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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780.

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Dritter Abschnitt. Von Tempeln, Grotten,

Wenn sich Tempel diesen Wirkungen nähern sollen, so erhellet noch mehr die
Nothwendigkeit eines deutlichen Ausdrucks ihres Charakters. Demnächst muß der
mythologische Charakter der Gottheiten, denen sie gewidmet werden, eine Verwandt-
schaft mit den Vorstellungen und Bewegungen haben, die einem Garten eigen sind.
So schön die Architektur des Tempels der Bellona zu Kew ist, so wenig erwartet
man ein Monument dieser Göttinn in einem Garten. Mehr angemessen sind hier die
Tempel der Sonne und des Pan; zu Stowe die Tempel der Venus, der Mutter
der Erzeugungen, und des Bacchus. Auch Diana, Ceres, Flora, Pomona,
Apollo,
die Musen, die Grazien können noch immer in den heutigen Gärten ihre
Tempel sparsam und immer in Scenen errichtet finden, die ihrem Charakter zustim-
men. Was ihrer Zuläßigkeit einen Grund mehr ertheilt, ist dieses, daß sie zugleich
einer allegorischen Bedeutung fähig sind, indem sie auf Kräfte, Wirkungen und Ei-
genschaften hinwinken, die dadurch vorgestellt werden.

Allein da diese Gattungen von Tempeln fast nur für Kenner der Mythologie
und für Leute von Geschmack verständlich sind, so läßt sich die Anwendung dieser Ge-
bäude noch auf eine Art erweitern, die mehr Deutlichkeit mit sich führt. Es giebt ge-
wisse Wirkungen des Landlebens und der Gärten, denen man Tempel widmen kann.
Der Tempel der Heiterkeit, der Ruhe, der Vergessenheit der Sorgen, der
Selbstbetrachtung, u. a. sind sehr schickliche, und fast noch gar nicht gebrauchte Ge-
genstände in Gärten. Solche Gebäude stimmen den ihnen zugeordneten Scenen sehr
deutlich zu; und durch Anordnung, Verzierung und Lage werden sie eine neue Quelle
der Mannigfaltigkeit. Sie ehren die Natur, indem sie das Andenken ihrer Wirkun-
gen erhalten; und erregen davon dem empfindenden Beobachter, so oft er sich ihnen
nähert, oder in ihnen verweilt, neue Gefühle.

Auch die verschiedenen Zeiten des Jahres und des Tages können ihre Tem-
pel haben, zur Erhöhung der Eindrücke der Scenen, die ihnen vorzüglich gewidmet
werden, und zur Gewinnung eines reichern Genusses der Annehmlichkeiten, die einer
jeden eigenthümlich sind. Gebäude von dieser Erfindung tragen so viel zur Vermeh-
rung der Abwechselung und zur Charakteristik der Plätze bey, sie bieten dem Genie
des Künstlers so viel Gelegenheit zu neuen Beschäftigungen an, daß ihre Einführung
eine besondere Empfehlung verdient. Der Tempel des Frühlings erhebe sich an ei-
nem warmen und hellen Ort, in einem angenehmen und gefälligen Styl, mit lachen-
den Bildern umgeben, welche das Erwachen der Natur ankündigen, und mit jungen
Blumen, zwischen welchen die zurückkehrenden Weste ihre muthwilligen Spiele wie-

der
Dritter Abſchnitt. Von Tempeln, Grotten,

Wenn ſich Tempel dieſen Wirkungen naͤhern ſollen, ſo erhellet noch mehr die
Nothwendigkeit eines deutlichen Ausdrucks ihres Charakters. Demnaͤchſt muß der
mythologiſche Charakter der Gottheiten, denen ſie gewidmet werden, eine Verwandt-
ſchaft mit den Vorſtellungen und Bewegungen haben, die einem Garten eigen ſind.
So ſchoͤn die Architektur des Tempels der Bellona zu Kew iſt, ſo wenig erwartet
man ein Monument dieſer Goͤttinn in einem Garten. Mehr angemeſſen ſind hier die
Tempel der Sonne und des Pan; zu Stowe die Tempel der Venus, der Mutter
der Erzeugungen, und des Bacchus. Auch Diana, Ceres, Flora, Pomona,
Apollo,
die Muſen, die Grazien koͤnnen noch immer in den heutigen Gaͤrten ihre
Tempel ſparſam und immer in Scenen errichtet finden, die ihrem Charakter zuſtim-
men. Was ihrer Zulaͤßigkeit einen Grund mehr ertheilt, iſt dieſes, daß ſie zugleich
einer allegoriſchen Bedeutung faͤhig ſind, indem ſie auf Kraͤfte, Wirkungen und Ei-
genſchaften hinwinken, die dadurch vorgeſtellt werden.

Allein da dieſe Gattungen von Tempeln faſt nur fuͤr Kenner der Mythologie
und fuͤr Leute von Geſchmack verſtaͤndlich ſind, ſo laͤßt ſich die Anwendung dieſer Ge-
baͤude noch auf eine Art erweitern, die mehr Deutlichkeit mit ſich fuͤhrt. Es giebt ge-
wiſſe Wirkungen des Landlebens und der Gaͤrten, denen man Tempel widmen kann.
Der Tempel der Heiterkeit, der Ruhe, der Vergeſſenheit der Sorgen, der
Selbſtbetrachtung, u. a. ſind ſehr ſchickliche, und faſt noch gar nicht gebrauchte Ge-
genſtaͤnde in Gaͤrten. Solche Gebaͤude ſtimmen den ihnen zugeordneten Scenen ſehr
deutlich zu; und durch Anordnung, Verzierung und Lage werden ſie eine neue Quelle
der Mannigfaltigkeit. Sie ehren die Natur, indem ſie das Andenken ihrer Wirkun-
gen erhalten; und erregen davon dem empfindenden Beobachter, ſo oft er ſich ihnen
naͤhert, oder in ihnen verweilt, neue Gefuͤhle.

Auch die verſchiedenen Zeiten des Jahres und des Tages koͤnnen ihre Tem-
pel haben, zur Erhoͤhung der Eindruͤcke der Scenen, die ihnen vorzuͤglich gewidmet
werden, und zur Gewinnung eines reichern Genuſſes der Annehmlichkeiten, die einer
jeden eigenthuͤmlich ſind. Gebaͤude von dieſer Erfindung tragen ſo viel zur Vermeh-
rung der Abwechſelung und zur Charakteriſtik der Plaͤtze bey, ſie bieten dem Genie
des Kuͤnſtlers ſo viel Gelegenheit zu neuen Beſchaͤftigungen an, daß ihre Einfuͤhrung
eine beſondere Empfehlung verdient. Der Tempel des Fruͤhlings erhebe ſich an ei-
nem warmen und hellen Ort, in einem angenehmen und gefaͤlligen Styl, mit lachen-
den Bildern umgeben, welche das Erwachen der Natur ankuͤndigen, und mit jungen
Blumen, zwiſchen welchen die zuruͤckkehrenden Weſte ihre muthwilligen Spiele wie-

der
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[76/0080] Dritter Abſchnitt. Von Tempeln, Grotten, Wenn ſich Tempel dieſen Wirkungen naͤhern ſollen, ſo erhellet noch mehr die Nothwendigkeit eines deutlichen Ausdrucks ihres Charakters. Demnaͤchſt muß der mythologiſche Charakter der Gottheiten, denen ſie gewidmet werden, eine Verwandt- ſchaft mit den Vorſtellungen und Bewegungen haben, die einem Garten eigen ſind. So ſchoͤn die Architektur des Tempels der Bellona zu Kew iſt, ſo wenig erwartet man ein Monument dieſer Goͤttinn in einem Garten. Mehr angemeſſen ſind hier die Tempel der Sonne und des Pan; zu Stowe die Tempel der Venus, der Mutter der Erzeugungen, und des Bacchus. Auch Diana, Ceres, Flora, Pomona, Apollo, die Muſen, die Grazien koͤnnen noch immer in den heutigen Gaͤrten ihre Tempel ſparſam und immer in Scenen errichtet finden, die ihrem Charakter zuſtim- men. Was ihrer Zulaͤßigkeit einen Grund mehr ertheilt, iſt dieſes, daß ſie zugleich einer allegoriſchen Bedeutung faͤhig ſind, indem ſie auf Kraͤfte, Wirkungen und Ei- genſchaften hinwinken, die dadurch vorgeſtellt werden. Allein da dieſe Gattungen von Tempeln faſt nur fuͤr Kenner der Mythologie und fuͤr Leute von Geſchmack verſtaͤndlich ſind, ſo laͤßt ſich die Anwendung dieſer Ge- baͤude noch auf eine Art erweitern, die mehr Deutlichkeit mit ſich fuͤhrt. Es giebt ge- wiſſe Wirkungen des Landlebens und der Gaͤrten, denen man Tempel widmen kann. Der Tempel der Heiterkeit, der Ruhe, der Vergeſſenheit der Sorgen, der Selbſtbetrachtung, u. a. ſind ſehr ſchickliche, und faſt noch gar nicht gebrauchte Ge- genſtaͤnde in Gaͤrten. Solche Gebaͤude ſtimmen den ihnen zugeordneten Scenen ſehr deutlich zu; und durch Anordnung, Verzierung und Lage werden ſie eine neue Quelle der Mannigfaltigkeit. Sie ehren die Natur, indem ſie das Andenken ihrer Wirkun- gen erhalten; und erregen davon dem empfindenden Beobachter, ſo oft er ſich ihnen naͤhert, oder in ihnen verweilt, neue Gefuͤhle. Auch die verſchiedenen Zeiten des Jahres und des Tages koͤnnen ihre Tem- pel haben, zur Erhoͤhung der Eindruͤcke der Scenen, die ihnen vorzuͤglich gewidmet werden, und zur Gewinnung eines reichern Genuſſes der Annehmlichkeiten, die einer jeden eigenthuͤmlich ſind. Gebaͤude von dieſer Erfindung tragen ſo viel zur Vermeh- rung der Abwechſelung und zur Charakteriſtik der Plaͤtze bey, ſie bieten dem Genie des Kuͤnſtlers ſo viel Gelegenheit zu neuen Beſchaͤftigungen an, daß ihre Einfuͤhrung eine beſondere Empfehlung verdient. Der Tempel des Fruͤhlings erhebe ſich an ei- nem warmen und hellen Ort, in einem angenehmen und gefaͤlligen Styl, mit lachen- den Bildern umgeben, welche das Erwachen der Natur ankuͤndigen, und mit jungen Blumen, zwiſchen welchen die zuruͤckkehrenden Weſte ihre muthwilligen Spiele wie- der

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst3_1780/80>, abgerufen am 22.11.2024.