Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782.Dritter Abschnitt. Gärten äußersten Ende hingestelltes Licht schien wie ein Stern in einer schönen wolkigten Nacht;und ein anderes, das gleich schicklich auf dem Grunde, von wannen wir heraufgestie- gen waren, hingestellt war, that eine eben so besondere als furchtbare Wirkung. Wir wagten uns noch weiter, und kamen den Weibersattel und einen Vorhang vorbey, wel- ches beydes ausnehmend schöne Incrustationen sind; hierauf giengen wir durch des heiligen Andreas Nadelöhr, ließen seinen Thron oder Pavillon, eine wegen ihrer Größe und Aehnlichkeit merkwürdige Versteinerung, zur Rechten, und wanderten über einen Haufen unordentlicher Felsen zu einem Wege, der mit Nachdruck und mit Recht der rückenbrechende Weg genennet wird. Hier kletterten wir wieder, bis wir endlich an das anscheinende Ende dieser großen Höhle kamen. Wir kehrten mit noch größerer Vorsicht zurück, als wir vorwärts gegangen waren, und kamen endlich wieder an das Tageslicht. Wir nahmen unsern Weg nach einer Bleymine, welche die Staffordshirer Groß
Dritter Abſchnitt. Gaͤrten aͤußerſten Ende hingeſtelltes Licht ſchien wie ein Stern in einer ſchoͤnen wolkigten Nacht;und ein anderes, das gleich ſchicklich auf dem Grunde, von wannen wir heraufgeſtie- gen waren, hingeſtellt war, that eine eben ſo beſondere als furchtbare Wirkung. Wir wagten uns noch weiter, und kamen den Weiberſattel und einen Vorhang vorbey, wel- ches beydes ausnehmend ſchoͤne Incruſtationen ſind; hierauf giengen wir durch des heiligen Andreas Nadeloͤhr, ließen ſeinen Thron oder Pavillon, eine wegen ihrer Groͤße und Aehnlichkeit merkwuͤrdige Verſteinerung, zur Rechten, und wanderten uͤber einen Haufen unordentlicher Felſen zu einem Wege, der mit Nachdruck und mit Recht der ruͤckenbrechende Weg genennet wird. Hier kletterten wir wieder, bis wir endlich an das anſcheinende Ende dieſer großen Hoͤhle kamen. Wir kehrten mit noch groͤßerer Vorſicht zuruͤck, als wir vorwaͤrts gegangen waren, und kamen endlich wieder an das Tageslicht. Wir nahmen unſern Weg nach einer Bleymine, welche die Staffordſhirer Groß
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Dritter Abſchnitt. Gaͤrten
aͤußerſten Ende hingeſtelltes Licht ſchien wie ein Stern in einer ſchoͤnen wolkigten Nacht;
und ein anderes, das gleich ſchicklich auf dem Grunde, von wannen wir heraufgeſtie-
gen waren, hingeſtellt war, that eine eben ſo beſondere als furchtbare Wirkung. Wir
wagten uns noch weiter, und kamen den Weiberſattel und einen Vorhang vorbey, wel-
ches beydes ausnehmend ſchoͤne Incruſtationen ſind; hierauf giengen wir durch des
heiligen Andreas Nadeloͤhr, ließen ſeinen Thron oder Pavillon, eine wegen ihrer
Groͤße und Aehnlichkeit merkwuͤrdige Verſteinerung, zur Rechten, und wanderten uͤber
einen Haufen unordentlicher Felſen zu einem Wege, der mit Nachdruck und mit Recht
der ruͤckenbrechende Weg genennet wird. Hier kletterten wir wieder, bis wir endlich
an das anſcheinende Ende dieſer großen Hoͤhle kamen. Wir kehrten mit noch groͤßerer
Vorſicht zuruͤck, als wir vorwaͤrts gegangen waren, und kamen endlich wieder an das
Tageslicht.
Wir nahmen unſern Weg nach einer Bleymine, welche die Staffordſhirer
Speedwell genennet wird. An dem Abhange eines Berges wurden wir einer Oeff-
nung gewahr, welche uns auf hundert und ſieben faſt ſenkrechten Stufen an einen Fluß
brachte, auf welchem ein Mann mit einem Boote unſer erwartete. Wir vertrauten
uns dieſem zweyten Charon. So fuͤrchterlich dieſe unterirdiſche Schifffahrt war, ſo
ausnehmend erhaben war ſie. Die Luft ſauſte in furchtbarer Majeſtaͤt vorbey; der
Ort war finſter, und wurde nur von dem Scheine unſerer Kerzen erhellt. Alles war
in dem Boote ſtille, und die geſchaͤfftige Einbildungskraft ſtellte ſich alles groß vor.
Wir machten dieſen Weg mit einem Grade des Vergnuͤgens, das wir noch auf keiner
Luſtfahrt geſchmeckt hatten; ploͤtzlich hoͤrten wir ein melodiſches Geraͤuſch, das von dem
Gewoͤlbe der Decke zuruͤckprallend ſich bey uns in den ſuͤßeſten Toͤnen verlor. Wir
fuhren weiter; der Schall hielt an; wurde aber merklich ſtaͤrker. Endlich gelangten
wir an den Ort, woher er kam, und hier vergroͤßerte ſich unſere Verwunderung. Ein
kleiner Knabe von 10 bis 12 Jahren war in einer Niſche hingeſtellt, wo er nur eben
Platz hatte, ſich zu bewegen, auch ohne Huͤlfe nicht herauskommen konnte; und trieb
vermittelſt eines Blaſebalgs friſche Luft bis an das aͤußerſte Ende des Fluſſes, und an
dieſem Ort trillerte der kleine Saͤnger ſeine Lieder. Die Natur hatte ihn mit einer
reizenden Stimme begabt, und ohne auf ſeinen Zuſtand zu gedenken, arbeitete und
ſang er acht Stunden; denn dieſe Zeit war ihm zu ſeinem Tagewerke beſtimmt.
Wir fuhren dieſen Einwohner der Unterwelt vorbey, ſetzten unſern Weg fort, und er-
reichten endlich, nachdem wir ſechzehn- bis achtzehnhundert Schritte zuruͤckgelegt hat-
ten, das Ende, wo wir drey friſche und muntre Maͤnner bey ihrer Arbeit fanden.
Wir kehrten auf eben die Art zuruͤck, wie wir hineingekommen waren.
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