Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 3. Leipzig, 1780.Dritter Abschnitt. Von Tempeln, Grotten, angenehm; allein die Form ist nicht im antiken Geschmack. Der Tempel derFreundschaft in eben diesem Garten sieht mehr einer Capelle ähnlich, und der Tem- pel der Damen einem Pavillon. Das erste Gesetz bey dieser Art von Nachahmung verlangt, daß die Form und der Charakter der antiken Tempel getreu beybehalten werden. Daher ist es eine sehr unrichtige Meynung, daß der Architekt sich hier jede Verschönerung erlauben dürfe, daß ein Tempel gerne alles annehme, was nur die Einbildungskraft Prächtiges und Reiches erfinden kann. Nach diesem Charakter, dessen wesentliche Bestandtheile Schönheit und Wür- Die runden Tempel scheinen für Gärten am meisten angemessen. Ihre Form Wenn die Nachahmung den wesentlichen Erfordernissen Genüge geleistet hat, Tempel
Dritter Abſchnitt. Von Tempeln, Grotten, angenehm; allein die Form iſt nicht im antiken Geſchmack. Der Tempel derFreundſchaft in eben dieſem Garten ſieht mehr einer Capelle aͤhnlich, und der Tem- pel der Damen einem Pavillon. Das erſte Geſetz bey dieſer Art von Nachahmung verlangt, daß die Form und der Charakter der antiken Tempel getreu beybehalten werden. Daher iſt es eine ſehr unrichtige Meynung, daß der Architekt ſich hier jede Verſchoͤnerung erlauben duͤrfe, daß ein Tempel gerne alles annehme, was nur die Einbildungskraft Praͤchtiges und Reiches erfinden kann. Nach dieſem Charakter, deſſen weſentliche Beſtandtheile Schoͤnheit und Wuͤr- Die runden Tempel ſcheinen fuͤr Gaͤrten am meiſten angemeſſen. Ihre Form Wenn die Nachahmung den weſentlichen Erforderniſſen Genuͤge geleiſtet hat, Tempel
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Dritter Abſchnitt. Von Tempeln, Grotten,
angenehm; allein die Form iſt nicht im antiken Geſchmack. Der Tempel der
Freundſchaft in eben dieſem Garten ſieht mehr einer Capelle aͤhnlich, und der Tem-
pel der Damen einem Pavillon. Das erſte Geſetz bey dieſer Art von Nachahmung
verlangt, daß die Form und der Charakter der antiken Tempel getreu beybehalten
werden. Daher iſt es eine ſehr unrichtige Meynung, daß der Architekt ſich hier jede
Verſchoͤnerung erlauben duͤrfe, daß ein Tempel gerne alles annehme, was nur die
Einbildungskraft Praͤchtiges und Reiches erfinden kann.
Nach dieſem Charakter, deſſen weſentliche Beſtandtheile Schoͤnheit und Wuͤr-
de ſind, gehoͤrt ein Tempel nur zu Scenen, die dieſem Charakter beyſtimmen. Ein
edler Tempel in einer Wildniß oder in einem niedrigen Buſchwerke wuͤrde eine ſehr
unſchickliche Lage haben. Es giebt ſo viele andere Arten von kleinen Gartengebaͤuden,
von Cabinetten, Luſthaͤuſern, Pavillons, u. ſ. w. die ſich mit den Gegenden immer
auf eine abwechſelnde und angemeſſene Weiſe verbinden laſſen, daß man Tempel nur
fuͤr reiche und edle Plaͤtze ſparen ſollte, worinn ſie mit Uebereinſtimmung ihre Wir-
kungen verbreiten koͤnnen. Von Anhoͤhen, die uͤber praͤchtige Ausſichten herrſchen,
an Stellen, die ein Gefuͤhl von feyerlicher Ruhe, von Ehrfurcht, von Bewunderung
einfloͤßen, wo die Eindruͤcke der Naturſcenen eine Veredelung erhalten ſollen, erblickt
man ſie mit Vergnuͤgen. Und in ausgebreiteten Parks, die eine Mehrheit der Auf-
tritte von dieſer Art zulaſſen, kann ihre Anzahl ſteigen, doch mit Abwechſelung der
Groͤße, der Lage, und der beſondern Beſtimmung. Kleine Luſtplaͤtze, die blos laͤnd-
lich ſind, ſich auf einfaͤltige Anmuth einſchraͤnken, Gaͤrten, die weder nach ihrem
Umfang, noch nach ihrer beſondern Beſtimmung irgend einen hoͤhern Charakter zu-
laſſen, vertragen auch keine Tempel, und nur ein feiſter und ſchwelgeriſcher Geſchmack
buͤrdet ſie ihnen zum Pomp auf. Die Anwendung der Tempel ſollte nicht weniger
beſtimmt ſeyn, als es ihre Bauart iſt.
Die runden Tempel ſcheinen fuͤr Gaͤrten am meiſten angemeſſen. Ihre Form
fuͤhrt bey aller Wuͤrde eine gewiſſe Leichtigkeit, Freyheit und Anmuth mit ſich, die ſie
vorzuͤglich Revieren empfiehlt, wo die Natur ihre Reize enthuͤllet. Die laͤnglicht
oder ins Gevierte gebaueten Tempel erhalten, ſowohl von dieſer Form, als auch von
ihrem weitern Umfang und von der groͤßern Anzahl der Saͤulen, mehr Feyerliches
und Ehrwuͤrdiges. Bey ihrer Anwendung wird man dieſen Unterſchied nicht ganz
vernachlaͤßigen duͤrfen.
Wenn die Nachahmung den weſentlichen Erforderniſſen Genuͤge geleiſtet hat,
ſo darf ſie ſich durch zufaͤllige oder geringere Umſtaͤnde nicht weiter feſſeln laſſen. Die
Tempel
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