey und vierzig Fuß hoch, und hundert und zwanzig Fuß weit iſt, ſo wird die Aufmerkſamkeit von einem ungewoͤhnlichen Anblick gefeſſelt. In dieſem dunkeln Aufenthalte ſind hin und wieder zerſtreuete Huͤtten, und eine Menge von Weibern und Kindern ſpinnen; in allen Stuͤcken hat es das Anſehen einer an- dern Welt; der Proſpect iſt auch gar nicht eingeſchraͤnkt; denn die froͤhlichen Ge- ſchoͤpfe, welche man ſo beſchaͤfftigt ſieht, dehnen ſich ſo weit aus, daß ſie ein Perſpe- ctiv machen, von dem die Einbildungskraft glaubt, daß es kein Ende habe. Das erſte, was uns unſer baͤuriſcher Wegweiſer, welcher der Naturkundige und Weltweiſe des Orts iſt, bey dem Eingange zeigte, war die Art, wie das Waſſer zu Spalt (ſpar) gerinnt. Erſtlich, ſprach er, iſt es nur ein durchſichtiger Tropfen, an der Luft wird es wie Leim, und allmaͤlig verſteinert es ſich. Das Folgende, was er uns zeigte, war die Speckſeite, eine große Incruſtation, welche an einer Seite haͤngt. Dieſe giengen wir hurtig vorbey, und kamen an eine kleine Thuͤre, von welcher man die ungeheuerſte Ausſicht einer Hoͤhle hat, die man ſich nur gedenken kann. Wir giengen jedoch weiter niederwaͤrts bis zu dem Glockenhauſe. Von hier giengen wir noch ſtark bergab, und kamen an den Fluß, ſtiegen in ein fertig liegendes Boot, ſtreckten uns der Laͤnge nach in demſelben hin, um uns nicht den Kopf an dem herab- hangenden Felſen zu zerſtoßen, und wurden auf dieſe Art uͤbergeſetzt, oder vielmehr einen gekruͤmmten Strom hinaufgefahren. Wie wir an Land traten, glaubten wir in dem erſten Gemach der unterirdiſchen Gottheiten zu ſeyn. Nichts iſt erſtaunlicher, als der Anſchein dieſes furchtbaren Aufenthalts. Die gemeſſene Laͤnge iſt zweyhun- dert und ſiebzig Fuß; die Weite zweyhundert und zehn Fuß, und die Hoͤhe hundert und zwanzig Fuß. Damit man, hier ſtehend, das fuͤrchterliche Duͤſtre dieſes Schau- platzes recht genießen kann, ſo brennen rund herum eine Menge von Lichtern, die wie Sterne ſchimmern, und das Schauerliche erhoͤhen. Luſtig genug aber war es anzu- ſehen, wie das Boot wiederkam, und andere Paſſagiere, die eben ſo ausgeſtreckt lagen, an eine Hoͤhle weiter unterwaͤrts ausſetzte, die kaum ſo groß war, daß ein Mann hin- einkriechen konnte. Von hier kamen wir zu einer andern Kruͤmmung des Fluſſes, durch welche uns unſer Wegweiſer auf den Schultern trug; von da kamen wir nach Roger Regen’s Haus, welches dieſen Namen fuͤhrt, weil unaufhoͤrlich Waſſertro- pfen in allen Theilen deſſelben niederfallen. Von hier ſetzten wir unſern Weg ganz ruhig nach dem Thor fort, als wir ploͤtzlich von einem in einer Niſche auf ſieben und funfzig N 3

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst4_1782/105>, abgerufen am 22.11.2024.